7081880-1994_02_15.jpg
Digital In Arbeit

Die dritte Buch- Führung

19451960198020002020

Von Grün-Bewegten im Sinne der Kostenwahrheit heftig gefordert, fallen die Ergebnisse der „Öko- Bilanz“ mitunter anders aus als erwartet.

19451960198020002020

Von Grün-Bewegten im Sinne der Kostenwahrheit heftig gefordert, fallen die Ergebnisse der „Öko- Bilanz“ mitunter anders aus als erwartet.

Werbung
Werbung
Werbung

Nach etwa zehnjähriger „Entwicklungszeit“ scheinen Öko-Bilanzen nunmehr ein taugliches Mittel zu sein, bestimmte, genau definierte Fragen über die ökologische Sinnhaftigkeit von Produkten zu beantworten. Wobei man sich nicht mehr auf die Produktion beschränkt, sondern den gesamten „Lebensweg“ eines Produktes auf seine Umweltverträglichkeit hin untersucht.

Dabei hat sich eine Unterteilung in Sach-Bilanzen, in denen die diversen Abläufe aufgelistet und analysiert werden, und in Wirkungsbilanzen, in denen die Auswirkungen auf die Umwelt ermittelt werden, als sinnvoll herausgestellt. Wie normale Bilanzen bedürfen aber auch die Öko-Bilanzen einer Interpretation, also einer Bewertung, die die Umweltbelastungen gewichtet. Denn in dieser Art der Bilanzierung ist die Nutzung, Verwertung und Entsorgung der Produkte einbezogen und in diesen Bereichen ist die Umweltfreundlichkeit nicht so eindeutig wie im Bereich der Produktion.

Sowohl von Umweltschützem als auch von Wissenschaftlern und Politikern wurde eine Bewertung nach Noten gewünscht. Das hat bei noch weniger ausgereiften Methoden der Umweltbuchhaltung zumeist zu einander widersprechenden — je nach Auftraggeber - Ergebnissen geführt. Das soll mit dieser dritten Generation der Öko-Bilanzen nicht möglich sein. Sie soll ein verläßliches Instrument für die ökologische Bilanzierung darstellen, das auch als Grundlage für eine internationale Standardisierung dienen soll.

So liefert die Öko-Bilanz etwa fun-

dierte Anleitungen zu der oft schwer entscheidbaren Frage, was schlimmer ist: die Vergeudung von Rohstoffen und Energie oder die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden. Bisher wurden solche Entscheidungen nicht selten entweder opportunistisch (das heißt je nach Stimmungslage der Bevölkerung beziehungsweise ökonomischen Überlegungen) getroffen oder aufgeschoben. Allerdings, so betonen die Wissenschaftler, die letzte Entscheidung muß auch mit Öko-Bilanz von der Politik getroffen werden.

Ein Beispiel hat unlängst der deutsche Umweltminister Klaus Töpfer der Öffentlichkeit vorgestellt. So haben das Fraunhofer-Institut für Lebensmitteltechnologie und Verpackung in München, das Institut für

Energie- und Weltforschung in Heidelberg und die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung in Wiesbaden eine Öko-Bilanz zu Einweg- und Mehrwegverpackungen erarbeitet. Dabei hat sicn, was so manchen umweltbewußten Menschen vielleicht überraschen wird, herausgestellt, daß Mehrwegverpackungen nicht unter allen Umständen ökologisch sinnvoller sind. Die Umweltfreundlichkeit hängt besonders von zwei Kriterien ab: vom Transportweg und den Umläufen. Denn die,Vorteile, die die Glasflasche gegenüber Einweggebinden in puncto Energieverbrauch hat, vermindern sich etwa ab einer Strek- ke von 100 Kilometern durch ihre Nachteile in Hinblick auf die Luftverschmutzung bei der Beförderung.

Eines hat der Vergleich zwischen den verschiedenen Verpackungsarten allerdings eindeutig ergeben: Ebenso wie bei der Energiegewinnung (zum Beispiel Solar-Energie) sind dezentrale Kreislauflaufsysteme ökologisch beträchtlich sinnvoller als zentrale. Das bedeutet, daß der Trend zu immer größeren Konzernen umweltfeindlich ist. So wäre etwa die Forderang, „jedem Dorf seine Brauerei“, ein eminent grünes Anhegen.

Auf der anderen Seite bringen Öko-Bilanzen aber auch so manche

Ee Weltbilder ins Wanken. Zum piel ist die Behauptung, daß Glas und Papier umweltfreundlicher sind als Kunststoff oder Aluminium, keineswegs allgemeingültig. Tatsächlich hängt das von zahlreichen Faktoren ab, die mittels Öko-Bilanz ge- rüft werden müssen. Damit kann iese dritte Buchführung beim Wandel unseres Wirtschaftssystems zu einer ökologischen Kreislaufwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten und als Entscheidungshilfe möglicherweise unerläßlich werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung