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Die Gewinner der Globalisierung

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Vorarlberger ÖVP Landesrat Manfred Rein zum Thema Globalisierung und Textilindustrie.

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Vorarlberger ÖVP Landesrat Manfred Rein zum Thema Globalisierung und Textilindustrie.

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Weiche A uswirkungen hat die Globalisierung auf die Vorarlberger Wirtschaft Welche Vorteile beziehungsweise Nacheile sind zu erwarten? Manfred Rein: In den letzten Jahren ist es zu weitreichenden Veränderungen der makroökonomischen Rahmenbedingungen gekommen. Neuartige Herausforderungen sind die Ost-West-Öffnung, der EU-Binnenmarkt sowie die verstärkte wirtschaftliche Internationalisierung und Verflechtung der Faktor- und Gütermärkte. Uie Welt ist zum Dorf geworden, große Möglichkeiten zur Erschließung neuer Wirtschaftsräume und neuer Exportmärkte sind entstanden. Während die Binnennachfrage seit Jahren nur ein sehr beschränktes Wachstum verzeichnet, steigt die Weltnachfrage stetig. Internationale Märkte werden jedoch immer härter umkämpft. Die zunehmende Globalisierung bedeutet einen vermehrten Zwang zur laufenden Innovation neuer, qualitativ hochwertiger Produkte, zur laufenden Verbesserung bestehender Produkte sowie zu einer immer kostengünstigeren Produktion. Für die Vorarlberger Wirtschaft stellt der Außenhandel einen Grundpfeiler der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dar. Die Außenhandelsabhängigkeit ist in Vorarlberg im Vergleich zu Restösterreich sehr hoch. Mit einer Exportquote von rund 50 Prozent des Brutto-regionalproduktes gilt Vorarlberg als eine der führenden Exportregionen. Pro Kopf der Bevölkerung exportiert Vorarlberg rund doppelt soviel wie der Österreichdurchschnitt. Der Exportwert betrug im Jahr 1996 nominell et-was mehr als 50 Milliarden Schilling und ist seit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 deutlich gestiegen. Neben dem Hauptabsatzmarkt EU haben sich auch die Ausfuhren in die Länder Osteuropas sowie in den asiatischen Raum seit Anfang der neunziger Jahre erfreulich positiv entwickelt. Durch weitere konsequente Exportoffensiven werden wir versuchen, die wirtschaftliche Lage der Vorarlberger Unternehmen auch weiterhin auf stabilem Kurs zu halten. Durch die hohe Motivation der Vorarlberger Beschäftigten, durch die starken persönlichen Kontakte der Wirtschaftstreibenden untereinander und der hervorragenden Umsetzungsorientierung sollte es gelingen, den Problemen, die sich im Zuge der Wirtschaftsglobalisierung sicherlich ergeben, entgegenzuwirken und erfolgreich zu bestehen. Es werden branchenübergreifende Netzwerke und Stärkefelder aufgebaut, deren Ziel es ist, die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe durch diese Verbindungen zu stärken, das vorhandene Know-how gemeinsam einzusetzen und die Größenvorteile solcher Netzwerke positiv zu nutzen. Ich bin überzeugt, daß die Vorarlberger Wirtschaft die entscheidenden Fähigkeiten besitzt und sich rasch auf neue, immer rascher wechselnde Gegebenheiten einstellen kann und schlußendlich zu den Globalisierungsgewinnern zählt. dieFurche: Thema Textilindustrie: In Osteuropa und Asien wird wesentlich billiger produziert Welche Probleme entstehen dadurch für die Vorarlberger Textilindustrie? Werden die Löhne nach unten gedrückt? REIN: Vorarlbergs • Textilindustrie mußte in den letzten Jahren einen beachtlichen Schrumpfungsprozeß hinnehmen. Allein in den neunziger Jahren war ein Rückgang um rund 5.000 Arbeitsplätze auf derzeit zirka 13.200 zu verzeichnen. Diese Einbrüche sind primär auf jene Betriebe zurückzuführen, die nicht rechtzeitig auf neue Modetrends reagierten und zu spät Schritte in Bichtung innovative Produktsegmente setzten. Trotz steigendem Wettbewerbsdruck hat Vorarlberg aber '1 'extilbetriebe, die sich ganz hervorragend entwickeln und jährlich Steigerungen verzeichnen. Dies sind beispielsweise Firmen wie Wol-ford, Otten, Huber und so weiter. Im Österreichvergleich ist Vorarlberg im Bereich Textil- und Bekleidungsindustrie immer noch führend und hat einen Anteil von rund 25 Prozent der gesamtösterreichischen Textilpro -duktion. Wettbewerbsnachteile der Vorarlberger Textil- und Bekleidungsindustrie gegenüber der Konkurrenz aus Entwicklungs- beziehungsweise Schwellenländern und zunehmend auch aus den osteuropäischen Ländern bestehen primär im Bereich der Arbeitskosten. Die betrifft vor allem die Bekleidungsindustrie, bei der der Lohnanteil am Selbstkostenpreis heute immer noch in der Größenordnung von rund 40 Prozent liegt. Die Wettbewerbsvorteile der Reformländer resultieren aber nicht allein aus ihren niedrigen Arbeitskosten, sondern auch aus ihren häufig günstigeren Energiekosten und Umweltauflagen. Hinzu kommt die Entwicklung im Bereich der Kommunikationstechniken, die eine beinahe sofortige Reproduktion von Warenzeichen und Modellen ermöglicht. Dies wirkt sich umso negativer aus, als Textilwaren kurzlebige Produkte sind, bei denen die Kreativität einen zeitlich begrenzten Wert hat. Damit wird das geistige Eigentum als einer der wesentlichen Wettbewerbsvorteile unserer Textilindustrie immer häufiger zunichte gemacht.

