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DIE ERFAHRUNGEN

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Was ist schuld, daß die Pensionskassen in Österreich den erhofften Durchbruch nicht schaffen?

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Was ist schuld, daß die Pensionskassen in Österreich den erhofften Durchbruch nicht schaffen?

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DIEFURCHE: Was spricht eigentlich aus der Sicht eines Ar-jeitnehmers für die betriebliche Vorsorge? Es gibt doch genug andere Möglichkeiten, durch die er gut für seinen Lebensabend Vorsorgen kann. GÜNTER STUMMVOLL: Wie bei anderen freiwilligen Sozialleistungen spricht für die betriebliche Vorsorge vor allem die Tatsache, daß der Arbeitnehmer den Beitrag nicht selbst aufbringen muß, sondern daß der Arbeitgeber als freiwiUige Sozialleistung diesen Betrag für ihn entrichtet. Dazu kommt, daß der Arbeitnehmer die betriebliche Vorsorge in der Regel nicht aus seinem Nettolohn zahlt, sondern der zu versteuernde £u-fluß erst bei Inanspruchnahme der Leistung, also in der Pension erfolgt. Da es sich um eine echte Zusatzpension handeln soll, kommt der Arbeitnehmer vor der Pensionierung an das Geld nicht heran - von ganz wenigen Ausnahmefällen abgesehen. Ist die betriebliche Vorsorge auf ein Pensionskassensystem oder eine Direktversicherung abgestützt, so hat das für den Arbeitnehmer den großen Vorteil, daß die eingezahlten Beträge vom Schicksal des Unternehmens unabhängig sind. JOSEF WÖSS: Betriebliche Altersversorgungssysteme bieten für Arbeitnehmer eine Ergänzung zur ASVG-Pension. Dies ist vor allem dann wünschenswert, wenn die Einkommensersatzraten des ASVG relativ niedrig liegen, wie etwa bei Bezügen über der Höchstbei-tragsgrundlage oder bei vielen Invaliditätspensionen.

Aber auch bei „normalen" Alterspensionen wird die Aufrechterhaltung des Lebensstandards nach der Pensionierung durch eine Zusatzpension des Betriebes erleichtert. Nach 40 Versicherungsjahren erhält derzeit zum Beispiel ein 60jähriger Mann 72 Prozent des Durchschnittbezuges seiner „besten 15 Jahre" als ASVG-Pension. Wenngleich die hierdurch erreichte Ein-kommensersatzrate im Vergleich zu anderen Ländern nicht schlecht ist, wird auch hier eine betriebliche Zusatzpension Sinn geben.

Individuelle Finanzierung einer Zusatzpension bietet sich vielfach nur bei einkommensstarken Arbeitnehmern als reale Alternative zu betrieblichen Pensionszahlungen an.

DIEFURCHE: Was soll einen Unternehmer reizen, gerade in wirtschafthch so schlechten Zeiten?

STUMMVOLL: Unternehmen mit einer ausgeprägten Un-temehmenskultur haben eine Pensionszusage für ihre Mitarbeiter häufig im Entlohnungsschema berücksichtigt. Vor allem in wirtschaftlich schlechten Zeiten sind motivierte Mitarbeiter ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil. Durch eine Betriebspensionszusage merkt der Mitarbeiter, daJß seine Betriebstreue und sein Einsatz für das Unternehmen belohnt werden. Wird ein Teil der Lohnerhöhung zur Finanzierung der betrieblichen % Altersvorsorge verwendet, so erspart sich das Unternehmen für diesen Teil die Lohnnebenkosten - wieder ein Wettbewerbsvorteil. WöSS: Im Regelfall dürfte eine einfache Kosten-Nutzenrechnung Ausgangspunkt für Pensionszusagen von Unternehmen sein. Der Aufbau eines betrieblichen Pensionssystems wird gegenüber anderen Formen der Entgeltzahlung "abgewogen. Besteht in einem Unternehmen ein bestimmter Spielraum für die Entgeltgestaltung, so wird von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite jeweils jene Variante präferiert werden, die sich als vorteilhafteste darstellt. Aus Unternehmenssicht können für eine Betriebspensionsregelung zum Beispiel Steuervorteile, die mit der Pensionsregelung verbundene Motivierung der Arbeitnehmer oder die Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb sprechen.

DIEFURCHE: Warum schaffen die Pensionskassen dann in Österreich den Durchbruch nicht oder nicht so, wie man sich das erhofft hatte? STUMMVOIX: Man darf nicht vergessen, daß die Pensionsvorsorge in Österreich fast ausschließlich auf die „staatliche" Pension abgestützt ist. Dadurch ist die Meinung vorhanden, daß die Pension im Alter ohnedies in ausreichender Höhe vorhanden sein wird. Es wird einer großen und langen Überzeugungsarbeit bedürfen, von der Notwendigkeit einer Pensionsvorsorge zu überzeugen.

