Die falsche Systemfrage

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Karl Marx’ Kritik am System des Kapitalismus beruht vor allem auf einer moralischen Kritik, nicht auf einer Kritik der Leistungen des Systems selbst. Marx gibt das ja auch zu. Selbst die Ärmsten leben heute reicher als die Könige des Mittelalters. Wir leben länger, gesünder, unter weniger Schmerzen. Mit Einschränkungen gilt das für ganz Westeuropa. Dennoch findet die marxistische Kritik immer noch Anhänger und zwar aufgrund des Gefühls, dass das System uns irgendwie be- oder unterdrückt, uns etwas nimmt, und die Persönlichkeit raubt, und dass es unfair ist.

Doch dieses Gefühl, "in die Welt geworfen“ und ihrer Ungerechtigkeit ausgesetzt zu sein, ist ein vom System unabhängiges Gefühl, das es zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftsformen gab. Wenn die Linke die Entmenschlichung des Systems kritisiert, dann muss sie anerkannen, dass Entmenschlichung das Ergebnis der Industrialisierung, Spezialisierung, und vielleicht der Urbanisierung ist. Alle drei haben aber nicht so viel mit dem Kapitalismus zu tun, wie man allgemein annimmt. Länder, die nach dem kommunistischen Modell lebten landeten genauso bei Industrialisierung und Massenproduktion. Das gleiche gilt für das Wirtschaftswachstum - ein kommunistisches Land wollte die ganze Zeit seine Zielquoten übertreffen -, das war der Punkt der Fünf-Jahres-Pläne. Und auch das System der Unterdrückung ist nichts Neues unter der Sonne. Das ist schon den Autoren des Neuen Testaments aufgefallen. Warum also nicht an eine andere Alternative denken, die nicht ein neues System fordert, sondern das aktuelle Systems adaptiert. Wir würden damit über eine Evolution sprechen, von der Schumpeter gesprochen hat. Der demokratische Kapitalismus ist bei Gott nicht perfekt, aber er kann beständig redesignt werden - wir müssen uns nur immer selbst daran erinnern.

Der Autor ist Professor für Ökonomie an der Karlsuniversität Prag

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