"Die Einkommen stagnieren"

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Alexander Maly berät Schuldner in Wien.

Die Furche: Sozialprojekte wie öffentliche Ausspeisungen und Sozialmärkte schießen nur so aus dem Boden. Verarmen die Österreicher zusehens?

Alexander Maly: Ich stehe diesen Projekten skeptisch gegenüber, denn ich halte eine strukturierte Herangehensweise für sinnvoller, als "Noch-nicht-Abfälle" an Bedürftige weiterzugeben. Ich weiß nicht, ob man dadurch wirklich Not lindern kann. Not entsteht, wenn Menschen mit niedrigen Einkommen einen Teil ihres geringen Einkommens für die Rückzahlung von Schulden aufwenden müssen. Es tut mir weh, wenn ich jemandem begegne, der für sich und seinen Ehepartner eine Ausgleichszulage erhält, und dann können ihm davon 100 Euro gepfändet werden. Hier fließen Steuergelder zu den Gläubigern.

Die Furche: Was raten Sie diesen Menschen?

Maly: Ich bin manchmal in der grotesken Situation, dass ich meinen Kunden sagen muss, dass sie mit den Zahlungen aufhören sollen, weil die geleisteten Zahlungen sinnlos sind, wenn trotz einer Rückzahlung von 50 Euro pro Monat der Schuldenberg durch die Zinsen monatlich um 100 Euro wächst. Die Wertigkeiten haben sich verschoben. Ein Mensch muss doch überleben können, erst dann können die Gläubiger-Interessen bedient werden.

Die Furche: Diese Aussagen hört man in der Wirtschaft nicht gern.

Maly: Möglich, aber ich vertrete die Verlierer in diesem System. Und in der Wirtschaft sollte man sich mehr Gedanken darüber machen, wem man einen Kredit gibt. Es sind immer die Aneinanderreihung von kleinen Ausgaben, die die Leute in die Verschuldung treiben. Zuerst wird das Konto überzogen, dann wird auf einen Kredit umgeschuldet, zusätzlich wird das Konto wieder überzogen. Die ganz typische Verschuldungsursache ist ein Schneeballeffekt.

Die Furche: Was tun?

Maly: Man muss davon wegkommen, dass Menschen, die arbeiten, einen Zuschuss vom Staat benötigen. Österreich braucht für alle Berufsgruppen einen Mindestlohn, von dem man leben kann. Die unteren Einkommen stagnieren und zusätzlich steigen die Fixkosten wie Energie und Miete. Das ist unhaltbar.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

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