Ein weiterer Punkt liegt in der Skepsis gegenüber neuen Produkten. Das Betriebspensionsgesetz und das Pensionskassengesetz sind seit 1. Juli 1990 in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt wird sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet. Von der ersten Anbahnung bis zum Abschluß vergehen bei größeren Unternehmen oft zwischen zwei bis vier Jahre. Man darf nicht vergessen, daß umfangreiche innerbetriebliche Abstimmungen zvsdschen Arbeitgeber und Arbeitnehmer notwendig sind. Ein Durchbruch hätte nur dann schon jetzt geschafft werden können, wenn die gesetzliche Regelung den Pensionskassen von Anfang an einen höheren Stellenwert eingeräumt hätte. Das habe ich schon in den Jahren 1989 und 1990 anläßlich der Gesetzesgespräche zum Betriebspensions- und zumPensionskas-sengesetz immer wieder betont, aber zu dieser Zeit gab es noch viele unrealistische Erwartungshaltungen, die eine noch bessere legistische Erstausstattung der Pensionskassen erschweren. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß ein kontinuierliches Ansteigen der abgeschlossenen Verträge " insgesamt über 900 - festzustellen ist.

WOSS: Die Errichtung von Pensionskassen vrarde zu Beginn der neunziger Jahre auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt, um eine Abkoppe-ung betrieblicher Pensionsregelungen vom Unternehmensschicksal zu erleichtern. In etlichen Betrieben wurde inzwischen von dieser Möglichkeit Gebtauch gemacht und damit das Betriebspensionssystem auf eine sicherere ökonomische Basis gestellt. Es gibt derzeit etwa 60.000 Arbeitnehmer, deren betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse abgewickelt wird. Insoweit hat sich die Errichtung von Pensionskassen durchaus bewährt. Euphorische Erwartungen, daß die Enichtung von Pensionskassen zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl der betriebh-chen Pensionszusagen führen werde, waren von allem Anfang an irreal.

DIEFURCHE: Was kann die Pensionskassen attraktiver machen?

STUMMVOLL: Die wichtigste Strategie ist ein offenes Wort der Sozialpolitiker, daß die Pensionsvorsorge nicht auf einer Säule alleine ruhen darf, sondern sinnvollerweise durch die betriebliche Altersvorsorge ergänzt wird. Weiters bemüht sich die Wirtschaftskammer Österreich vehement, die Erfahrungen von vier Jahren Betriebspensionsgesetz beziehungsweise Pensionskassengesetz zu verarbeiten und dieses Instrument vor allem durch technische Verbesserungen attraktiv zu machen. WöSS: Die im Jahr 1990 ausverhandelten Rahmenregelungen für Pensionskassen-Versorgungen haben sich im großen und ganzen als brauchbar erwiesen. An diesem Rahmenrecht sollte nach Auffassung der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer nichts geändert werden. Der Gesetzgeber sollte aber dort aktiv werden, wo sich einzelne Bestimmungen zwischenzeitlich als änderungsbedürftig herausgestellt haben. Entsprechende Novellierungs-verhandlungen zum Betriebspensionsrecht sind im Gange.

DIEFURCHE: Zigen die Betriebsräte genug Interesse an betrieblicher Vorsorge?

STUMMVOIX: Seitens der Gewerkschaft und Arbeiterkammer wurde sehr lange die Meinung vertreten, daß die staatliche Pension das allein Seligmachende sei, und daß die betriebliche Altersvorsorge ohnedies nur einigen wenigen Besserverdienenden zugute kommt. In letzter Zeit ist erfreulicherweise auch auf diesem Gebiet ein ideologisches Umdenken zu erkennen gewesen - häufig ausgehend von den Betriebsräten.

WöSS: Die Neueinführung eines betrieblichen Pensionssystems ist in aller Regel in Alternative zu möglichen höheren Lohnzahlungen zu sehen. Der diesbezüg iche Handlungsspielraum ist je nach Betrieb und Branche sehr verschieden. Dort, wo Arbeitgeber faire Angebote erstellen, besteht von selten der Belegschaft und der Betriebsräte durchaus die Bereitschaft, die Angebote sachlich zu erörtern. Falls die Arbeitnehmer dies wünschen, werden die Betriebsräte die Einführung einer Pensionsordnung mittragen. Insgesamt besteht bei Arbeitnehmern zweifelsohne ein sehr hohes Interesse an der Alterssicherung. Schon allein die Tatsache, daß es betriebhche Pensionszusagen nur für zehn Prozent der Arbeitnehmer gibt, führt aber logischerweise dazu, daß aus Arbeitnehmersicht der Sicherung eines angemessenen Versorgungsniveaus im ASVG oberste Priorität eingeräumt wird.

Die Fragen sfellte

Elfi Thiemer.

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