Ansatzpunkte für die Vorarlberger Textilindustrie sehe ich primär in der Produktspezialisierung, Konzentration auf kleinere Marktsegmente mit technisch und qualitativ anspruchsvollen Produkten, Kooperationen, verstärkter Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sowie in der schnellen, flexiblen und verläßlichen Kundenbeziehung. Im Rereich der Lohnkostenanpassung sehe ich in einem hochentwickelten Wirtschaftsland wie Österreich derzeit wenig Anpassungsmöglichkeiten. Rückschritte in der Umweltpolitik sind längerfristig sicherlich nicht zielführend und wünschenswert. Trotzdem sollte dort, wo notwendig, der Mut zur Korrektur vorgenommen werden. dieFurche: Wie ist es sonst um die Vorarlberger Wirtschaft bestellt? REIN: Die Wirtschaftsstruktur Vorarlbergs ist durch Klein- und Mittelbetriebe gekennzeichnet. Häufig wird im Zusammenhang mit der Globalisierungsdiskussion befürchtet, daß dies ein Wettbewerbsnachteil und damit ein ernstes Wachstumshemmnis ist. Nachteile in der Fixkostendegres-sion, der Forschung und Entwicklung und im Absatzmanagement, werden beispielsweise ins Treffen geführt. Diese klein- und mittelbetriebliche Wirtschaftsstruktur hat sich jedoch als stabilisierender Faktor bewiesen. Dank eines tiefgreifenden Strukturwandels in den vergangenen Jahrzehnten, der vor allem gekennzeichnet ist von einer Entfaltung der Vorarlberg Industrie Von einer „Textilmonokultur” zu einem guten modernen Branchenmix und einer enormen Zunahme der Dienstleistungsbranchen, zählt Vorarlberg ohne Zweifel zu den wettbewerbsfähigsten Ländern der Bodenseeregion und somit Europas. Seitens der Wirtschaftspolitik werden zur Stärkung der Vorarlberger Betriebe neue innovative Strategien und Unterstützungsmodelle verfolgt.

Neben spezifischen cluster-orientierten Kooperationsinitiativen verfügt die Vorarlberger Landesregierung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der im Land ansässigen Betriebe beispielsweise über ein privatwirtschaftlich orientiertes Risikokapitalinstrument, das „Chancenkapi-talmodell Vorarlberg”. Ich bin überzeugt, daß Vorarlbergs Wirtschaft die Strukturbereinigung weitgehend überstanden hat und sowohl für bereits bestehende erfolgreiche Vorarlberger Unternehmen, als auch für innovative Betriebsneugründungen einen Wirtschaftsstandort mit attraktiven Rahmenbedingungen darstellt.

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