Die Lüge in der Tragödie

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Ein Tabu wurde gebrochen, das böse Wort von einer möglichen Pleite Griechenlands ist gefallen. Der sinnvollen Sache, Europa zur Transferunion zu machen und Athen zu unterstützen, ist damit nicht gedient.

Es ist ein böses und ein gefährliches Spiel mit harten Worten, welches sich auf der europäischen Bühne derzeit dem Publikum bietet: böse, weil die politischen Prügel für Griechenland anderen zu gelten hätten, namentlich den Kredit gewährenden Banken und den die Kredite billig garantierenden Staaten. Gefährlich ist dieses Spiel, weil ja nur auf den wirklichen Theaterbühnen klar ist, dass selbst schlimmste Drohungen rechtlich folgenlose Scherzerklärungen sind. Man würde sich wünschen, die Ankündigung des deutschen Wirtschaftsministers Philipp Rösler wäre ein solche. Er sprach als Erster und als Minister einer auch währungspolitischen Großmacht von der Möglichkeit, Griechenland in die Pleite schlittern zu lassen. Rösler, der mit seiner FDP am politischen Existenzminimum und schon knapp unter der Aufmerksamkeitsschwelle lebt, hat sich damit zwar in die Schlagzeilen aber Griechenland mitsamt der Euro-EU in noch größere Schwierigkeiten gebracht.

Es fehlt an Ruhe und an Zeit

Griechenland - es ist ein kleines Land mit großen Problemen, deren Lösung, salopp formuliert, einfach schiene: Die Griechen handeln, die Europäer schweigen, und alle geben dem kranken Mann an der Ägäis etwas Zeit. Das alles ist nicht der Fall: Einschränkungen der öffentlichen Kosten durch die Regierung in Athen erfolgen zu langsam, die Privatisierungen kommen nicht voran, die Behörden schaffen es kaum, die 40 Milliarden Euro an Steuer-Schulden der Hellenen einzutreiben. Das macht die Freunde Griechenlands in Berlin und Paris ungeduldig und geschwätzig. Darüber verlieren dann alle die gebotene Gelassenheit. Das hat seine Ursache nicht nur in der dumm-dreisten, keineswegs sachgerechten Beschleunigung aller Vorgänge, sondern auch in der Befeuerung der Europa-Skepsis durch Nationalisten und Populisten. So, einmal mehr - aber wem? - sei es geklagt, kann die Sanierung nicht gelingen.

Das Euro-Europa zahlt hart für den mehrfachen Sündenfall in der Integrations- und in der Währungspolitik. Der vor über 20 Jahren um den Vertrag von Maastricht eingeleitete Fehler bestand ja nicht darin, Griechenland zur Jahrhundertwende dann doch in den Währungsverbund aufzunehmen. Nein, die Fehler bestanden darin, dass die Großen wie Deutschland die von ihnen mitentwickelten Bedingungen selbst nicht einhielten. Dass es Griechenland noch weniger tat. Und dass verschwiegen wurde, wie sehr sich eine Europäische Union mit dem Ziel der Kohärenz zu einer Transferunion entwickelt. Denn Abwertungen einer nationalen Währung sind in einer gemeinsamen definitionsgemäß schon ausgeschlossen. Und das allerletzte Mittel, namentlich regionale Reallohn-Flexibilität machte südliche EU-Staaten zu Niedriglohnländern, was sich ohnehin schon abzeichnet: Zu Tausenden verlassen griechische Akademiker nach ihrer Ausbildung das Land, eingezogen sind hingegen bereits über eine Million Arbeitsmigranten in Hoch- und Ackerbau. Die Wirtschaftsleistung beträgt pro Kopf die Hälfte jener Österreichs. Nochmals: So kann die Heilung nicht gelingen. So nimmt die Tragödie ihren Lauf.

Schonung der Banken nutzt den Staaten

In Berlin und in Paris ist unterdessen klar: Wer Griechenland hilft, hilft sich selbst, konkret den eigenen Banken. Diese gewährten Griechenland nicht zuletzt jene Kredite, mit denen in Europa eingekauft wurde, auch für das Militär. Geld holte sich Griechenland, wie denn sonst, über Staatsanleihen, womit das Problem in die Banken und die Staatskanzleien Europas zurückkehrt: Selbst nach dem nächsten, die Geld- und Bankgeschäfte regelnden Abkommen Basel III brauchen Banken kaum Eigenkapital zur Besicherung von Krediten für Staatsanleihen bereitzustellen, was diese billiger macht. In Wahrheit gestalten also die tonangebenden Staaten der Euro-EU jene Bedingungen besonders vorteilhaft, unter denen sie sich selbst wiederum finanzieren. Etwa, um eine Pleite abzuwenden, in die sie andere durchaus schlittern ließen. So geht es wirklich nicht.

claus.reitan@furche.at

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