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Die dritte Runde

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„1968 werden für uns keine ruhigen Weihnachten werden“, meint man bei der österreichischen Kreditwirtschaft. Hatte man im Finanzministerium bereits im Sommer durch einen ersten Entwurf zu einem neuen Kreditwesengesetz dafür gesorgt, daß die österreichischen Bank- und Geldfachleute in Unruhe kamen, so hat sich an dieser Lage kaum etwas geändert. Wohl wurde ein erster und zweiter Entwurf für ein Kreditwesengesetz in der Sekrä- tärekonferenz der österreichischen Geld- und Kreditinstitute ebenso wie in der entsprechenden Sektion der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft verworfen, wobei man so harte wirtschaftliche Ausdrücke, wie „Versuch eines staatlichen Dirigismus“ und „Beinahe- verstaatliehung“, hören konnte, aber auch mit dem dritten Entwurf, der noch gar nicht offiziell ausgesandt wurde, ist man in der heimischen Geldwirtschaft nicht einverstanden.

Zur Diskussion um das neue Kreditwesengesetz, zu Sorgen um die internationale Währungssituation im Zusammenhang mit der Franc-Krise kam aber über die Topmanager des Kreditapparates im Herbst noch eine wahre Flut von weiteren ihren Sektor betreffenden Gesetzesentwürfen. So

• soll im nächsten Jahr auch ein neues Postsparkassengesetz verabschiedet werden;

• das Sparkassengesetz soll ebenfalls novelliert dem Parlament vorgelegt werden, und

• zuletzt beunruhigt den Banken- und Kreditsektor auch noch die Tatsache, daß das Notenbankgesetz beziehungsweise das Nationalbankgesetz aus dem Jahre 1955 abgeändert wird.

Dazu kam noch, daß im Herbst des heurigen Jahres die Sparkassen ihre Drohung wahr machten und das seit Jahren geltende Habenzinsabkommen, das die Zinssätze für Einlagen ä gelt,-=mit Wirkung' um'Sli März 1969 kündigten. Die Zinssatzregelung sollte- in Hinkunft durch eine gesetzliche Maßnahme im Rahmen des „KWG“ (Kreditwesengesetz) ge troffen werden. Doch dagegen war man im gesamten österreichischen Geldsektor von vorne herein, da man sich nicht staatlicherseits den Zinssatz vorschreiben lassen will.

Ende Dezember ist jedenfalls der Stand der Arbeiten an den Novellen und Neuregelungen aller Kreditgesetze noch nicht sehr weit gediehen. Besonders beim Kreditwesengesetz ist die Distanz zwischen der Meinung einzelner Inisititutsgruppen und den Beamten im Bundesministerium für Finanzen noch groß.

Für alle Kreditinstitute will man in Hinkunft erreichen, daß Sichteinlagen ähnlich wie bei der Postsparkasse nicht mehr “verzinst werden. Man will aber solche Einlagen in Hinkunft von Spesen befreien. Im Zusammenhang mit der Kündigung des Habenzinsabkommens durch die Sparkassen vertreten zahlreiche Institutsgruppen die Meinung, man sollte auf weite Sicht hin die Zinsbildung für Spareinlagen freigeben. Dem Finanzministerium will man wohl nicht zugestehen, daß im Rahmen des KWG der Spareinlagenzins geregelt wird, wohl aber hält man bei den meisten Kreditinstituten den Verordnungsweg für die geeignete Form der Zinsregelung.

Da man jedoch für die Spareinlagen beziehungsweise für deren Verzinsung eine Ubergangsfrist von zwei bis drei Jahren haben will, würde der österreichische Sparer aus einer Neuregelung der Habenzinsen vorerst nichts profitieren. Die Zinssätze würden weiterhin zwischen 3,5. und 4,5 Prozent liegen. Erst ab 1971 rechnet man in heimischen Kreditinstitutskreisen mit einer gänzlichen

Freigabe, wobei immer wieder betont wird, die Gewinnspanne sei jetzt schon so gering, daß man höchstens für langfristige Spareinlagen eine höhere Verzinsung anbieten könnte. Gerade das wollten die Sparkassen mit ihrem Alleingang bei der Kündigung des Habenzinsabkom- mens auch erreichen.

Wesentlich mehr Interesse als der Zinspolitik bringt man allerdings bei den Managern der Sparkassen, Raiffeisenkassen, Volksbanken und Banken der Tatsache entgegen, daß im Rahmen des neuen „KWG“ auch an eine Liberalisierung für neue Zweigstellen gedacht ist. Denn gerade dieses Verfahren hatte dazu geführt, daß viele beabsichtigte Neueröffnungen aus konkurrenzpolitischen Gründen blockiert wurden.

So hatte zwar der Kreditapparat sein Filialnetz in den Städten bereits verdichtet, aber gerade auf dem Land gibt es in oft größeren Gemeinden nur ein einziges Institut, das die gesamten Geldgeschäfte ohne Konkurrenz beherrscht.

Was beim Bundesbahngesetz mißlungen ist, nämlich die Bundesbahn zu einem eigenen Wirtschaftskörper umzuwandeln, das dürfte beim Postsparkassenamt durch die Novellierung des Gesetzes gelingen. Die Postsparkasse soll dadurch zu einem Wirtschaftskörper mit eigener Rechtspersönlichkeit werden, wobei nur noch die Leitung unter Staatsaufsicht stehen würde.

Auf dem Otto-Wagner-Platz in Wien, bei der österreichischen Notenbank, bringt man allerdings dem neuen Gesetz für das Postsparkassenamt wenig Liebe entgegen. Danach würde nämlich die Postsparkasse, die künftig auf die Geld- und Kreditpolitik der Bundesregierung und nicht auf die der Nationalbank orientiert wäre, nur allzu leicht deren Politik durchkreuzen.

Die Sparkassen schließlich sollen durch ihr neues Gesetz zwar eine Veränderung der Veranlagungsvorschriften erhalten, Industrieflnan- zierung aber wird diesem Sektor nach wie vor versagt bleiben. Graue Haare dürfte man sich deswegen aber kaum wachsen lassen, denn mit der Girozentrale verfügt die Sparkassenorganisation ebenso wie andere Geldinstitutsgruppen über ein Bankinstitut, dem solche Geldgeschäfte nicht verwehrt sind.

Während man glaubt, daß Finanzminister Dr. Koren auf jeden Fall erreichen will, daß das Paket der Geldinstituts- und Kreditgesetze noch vor 1970, also vor den Wahlen, das Parlament passiert, machen einzelne ÖVP-Abgeordnete, die fachlich mit diesen Problemen befaßt sind, bereits in Pessimismus. Gerade aber darauf hofft man bei den Geldinstituten, nämlich, daß das Parlament die Kreditgesetze nicht noch vor den Wahlen durchpeitscht, sondern daß eine langfristige zufriedenstellende Lösung erreicht wird.

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