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Die große Ebbe

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Die Ereignisse in Ungarn haben das Unbehagen unter den Mitgliedern der Kommunistischen Partei Oesterreichs (KPOe), das schon nach dem 20. Parteitag der russischen KP und der zynischen Entstalinierungsrede Chruschtschows eingesetzt hat, verstärkt und auch zu einem beträchtlichen Mitgliederschwund geführt. Es wäre aber irrig anzunehmen, daß diese Verminderung der ohnedies kleinen Mitgliederzahl die wirtschaftliche Basis der KPOe stärker erschüttern würde. Die Mitgliedsbeiträge und die diversen „Spenden“, die von den KPOe- Mitgliedern auf der Basis des „freiwilligen Zwanges“ eingehoben werden, haben bisher nur eine kleine Rolle gespielt. Dazu waren die Mitgliedsbeiträge zu niedrig und die Zahl der Parteimitglieder zu klein. Das zeigt eine einfache Rechnung.

Der Mitgliedsheitrag beträgt normal 2.50 S,- wobei für Hausfrauen und Arbeitslose noch niedrigere Sätze berechnet werden. Bei einer annähernden Mitgliederziffer von

150.0 ergibt das, wenn wir sogar annehmen, daß alle 150.000 Mitglieder prompt den vollen Beitrag zahlen, 375.000 S im Monat. Tatsächlich zählt aber ein großer Prozentsatz der KP- Mitglieder zu den säumigen Zahlern; sehr viele haben die Zahlungen seit Monaten eingestellt, so daß die tatsächlichen Eingänge an Mitgliedsbeiträgen erheblich geringer sein dürften.

Neben dem Mitgliedsbeitrag wird von den Vertrauensleuten monatlich auch eine Spende für den „K a m p f f o n d s“ bzw. in Wahlzeiten für den Wahlfonds eingehoben. Diese Kampffondsbeiträge bewegen sich zwischen 5 S und 25 S und werden von den Mitgliedern — wie die bewegten Klagen der Vertrauensleute bei den diversen Konferenzen zeigen — meist nur nach langen Diskussionen bezahlt. Wenn wir annehmen, daß jedes fünfte Parteimitglied monatlich 10 S Kampffonds bezahlt, ergibt dies weitere 300.OOÖ S. Tatsächlich dürfte der monatliche Eingang an Kampffondsspenden noch niedriger sein. Dazu kommen dann noch die „Parteisteuern“, die nach einem bestimmten Schlüssel bei jenen Funktionären eingehoben werden, die durch Vermittlung der Parteikaderbüros einen Posten bekommen haben. Nach dem Wegfall der USIA-Posten ist der Ertrag minimal.

Die Mitglieder Zahlen also monatlich günstigstenfalls 675.000 S, ein Betrag, der, so imposant er vielleicht auf den ersten Blick ausschauen mag, nur einen Bruchteil der wirklichen Ausgaben der KPOe deckte und deckt. Wenn man sich vor Augen hält, daß das Zentralkomitee und die Wiener Stadtleitung der KPOe in der Gußhausstraße allein weit über 300 Angestellte hatten, deren Gehälter — samt dem Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung — durchschnittlich mindestens 2500 S betragen, ergeben sich allein an Lohnkosten der Parteizentrale rund 750.000 S. Dazu kommen noch die Lohnkosten für die hauptamtlichen Parteisekretäre in Wien und in den Bundesländern, die Kosten für den Autopark und für die diversen Nebenorganisationen, wie Mieterschutzverband, demokratische Gewerbetreibende, FOeJ, Bund demokratischer Frauen, die Dotierung der Demokratischen Union und des mit ihr verbundenen Büros für den Ost-West- Handel u. ä.

Allein die Kosten der Organisation übertreffen also die Eingänge aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden erheblich. Dazu kommen dann noch die enormen Kosten der Agitation, Plakate, Flugblätter Und der defizitären Parteipresse. Alle diese Kosten wurden schon seit jeher aus anderen Quellen gedeckt.

Dabei wäre es durchaus irrig anzunehmen, daß die Russen die dafür notwendigen Millionenbeträge zur Verfügung gestellt haben. Sie sind zwar zweifellos hie und da mit gewissen Geldspenden beigesprungen, aber ihre Unterstützung erfolgte mehr auf indirektem Wege und durch Sachleistungen. Sie erstreckte sich hauptsächlich auf die Beistellung von Gebäuden, Räumlichkeiten, Mobiliar, früher auch Papier, auf die Beschaffung von Wohnungen für prominente Parteifunktionäre, großzügige Inse- ratenvergebung der LISIA-Betriebe an die kommunistische Presse und die Bezahlung der Druckkostenrechnungen für den Druck der „Oester- reichischen Zeitung“.

