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Die Landwirtschaft geht mit

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Die Volkszählung im Februar 1961 hat den Nachweis erbracht, daß auch in der Steiermark die Industrialisierung rasch vorwärtsschreitet. Der Bevölkerungsanteil der Land- und Forstwirtschaft ist von 402.515 oder 39,7 Prozent im Jahre 1934 über 332.944 oder 30 Prozent im Jahre 1951 auf 260.382 oder 22,9 Prozent im Jahre 1961 zurückgegangen.

Eine der Hauptursachen dieses Schwundes der bäuerlichen Bevölkerung ist ohne Zweifel die Tatsache, daß das Einkommen der in der Land-und Forstwirtschaft beschäftigten Menschen mit dem anderer Berufe nicht schrittzuhalten vermag. Es ist daher auch in der Steiermark die Sicherung des paritätischen Einkommens für den Bauernstand zu einer vordringenden agrarpoliti-schen Aufgabe geworden. Der überwiegende Teil des landwirtschaftlichen Einkommens in der Grünen Mark stammt aus der tierischen Veredlungswirtschaft. Während der Zuchtviehabsatz in den letzten Jahren durchaus günstig verlief, haben sich Absatz- und Preisbildung bei Mast- und Einstellrindern im vergangenen Jahr empfindlich verschlechtert. Nach der Viehzählung 1961 hat die Steiermark am Gesamtrinderbestand Österreichs einen Anteil von 19 Prozent, an den Jungochsen aber von 38, an den Zugochsen von 44 und an den Mastochsen von 26 Prozent. Die Verschlechterung der Marktlage für Einstell- und Mastochsen, vor allem aber die Beschränkung der Schlachtviehausfuhr nach Italien auf jungzahnige Rinder und dje völlige Sperre ab Oktober 1961 hab^n oaher die Steiermark besonders schwer getroffen. '

Daher bedeutet die Aufhebung der Schlachtvieh-Importsperre nach Italien mit 1. April dieses Jahres zweifellos das wichtigste Ereignis für unsere steirische Landwirtschaft in der letzten Zeit. Denn in den Stallungen haben sich Vorrate angehäuft, weil die Mäster begreiflicherweise für den Verkauf ihrer Schlachttiere das Ende dieser Preiskrise abzuwarten versuchten. Dieser Wendepunkt ist mit 1. April 1962 eingetreten, denn schon die Nachricht von der bevorstehenden Öffnung der italienischen Grenze für unsere Schlachtviehexporte hat preisbelebend gewirkt.

Freilich ist die Einschränkung, daß von der für. die nächsten Monate bis Juli festgelegten Exportquote 90 Prozent jungzahnig sein müssen, für unsere Bergbauern wieder besonders erschwerend, weil die Verwertung der Futtererträge, die auf dem alpinen Grünland nur über den Wiederkäuermagen möglich ist, erst bei erwachsenen Rindern rentabel wird. Die Umstellung auf die Abgabe jüngerer Einstellrinder, die Verlagerung des Schwerpunktes auf Jungstiere an Stelle der bisherigen Ochsenaufzucht- und ■frnast geht daher mit großen Schwierigkeiten vor sich. Ein immer mehr beschrittener Ausweg ist die Eigenmast, so daß die frühere Arbeitsteilung zwischen Aufzüchtern und Mästern mehr und mehr verschwindet.

Die allgemeine Zielsetzung der Landwirtschaftsförderung ist naturgemäß auch in der

Steiermark auf die Vorbereitung der landwirtschaftlichen Betriebe auf den kommenden Europamarkt gerichtet. Wir wissen, daß wir nach der Integration mit Agrarpreisen zu rechnen haben werden, die auf durchschnittlichen Gestehungskosten ordentlich geführter und gut eingerichteter Betriebe im EWG-Raum basieren.

Daraus folgt, daß die Senkung der Gestehungskosten und die Erhöhung der Produktivität im Zuge der Integration immer mehr an Bedeutung für die Einkommenssteigerung gewinnen werden, um so mehr, als den Agrarpreisen im EWG-Raum ohne Zweifel auch eine pro-duktionsregulierende Funktion zufallen wird. Auch die Produktionsrichtung wird davon abhängen, weil sich zweifellos im größeren Marktraum eine Verlagerung und Konzentration einzelner Betriebszweige auf die günstigsten Standorte ergeben wird.

Es gilt daher, auch unsere steirische Landwirtschaft vorausblickend auf diese Möglichkeiten auszurichten und ihre Produktivität zu fördern. Darin liegt seit Jahren die Zielsetzung unserer Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft. Im steirischen Bergland werden naturgemäß nach wie vor Vieh, Milch und Holz die drei tragenden Säulen des bäuerlichen Einkommens bleiben müssen. Durch die in der Steiermark schon seit 1953 entwickelte regionale Aufbauförderung über freiwillige Arbeitsgemeinschaften der Bergbauern wird mit sichtbaren Erfolgen versucht, die Produktion auf die geänderten Bedürfnisse des Marktes auszurichten und diesen durch den Wegebau auch dem Bergland näherzubringen.

Im klimatisch begünstigten und daher vielseitig nutzbaren Unterland ist die Landwirtschaftsförderung durch die ungünstige Agrarstruktur, die Zersplitterung in zahllose Kleinbauernhöfe, erschwert. Da der Boden zu ihrer Aufstockung nicht vorhanden ist und weil fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten in der Industrie auch keinen Boden frei werden ^lassen, bleibt vorläufig nur der Weg der inneren Aufstockung, der Ausrichtung auf Intensivkulturen'J die das Arbeitseinkommen pro Hektar vervielfachen können. Planmäßiger Erwerbsobstbau, Weinbau auf Hochkulturen, absatzmäßig durch Verträge gesicherter Tabak- und Hopfenbau, Hybridmaisvermehrung und in jüngster Zeit verschiedene Zweige des Feldgemüsebaues, vor allem Einlegegurken (auch auf Abnahmeverträgen mit der Verwertungsindustrie aufgebaut), spielen dabei die Hauptrolle. Gemeinschaftliche Organisationen und Einrichtungen auf allen diesen Gebieten für die Verwertung und den Absatz sind teils geschaffen, teils geplant.

Abschließend und zusammenfassend darf festgestellt werden, daß die steirische Landwirtschaft und ihre Kammer ständig bestrebt sind, Führung und Einrichtung der Betriebe zu verbessern und sie der Marktwirtschaft anzupassen.

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