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Die Lohnschraube dreht sich

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In einer Vorstandssitzung der Bundeswirtschaftskammer vor zwei Wochen wurde eindeutig festgestellt, daß auf dem Lohnsektor der Wahlkampf bereits begonnen hat. Genau am Tag des Frühlingsbeginns kommentierte der Pressedienst der Bundeskammer: „Kein Frühling wie jeder andere.“ Gleichzeitig mit dem Problem der Arbeitszeitverkürzung unter dem Titel „40-Stun-den-Woche — Vorwahlschlager der SPÖ“ wurden, obwohl der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen davor gewarnt hat, auch Lohnforderungen laut. „Die Lohnschraube dreht sich wieder“, oder besser „sie rotiert bereits, was das Ausmaß der Forderungen anlangt“, stellt man in der Bundeskammer fest. Was dieser Frühling bringt, ist mehr als das erste Grün in der Natur mit den stereotypen, geheimen Wünschen nach Lohnerhöhungen, neben mehr Lohn will man auch mehr Freizeit.

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In einer Vorstandssitzung der Bundeswirtschaftskammer vor zwei Wochen wurde eindeutig festgestellt, daß auf dem Lohnsektor der Wahlkampf bereits begonnen hat. Genau am Tag des Frühlingsbeginns kommentierte der Pressedienst der Bundeskammer: „Kein Frühling wie jeder andere.“ Gleichzeitig mit dem Problem der Arbeitszeitverkürzung unter dem Titel „40-Stun-den-Woche — Vorwahlschlager der SPÖ“ wurden, obwohl der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen davor gewarnt hat, auch Lohnforderungen laut. „Die Lohnschraube dreht sich wieder“, oder besser „sie rotiert bereits, was das Ausmaß der Forderungen anlangt“, stellt man in der Bundeskammer fest. Was dieser Frühling bringt, ist mehr als das erste Grün in der Natur mit den stereotypen, geheimen Wünschen nach Lohnerhöhungen, neben mehr Lohn will man auch mehr Freizeit.

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Den Anfang haben Im heurigen Jahr die Metall- und Bergarbeiter gemacht, die eine Kollektivvertragserhöhung ihrer Löhne um rund 11,5 Prozent beziehungsweise der Istlöhne um 8 Prozent fordern. Weitere Ankündigungen sind bereits erfolgt oder stehen der Paritätischen demnächst ins Haus. So hört man, daß im heurigen Jahr

• Die Bauarbeiter eine, wenn auch geringfügige Lohnerhöhung fordern sollen,

• daß auch aus Angestelltenkreisen derartige Wünsche kommen

• und daß schließlich auch in der zweiten Jahreshälfte Forderungen aus Kreisen der öffentlichen Bediensteten erhoben werden sollen. Diese neuen Lohnforderungen kommen fast gleichzeitig mit einer Publikation heraus, die sich mit dem österreichischen Volkseinkommen im Jahre 1967 beschäftigt und alle paar Jahre in dieser ausführlichen Form vom Statistischen Zentralamt publiziert wird.

Eines geht daraus klar hervor, Österreich wird immer mehr ein Land der Arbeitnehmer, das selbständige und eigenverantwortliche Arbeiten des Unternehmers, des Gewerbetreibenden wird immer weniger Mode. Seit dem Jahre 1960, der letzten großen derartigen Erhebung Über das Volkseinkommen, nahm der Anteil der Lohn- und Gehaltsempfänger beziehungsweise der Löhne und Gehälter, die sogenannte Lohnquöte, am Volkseinkommen um rund 6 Prozent zu. Allein von 1966 bis 1967 stieg die Lohnquote von 66,2 Prozent auf 67,3 Prozent, während der Anteil der Nichtlohneinkommen, die sogenannte Gewinnquote von 34 Prozent auf 32,9 Prozent sank.

Und Herr Österreicher verdient 1967 wesentlich besser als im Jahr vorher. Das Volkseinkommen erhöhte sich von 1966 auf 1967 um rund 6,6 Prozent, und auch wenn man die Teuerungsquote abzieht, verbleibt ein Realzuwachs um 3,7 Prozent. In Zahlen ausgedrückt macht das pro Kopf der Bevölkerung ein Mehreinkommen um 650 Schilling, pro Erwerbstätigen sogar Um 4800 Schilling. Während nämlich 1967 pro Kopf der Bevölkerung 28.710 Schilling vereinnahmt wurden, waren es 1966 nur 27.060 Schilling, und je Erwerbstätigen stehen 60.070 Schilling 1968, 64.870 Schilling im Jahre 1967 gegenüber. Die reale Zunahme des Volkseinkommens war zwar im Jahre 1966 stärker als im kleinen wirtschaftlichen Krisenjahr 1967. nämlich 4,7 Prozent statt 3,7 Pro-(1967), aber die reale Zunahme lag noch immer über der des Jahres 1965 mit 2,7 Prozent.

