7085791-1994_14_02.jpg
Digital In Arbeit

Die Millionen aus den EU-Töpfen müssen erst verdient werden

19451960198020002020

Von den Strukturprogrammen der Europäischen Union wird - im Falle eines Beitritts - auch Österreich profitieren. Heikel ist bloß die Frage, welche Gebiete gefördert werden und welche nicht.

19451960198020002020

Von den Strukturprogrammen der Europäischen Union wird - im Falle eines Beitritts - auch Österreich profitieren. Heikel ist bloß die Frage, welche Gebiete gefördert werden und welche nicht.

Werbung
Werbung
Werbung

El iner der am wenigsten umstrittenen Punkte eines EU-Beitrit-Jtes sind die Verhandlungskapitel „Strukturelle Instrumente" und „Regionalpolitik". Geht es doch dabei um jene Förderungen, die Österreich im Falle eines Beitrittes aus den Brüsseler Kassen lukrieren könnte.

Groß war die Erleichterung bei den burgenländischen Landespolitikern, als ihnen Ende November 1993 EU-Regionalkommissar Bruce Millan anläßlich eines Österreich-Besuches mitteilte, daß das östhchste und jüngste Bundesland zur Gänze als „Ziel T'-Gebiet gemäß den EU-Richtlinien eingestuft wurde (dazu „Daten & Fakten" auf dieser Seite).

Das Burgenland als einziges österreichisches „Ziel 1 "Gebiet hat damit - natürlich unter der Voraussetzung, daß das EU-Parlament dem Beitritt zustimmt und sich auch die Österreicher in der Volksabstimmung dafür entscheiden - gegenüber allen anderen Bundesländern und Regionen einen großen Vorteil: in den Beitrittsverhandlungen wurden bereits die Beträge - innerhalb eines „Fünf-Jahres-Planes" - fixiert. Für 1995 könnte das Burgenland mit einem Förderungsrahmen von 460 Millionen Schilling rechnen (siehe Grafik), für die Folge-jahre sind Steigerungen vorgesehen.

Allerdings kann - im Gegensatz zu den via Finanzausgleich verteilten Mitteln der heimischen Steuerzahler - die Landesregierung über den Geldregen aus Brüssel nicht nach eigenem Gutdünken verfügen, vielmehr müssen konkrete Projekte eingereicht werden, die dann von der EU (innerhalb des bei den Beitrittsverhandlungen fixierten Finanzrahmens) sowie vom Mitgliedsstaat finanziell unterstützt werden. Burgenlands Landesregierung hat bereits konkrete Projekte im Auge: etwa den „Industriepark Nord", neue Fachhochschulen, Thermalprojekte oder den Nationalpark NeusiedFersee.

Für das „Ziel-T'-Gebiet gilt übrigens, wie für alle anderen EU-Strukturmaßnahmen, daß zugesagte Finanzierungen verfallen, wenn sie nicht innerhalb der Fünf-Jahres-Vorschau eingelöst werden. Die Abwicklung der Projekte unterliegt außerdem einer begleitenden Kontrolle. Die ECU-Millionen aus Brüssel müssen also erst verdient werden: wenn keine Projekte geplant, eingereicht und realisiert werden, bleibt das Geld bei der EU.

Über die Leistungen aus den Strukturfonds der Union für Österreich gemäß den anderen EU-Zielen (siehe „Daten & Fakten") erfolgte bei den Beitrittsverhandlungen b oß eine generelle Festlegung: in den Jahren 1995 bis 1999 sollen insgesamt weitere 19,5 Milliarden Schilling (siehe Grafik) aus Brüssel nach Österreich fließen.

Die genaue Aufteilung dieser Finanzmittel ist noch nicht definitiv entschieden: so fällt etwa die Festlegung der „Ziel 2"-Gebiete (industrielle Umstellungsgebiete) ebenso wie jene der „Ziel 5b"-Ge-biete (benachteiligte ländliche Gebiete) in die alleinige Kompetenz der EU-Kommission und war daher auch nicht Gegenstand der Beitrittsverhandlungen. In beiden Fällen wird aber die EU-Kommission noch vor einem etwaigen Beitritt - in Absprache mit den heimischen Stellen - über die Gebietskulisse entscheiden.

