Die Finanzkrise leert die Kassen: Wenn der Staat pleite ist

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Die Turbulenzen an den Finanzmärkten sind beileibe nichts Neues: Man könnte aus ihnen lernen. Vor allem die Staaten sollten das tun, deren Budgets empfindlich unter den Krisen leiden.

Die großen Krisen wie die Argentinien-Krise zwischen 1998 und 2002 oder die Finanzkrise in Finnland in der ersten Hälfte der 1990er Jahre gingen mit starken Rezessionen und hohen Arbeitslosenraten einher.

Argentinien hatte am Höhepunkt der Krise (2002) eine Arbeitslosenrate von 23 Prozent, und Finnland erreichte ebenso 1994 die Marke von 20 Prozent. Der Blick in die finnische Geschichte lohnt sich derzeit sehr, denn der nordische Staat hat in den 1990er Jahren ungefähr das durchgemacht, was den USA und wohl noch so manch anderem Staat jetzt blüht. Auch in Finnland bereitete ein Immobilienboom sondergleichen und lockere Regeln für den Kapitalmarkt den Boden für eine spätere Finanzkrise. Der kreditfinanzierte Run auf die Immobilien begann in den 1980er Jahren und bescherte bis in das folgende Jahrzehnt hinauf den Investoren Wertsteigerungen von bis zu 40 Prozent jährlich. Steigerungen, die nicht der Realität entsprachen und somit zu einer Blasenbildung führten. Das klingt bekannt: Ebenso in den USA finden sich die Ursprünge der Krise der Finanzmärkte in einer irrationalen Bewertung von Immobilien. Nicht genug, brach das finnische Exportgeschäft (Anfang der 1990er Jahre) mit den GUS-Staaten von vorher 25 bis 30 Prozent auf unter fünf Prozent ein. Für die Waren konnten sich auf die Schnelle keine neuen Käufer finden. 1991 ging das finnische Bruttoinlandsprodukt um 6,5 Prozent zurück.

Die Geschichte wiederholt sich

Für den WIFO-Experten für Finanzmärkte, Franz Hahn, war der Einbruch der Exporte in die GUS-Staaten in Finnland das größere Problem als der Immobilien-Crash. Hahn sieht die übertriebenen Wertsteigerungen der Immobilien aber als Ursache dafür, was später unter Skandinavien-Krise oder die Schwedische Bankenkrise (Anfang bis Mitte der 1990er Jahre) bekannt wurde. Schweden und Norwegen unternahmen zur Rettung starke Eingriffe in ihre Finanzmärkte. Norwegen verstaatlichte zwei große Banken - Christiana und Fokus - und tauschte das Management aus. Schweden änderte die Gesetze dahingehend, dass der Staat in Banken eingreifen konnte, sobald deren Kapital-Risiko-Quote unter zwei Prozent fiel. Und wie in den USA wurde eine Auffanggesellschaft für faule Kredite gegründet. Diese Maßnahmen verhinderten nicht, dass die nordischen Staaten in Zeiten der Krise wirtschaftlich schrumpften: Das Bruttoinlandsprodukt von Schweden und Finnland sank drei Jahre in Folge. Dass die Bürger für die Krise aufkommen mussten, schließen manche Experten wie Steinar Juel, Chef-Volkswirt der Nordea-Bank, aus, da die Anteile - die der Staat in Krisenzeiten den Banken abkaufte - später wieder zurückverkauft wurden.

Haben die nordischen Länder aus ihren Krisen gelernt? Hahn meint, dass alle Länder, die durch Finanzkrisen gegangen sind, in gewisser Weise lernen, indem deren Finanzmarkt-Aufsichten sensibler werden und früher Alarm schlagen, sollten sich Blasenbildungen oder Krisen abzeichnen. Dass aber nun der Norden Europas weniger hart von der aktuellen Krise der Finanzmärkte betroffen ist, weil man so große Lehren aus der Vergangenheit gezogen hat, glaubt Hahn nicht.

Doch was passiert, wenn der Staat durch Finanzkrisen viel weniger Geld einnimmt oder gar Pleite geht? Argentinien war 2002 zahlungsunfähig, nachdem die Realwirtschaft durch eine enorme Krise gegangen war. Dies führte zu einer starken Abwertung des Pesos, und die Bevölkerung konnte sich kaum mehr etwas leisten. Straßenschlachten und Plünderungen waren die Folge. Es dauerte einige Zeit, bis Argentinien seine Kreditgeber - andere Staaten - wieder bedienen konnte. Die Schulden wurden aber nur zu einem Viertel zurückgezahlt. Deutschland meldete bereits zwei Mal Pleite an: 1923 und 1948. Allerdings nicht nur Nationalstaaten schlittern in den Zahlungsnotstand. 2003 postulierten viele Medien, dass Berlin zahlungsunfähig sei: Die Verschuldung der deutschen Bundeshauptstadt stieg bis ins Jahr 2006 auf über 60 Milliarden Euro an. Der Hauptgrund für die hohen Schulden Berlins war, dass "die Stadt lange über ihre Verhältnisse gelebt hat", sagt Kristina Tschenett, Pressesprecherin des Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin. Sie meint in erster Linie den Posten Personal. Die deutsche Bundeshauptstadt hat mehr Personal als Hamburg. 1991 arbeiteten 207.000 Menschen für die Stadtverwaltung, 2007 waren es nur mehr 110.000. Doch selbst dieser Wert entspricht noch immer nicht Hamburger Niveau. Dass Berlin Anfang des neuen Jahrhunderts praktisch pleite war, verneint Tschenett. Berlin könne und konnte sich immer Geld am Kapitalmarkt beschaffen, da es als öffentliche Körperschaft ein sehr gutes Kredit-Rating besitzt. Die Stadt war immer zahlungsfähig - allein die Schulden stiegen weiter. Sarrazin will den Schuldenberg über die Reduktion von Ausgaben abtragen. Das bedeutet Einschränkungen für den Bürger. Manches ist sichtbar, wenn Straßen nicht repariert werden können, Bibliotheken geschlossen werden oder Schwimmbäder nicht weiter betrieben werden. Was man nicht sieht, sind die Projekte, die nicht umgesetzt werden können, da es an Geld fehlt. Geld, das unter anderem in die außergewöhnlich hohen Zinszahlungen fließt. Allein 2007 wurden 2,5 Milliarden Euro an Zinsen bezahlt. Trotz Schulden, gibt Tschenett zu bedenken, sei die Ausstattung der Lehrer in Berlin nicht schlechter als anderswo in Deutschland. Ebenso ist das letzte Jahr in Kindertagesstätten kostenlos - trotz finanzieller Altlasten der Stadt. Sarrazins Sparkurs macht sich bezahlt: Mit dem Abschluss des Haushaltsjahres 2007 machte Berlin zum ersten Mal in seiner Finanzgeschichte keine neuen Schulden mehr. Bemerkenswert, glaubten doch viele beim Antritt der rot-roten Koalition an ein Wiedererstehen des Sozialismus'.

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