Im Gegensatz zu den fünfziger Jahren verschob sich seit 1960 auch die Pro-Kopf-Verteilung zugunsten der Arbeitnehmer. Auf längere Sicht gesehen, von etwa 1950 bis 1967, erhöhte sich das durchschnittliche funktionelle Lohneinkommen je Arbeitnehmer nämlich auf das 5.2faehe. während es bei den Selbständigen nur auf das 4,8fache stieg.

Löhne und Gehälter stiegen an

Die kalten statistischen Zahlen zeigen deutlich, der Wohlstand nahm bei Lohn- und Gehaltsempfängern zu. So stieg die volkswirtschaftliche Lohn- und Gehaltssumme einschließlich Soziallohn um 8,3 Prozent (real um 4,9 Prozent). Das Pro-Kopf-Einkommen der Arbeitnehmer erhöhte sich absolut gesehen um 9,2 Prozent auf 4360 Schilling. Auch wenn man hier wieder die Realbezüge berechnet, verbleibt eine Steigerung um 5,8 Prozent. Die Reallohnsteigerung lag damit 1967 über dem langjährigen Durchschnitt von 5,5 Prozent. So betrug das reale ProKopf-Einkommen 1965 2721 Schilling, 1966 2932 Schilling, 1967 3102 Schilling, das absolute Einkommen inklusive Soziallohn stieg von 3630 Schilling 1965 auf 4362 Schilling 1967.

Die Löhne wuchsen damit seit dem Jahre 1950 bis inklusive 1967 um jährlich rund 5,5 Prozent, was über dem europäischen Durchschnitt liegt.

Privater Konsum stieg stärker

Interessant ist dabei, daß allein von 1966 auf 1967 beim privaten Konsum eine Steigerung von 6,5 Prozent eintrat, so daß die Konsumausgaben um 10 Milliarden Schilling, auf 1967 165 Milliarden Schilling anstiegen. Auch wenn man die Erhöhung des Preisniveaus um rund 3 Prozent auf Grund des Verbraucherpreisindexes annimmt, bleibt eine reale Steigerung des Konsums um 3 Prozent. Volkswirtschaftler stellen allerdings hierzu fest, daß damit die niedrigste Steigerung seit 15 Jahren vorhanden war, was ebenfalls auf die Rezessionserscheinungen von 1967 zurückzuführen ist.

Die stärkste Steigerung bei den Konsumausgaben war im Jahre 1967 für Verkehr und Nachrichten festzustellen, ebenfalls um mehr als 10 Prozent steigerten sich die Ausgaben bei den privaten Konsumenten für Bildung, Unterhaltung und Erholung und für die Wohnungsnutzung. Sparsam war man dagegen bei den Ausgaben für Nahrungsmittel und Getränke sowie Tabakwaren und auch Einrichtungsgegenständen, wo die kleinste Steigerungsziffer der letzten zehn Jahre im Jahre 1967 festzustellen war.

Angesichts der Hoffnung auf eine Phase eines verstärkten konjunkturellen Aufschwunges hätten die Unternehmer im heurigen Frühjahr, so meint die Bundeswirtschaftskammer, einer Lohnwelle gefaßter entgegensehen können als 1967. Würde sich nicht eine Entwicklung abzeichnen, die dazu führen könnte, daß aus der Lohnschraube ein Schraubstock wird, der in der Folge dazu führt, daß auf Kosten von Investitionen, die dringend nötig sind, durch Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhung ein gefährlicher Engpaß entsteht. Die Sorgen um die zukünftige Wirtschaftsentwicklung, die man sich derzeit macht, erscheinen teilweise berechtigt. Denn neben einer Arbeitszeitverkürzung könnten Lohnwünsche zwischen 10 und 15 Prozent, wie sie derzeit erwogen werden, nicht nur eine schwere Schädigung des Wachstums herbeiführen, auch die Konkurrenzfähigkeit der gesamten österreichischen Wirtschaft würde gefährdet Die statistische Erfassung zeigt es deutlich, die österreichischen Arbeitnehmer haben in den letzten Jahren — wie das gesamte österreichische Volk — eine Wirtschafts- und Einkommensentwicklung mitgemacht, die jedem eine Steigerung seines Wohlstandes gebracht hat. Jetzt unmäßig zu fordern, könnte das Erreichte leicht gefährden, und damit erhebt sieh die Frage, ob es klug war, gerade jetzt so starke Reduktionen der Arbeitszeit zu verlangen.

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