Die finanzielle Hauptbasis der KPOE ist schon seit Jahren ein Handelskonzern von mehr oder weniger gut getarnten Firmen, die lange Zeit hindurch gemeinsam mit der USIA arbeiteten und den Osthandel faktisch monopolisieren konnten. Diese Betriebe haben der KPOe in den letzten Jahren viele Dutzend Millionen eingebracht.

Der Grundstock dieses Handelskonzerns wurde von dem 1946 aus der englischen Emigration gekommenen Stefan Kaufmann mit der Gründung der „Polcarbon“ gelegt. Kaufmann, der vor dem Krieg sehr vermögend war und dessen Familie auch an den oberschlesischen bzw. polnischen Kohlengruben beteiligt gewesen ist, konnte mit viel Geschick die neue Firma in die Höhe spielen und einen ganzen Konzern auf bauen. Da sein Konzept aber weitblickender war als das der Parteiführung, geriet er trotz seiner Linientreue bald in Konflikte mit dem Generalsekretär Fürnberg und dem Vorsitzenden Koplenig, und, da man auch die Machtpositionen fürchtete, die Kaufmann errungen hatte — die KPOe schien nirgends auf, formell war alles auf den Namen Kaufmann und einiger anderer aufgebaut! — wurde er nach einigen Jahren in die Wüste geschickt. Trotz des ihm angetanenen Unrechts blieb er aber bei der Stange und wurde mit einem kleinen Posten als Reporter der Russischen Stunde abgespeist. Derzeit ist er wieder Teilhaber einer Handelsfirma.

Neben der „Polcarbon" war die „I n t r a c“ eine der Stützen des KP-Handelskonzerns. War die Polcarbon auf die polnische Kohle spezialisiert, so verlegte sich die Intrac auf das Geschäft mit Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Spezialität der Intrac, deren Chef Ernö Fürst war — zuerst unter der Leitung Kaufmanns, dann unter der des früheren Generaldirektors des Kaufmännischen Zentralbüros der USIA, Hans Albin —, war der Lebensmittelhandel mit Ungarn und den Balkanstaaten mit Ausnahme Jugoslawiens. Die letzten Ereignisse in Ungarn haben auch der Jntrac einen schweren Schlag versetzt. Ein großer Teil der Angestellten ist entlassen worden.

Nach dem Ausscheiden Kaufmanns wurde die Intrac zum Hauptstützpunkt des Handelskonzerns. Hier saßen Albin, nach seinem Ausscheiden der Intrac-Chef Demmer und die „Graue Eminenz" des Konzerns, Paul Keßler, der als eine Art politischer Kommissar über die Linientreue und die finanzielle Gebarung wachte.

Zweitstärkste Position war dann neben der Gruppe Intrac-Polcarbon die „Polcommerz“ unter der Leitung des sehr geschickten Ingenieurs Eduard Gold, die sich bemühte, den gesamten Polenhandel in ihre Hand zu beköm-

men. Er wurde tatkräftig von einem jungen Kaufmann, dem ehemaligen FOeJ-Funktionär Flemmer, unterstützt, der dann die Kohlengroßhandlung „Rotenturm“ und eine Mineralöl- firma übernahm und so geschickt arbeitete, daß er neben den Reviervertretungen Polens auch einige westdeutsche Reviervertretungen übernehmen konnte und heute eine bedeutende Rolle auf dem Gebiet der Kohlenwirtschaft spielt.

Den Handel mit der DDR hat die Firma Wagner & Co. in der Krugerstraße in ihre Hände gebracht, da sie die Generalvertretung zahlreicher ostdeutscher Industrie- und Handelsunternehmungen übertragen erhielt. Ihr Leiter ist der Spezialist für knifflige Switchgeschäfte, Menasse. Er wird von Direktor Förster, einem früheren Mitarbeiter der Intrac, unterstützt.

Außer diesen wichtigsten Firmen gibt es noch eine Reihe anderer Handelsunternehmungen, die praktisch der KP gehören und in den verschiedensten Branchen tätig sind, sowie auch eine Reihe von Industrieunternehmen, deren Leiter der KP zumindest nahestehen. Dazu gehört u. a. die Firma Kundtner auf dem Chemie-Sektor, in der Zeit der Buntmetall-Hausse waren Martin Maimann und Frau Rosa Wolf in dieser Branche tätig, „Polygraph“, lange Zeit unter der Leitung des sehr geschickten Oskar Rosenstrauch, ist für den Vertrieb von Druckereimaschinen aus der DDR zuständig, die als Bezahlung für Druckleistungen des Globus geliefert werden, usw. Insgesamt existieren derzeit fast ein Dutzend verschiedener Export-Importfirmen der KPOe, nicht gerechnet Firmen, wie zum Beispiel die Juschwneschtrans, die Universal-Film oder das „Internationale Buch“, die offen sowjetische Unternehmen sind.

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