Auch hinsichtlich der „Ziele 3 und 4" hat Österreich sein Interesse angemeldet („Ziel 5a" betrifft landwirtschaftliche strukturpolitische Instrumente, also etwa die Bergbau-ernförderung, und wird daher auch im Rahmen der Informationsserie der FURCHE unter dem Kapitel Landwirtschaft behandelt).

Innerösterreichische Konflikte, welche Region oder welches Ressort zumindest indirekt mit Brüsseler Förderungen rechnen kann, scheinen daher vorprogrammiert (ein fiktives und vereinfachtes Beispiel: je mehr EU-Mittel unter dem Titel „Bekämpfung der Jugend-und der Langzeitarbeitslosigkeit" lukriert werden können, desto weniger bleibt für die anderen Ziele, also etwa für die Landwirtschaft, übrig). Die Koalitionsparteien und die Sozialpartner haben sich daher - zunächst einmal auf informeller Ebene im Rahmen der regelmäßigen EU-Kontaktgespräche - darauf verständigt, die Letztentscheidung den Brüsseler Stellen zu überlassen.

Das Geld für die Strukturmaßnahmen (von „Ziel 1" bis „Ziel 5b") kommt im wesentlichen aus den Strukturfonds der Union: dem „Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft" (EAGFL), dem „Europäischen Sozialfonds" (ESF) und dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung" (EFRE). Grundsätzliches Ziel dieser Strukturfonds ist die Verringerung der Wohlstandsunterschiede zwischen den Regionen.

Ein weiteres Strukturinstrument der EU ist die „Europäische Investitionsbank" (EIB), die Investitionen (auch im Rahmen der „Ziele") etwa von Klein- und Mittelbetrieben in den als förderungswürdig eingestuften Gebieten unterstützt. Die EIB wirkt „ohne Verfolgung eines Erwerbzweckes" durch die Gewährung von Darlehen und Bürgschaften für Investitionsvorhaben. Mitglieder der EIB sind die Mitghedstaaten.

Zusätzlich wurde auch noch der sogenannte „Kohäsionsfonds" eingerichtet, dessen Mittel allerdings aus-schließhch den vier ärmerem EU-Mitgliedstaaten Griechenland, Irland, Spanien und Portugal zugute kommen (diese Länder haben ein Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt von weniger als 90 Prozent des

JEU-Durchschnittes). Zum Vergleich: 1995 sind für die drei Strukturfonds der EU 21,48 Milliarden, ECU vor-gesehen, für den Kohäsions-\J Fonds 20 Milliarden ECU (Daten auf Basis der der EU als Zwölfer-Gemeinschaft, also ohne die vier Beitrittswerber; nach gegenwärtigem Mittelkurs hat ein ECU 13,58 Schilling).

Die Strukturfonds der EU werden wiederum aus den Beiträgen der Mitghedstaaten gespeist, sind also von ihrer Grundkonzeption her ein Instrument zur Umverteilung: benachteiligte Regionen werden aus den Beiträgen der reicheren Staaten gefördert. Ein Beispiel: zwischen 1989 und 1993 wanderte von den EG-Fördermittel gemäß „Ziel 5b", also für die „Entwicklung des ländlichen Raumes" (insgesamt rund 2,7 Milliarden ECU), der Großteil in einzelne förderungswürdige Regionen der reicheren Mitgliedsstaaten: 36,8 Prozent nach Frankreich, 20,1 Prozent in die BRD, 14,8 Prozent nach Italien, 13,4 Prozent nach Großbritannien.

Von dem wesentlich größeren Bereich der „Ziel 1 "Förderungen (mit rund 38 Milliarden ECU zwischen 1989 und 1993 rund 14 mal so viel wie „Ziel 5b") profitierten wiederum überdurchschnittlich die förderungswürdigen Regionen der ärmeren EU-Staaten: rund 16 Prozent gingen nach Spanien, jeweils cirka 10 Prozent nach Griechenland beziehungsweise nach Portugal.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung