Die NAFTA und ihr "Tequila-Sunset"

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Am Tag danach konnte es US-Präsident Donald Trump bei seinem Auftritt vor der Presse gar nicht oft genug aussprechen: USMCA. Das Kürzel steht für United States-Mexico-Canada Agreement und das wiederum löst das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA ab, nachdem Kanada in sprichwörtlich letzter Sekunde doch noch beigetreten war. Ein Erfolg für Trump. Dementsprechend gelöst und zufrieden präsentierte er sich der Öffentlichkeit.

Die Namensänderung war eine Bedingung der Trump-Administration. Vor allem auch in dieser Reihenfolge -es wären ja auch leichter zu formulierende Varianten wie CAMUS oder MUSCA möglich gewesen. America First eben. Mexikos Wirtschaftsminister, Ildefonso Guajardo, wollte dem allerdings nicht allzu viel Bedeutung beimessen: "Wenn das Kind zwei Beine hat, laufen kann und bei guter Gesundheit ist, dann ist es egal, ob es Juan, Pepe oder Pedro heißt."

Das neue Handelsabkommen ist ohne Zweifel ein relativer Erfolg von Trumps Verhandlungspolitik. Zunächst hatte er NAFTA wiederholt "als schlechtestes Abkommen aller Zeiten" kritisiert, mit dem Ausstieg der USA gedroht und damit maximale Verunsicherung geschaffen. Mexiko sah sich bereits im Wahlkampf ständigen Verbalattacken ausgesetzt. Und auch Kanada griff Trump zuletzt mit immer lauteren Provokationen an. Er drohte mit Strafzöllen auf die Einfuhr von Autos und erhob Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium. In der Endphase der Verhandlungen bekundete Trump, niemand möge die kanadische Unterhändlerin, Außenministerin Chrystia Freeland.

Die Spaltung der Partner

Zu dem Zeitpunkt hatte er seine Verhandlungspartner bereits gespalten. Mit Mexiko erzielte die US-Regierung Ende August eine Übereinkunft und stellte daraufhin Ottawa ein Ultimatum: Hätte Ministerpräsident Justin Trudeau bis zum 1. Oktober nicht zugestimmt, hätte sich Trump mit einem Pakt mit Mexiko begnügt. "Wer hätte gedacht, dass die Vereinigten Staaten und Kanada, zwei Länder, die historisch gesehen die besten Freunde und Nachbarn sind, auf eine mitternächtliche Deadline am Rande eines Handelskrieges starren würden?", schrieb Alan Rappeport dieser Tage in der New York Times mit Blick auf das zerrüttete Verhältnis.

Trumps Strategie aus konstruktiven Gesprächen gepaart mit Druck und Erpressung hat den Weg geebnet für den Abschluss eines Paktes, bei dem fast alle offensichtlichen Vorteile auf der Seite Washingtons liegen. Vor den Kongresswahlen am 6. November kann Trump die Einlösung eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen präsentieren. Trump hat es geschafft, den bisher mit hohen Zöllen geschützten kanadischen Milchmarkt für US-Produzenten zu öffnen. Auch Mexiko musste weitreichende Zugeständnisse machen, beispielsweise im Automobilsektor.

Die Wertschöpfungsanteile aus den NAFTA-Staaten in der Autoproduktion werden mit dem neuen Abkommen -wie von den USA gefordert -von bisher 62,5 Prozent auf 75 Prozent angehoben. Dies wird zu höheren Produktionskosten und Anpassungen in den Zulieferketten führen. Zudem sollen künftig 40 bzw. 45 Prozent jedes Fahrzeugs in Fabriken hergestellt sein, in denen Arbeiter mindestens 16 US-Dollar pro Stunde verdienen. In Mexiko liegt der Stundenlohn inklusive Sozialleistungen bisher bei acht US-Dollar.

Lohnerhöhungen in Mexikos Automobilindustrie waren eines der zentralen Themen in den Verhandlungen. Die USA vertreten die Ansicht, dass die niedrigen Löhne der mexikanischen Wirtschaft einen künstlichen Wettbewerbsvorteil verschafften. Ironischerweise waren es nicht die mexikanischen Gewerkschaften, sondern US-Präsident Donald Trump, der Druck machte, die Löhne in Mexiko zu erhöhen -wenn auch aus protektionistischen Motiven.

Eduardo Solis, Präsident des mexikanischen Verbandes der Automobilindustrie (AMIA), glaubt allerdings nicht, dass USMCA zu Lohnerhöhungen in der mexikanischen Autoindustrie führt oder gar verpflichtet. 16 US-Dollar Stundenlohn bedeute lediglich, dass 40 Prozent der Teile eines Fahrzeugs aus den USA und Kanada kommen müssen. "Es ist absolut ein Fehler zu sagen, dass Mexiko 16 Dollar pro Stunde zahlen muss." Davon sei nirgends die Rede, so Solis. Erwähnt würden lediglich Teile und Komponenten, die aus Ländern stammen, in denen dieser Betrag gezahlt werde.

Gegenüber dem Freihandelsabkommen von 1994 wird die Rolle der Arbeitnehmervertreter in Mexiko aber gestärkt. Das Problem ist, dass sechs von zehn Arbeitnehmern in Mexiko im informellen Sektor beschäftigt sind.

Gegen die sogenannte "Sunset"-Klausel, nach der das neue Abkommen nach fünf Jahren automatisch endet, sollten sich die drei Mitgliedsländer nicht zuvor auf eine Verlängerung einigen, setzten sich Mexiko und Kanada dagegen erfolgreich zur Wehr. Die nun erzielte Vereinbarung gilt für 16 Jahre und im sechsten Jahr ihres Inkrafttretens wird sie einem Revisionsprozess unterzogen.

Erfolgreiches Beharren

Auch bei den Schiedsgerichten beharrte Kanada erfolgreich auf seiner Position. Washington wollte die Schiedsvereinbarung für Streitfälle vollständig auflösen. Für Kanada war das eine rote Linie. Am Ende bleibt praktisch alles wie es war.

Eine andere Klausel des neuen Abkommens legt fest, dass, sollte einer der drei Unterzeichner-Staaten ein Handelsabkommen mit einer Wirtschaft schließen wollen, die als "nicht marktbestimmt" angesehen wird, er mindestens drei Monate im Voraus über die Absicht informieren müsse, Gespräche zu beginnen. Die übrigen Partner könnten sich aus dem nordamerikanischen Abkommen zurückziehen, wenn sie der Auffassung sind, dass dies das Abkommen gefährde. Der Mechanismus scheint von Washington entworfen zu sein, um eine Annäherung Mexikos an Peking zu unterbinden. Auch bleiben die im Juni verhängten US-Zölle auf Stahl und Aluminium aus Kanada und Mexiko trotz Protesten der Regierungen dieser beiden Länder in kraft.

Es wäre ein Fehler, die Erneuerung des Abkommens als eine Lockerung des Trumpʼschen Protektionismus zu interpretieren. Das Gegenteil ist der Fall: Die Einigung stellt vielmehr eine Bekräftigung von Trumps Politikstil dar: zunächst zu drohen, Zölle zu verhängen und nach einem Einschüchterungsprozess zu verhandeln. "Ohne Zölle hätten wir diese Vereinbarung nicht", erklärte Trump seine Verhandlungsweise. China und Europa sollten genau hinschauen. Der Handelspakt mit Kanada und Mexiko könnte der Trump-Regierung als Blaupause für künftige Verhandlungen dienen.

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