6553269-1948_07_10.jpg
Digital In Arbeit

Die neuen Finanzausgleichsgesetze

Werbung
Werbung
Werbung

Der Wert der neuen Finanzausgleichsgesetze, eines Finanzverfassungs- und eines Finanzausgleichsgesetzes, liegt zunächst darin, daß Österreich nach einer zehnjährigen Zwischenzeit nunmehr wieder über eine eigengesetzliche Ordnung des Finanzausgleichs verfügt und nicht mehr auf die weitere Anwendung des bis 1945 in Geltung gestandenen preußisch-deutschen Rechtes angewiesen ist. Das Finanzverfassungsgesetz gilt zeitlich unbeschränkt, das Finanzausgleichsgesetz vorläufig nur für das Jahr 1948.

Die neue Finanzverfassung hält im wesentlichen die Grundsätze der 1922 geschaffenen ersten Finanzverfassung aufrecht, befreit sie aber von manchen Wirrnissen, die sich aus den in den Jahren bis 1931 vorgenommenen Änderungen und Zusätzen zu dem schon ursprünglich nicht durchwegs bestimmten Wortlaut dieses Gesetzes ergeben hatten. Dies gilt insbesondere für die nunmehr äußerlich bedeutend verkürzten Bestimmungen zum Schutz der Landes- und Gemeindehaushalte gegen die Folgen einseitiger Verfügungen der Bundesgesetzgebung und für die Regelung des Einspruchsrechtes der Bundesregierung gegen Gesetzesbeschlüsse der Landtage über Steuern. An Stelle des im Jahre 1938 bestandenen Vetorechtes der Bundesregierung, beziehungsweise des Bundeskanzlers, das im Jahre 1925 als Voraussetzung für die Aufhebung der Völkerbundaufsicht über die österreichische Haushaltsführung geschaffen worden war, tritt nunmehr wieder das ältere Verfahren, das die letzte Entscheidung über einen Einspruch der Bundesregierung einem von den beiden Häusern der Volksvertretung gewählten 26gliedrigen Ausschuß überläßt. Recht verwickelte und einem raschen Gang des Verfahrens keineswegs förderliche Bestimmungen sollen die rechtzeitige Beschlußfassung des Ausschusses sicherstellen und damit Bedenken begegnen, die siela aus föderalistischen Einflüssen und Erwägungen für seine Einberufung und Beschlußfassung hätten ergeben können.

Vom Finanzausgleichsgesetz ist vor allem die Behandlung und Lösung zweier Fragen erwartet w o r- d e n: der Ersatz der im preußisch-deutschen Recht geregelten Leistungen des Bundes an die Länder und Gemeinden in Form alljährlich willkürlich bestimmter Finanzzuweisungen und die Wiederherstellung der bestandenen Besteuerungsrechte der Länder, die ihnen mit dem Eindringen des deutschen Rechts nahezu ganz entzogen worden waren.

Als Ersatz für die Finanzzuweisungen kam die Wiederherstellung einer Beteiligung der Länder und Gemeinden am Ertrag gemeinschaftlicher Bundessteuern nach altem österreichischem Recht in größerem Umfang in Betracht (verbundene Steuerwirtschaft), Eine solche Beteiligung hält die Verbindung zwischen der Höhe der Einnahmen der Länder und Gemeinden aus ihren Ertragsanteilen und den Erfolgen der heimischen Wirtschaft aufrecht, während die Finanz Zuweisungen an die Länder völlig, jerje an die Gemeinden aber zumindest mit ihrem Gesamtbetrag von den alljährlichen Festsetzungen im Staatshaushaltsplan abhängig waren. Es ist zweifellos, daß die alte österreichische Regelung, die nun wieder in ihre Rechte tritt, zu dem bundesstaatlichen Aufbau besser paßt als die deutsche Rechtsordnung, die von einer durchaus anders gearteten Staatsauffassung aüsgegangen war. Der Kreis dieser gemeinschaftlichen Bundessteuern entspricht im wesentlichen dem älteren österreichischen Recht und umfaßt die Einkommen- (Lohn-) Steuer, Kapitalertragsteuer, Erbschafts- und Grunderwerbsteuer, Umsatzsteuer, Bier-, Wein- und Mineraiölsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und als Erweiterung auch die Energie- verbrauphssteuer. Man vermißt in ihrem Kreis nur die Körperschaftssteuer, für die nach dem geltenden deutschen Steuerrecht Zerlegungsvorschriften zwischen Sitz- und Betriebsgemeinden fehlen, die Gewerbesteuer, die eine ausschließliche Gemeindeeinnahme bleiben soll, und die in ein vlonopol umgewandelte Branntweinsteuer. Einen offenbaren Mangel des Gesetzes bedeutet es, daß die Festsetzung der Ertragsanteile der Länder aus der Mineralöl- und E n e r g i e v e r b r a u c h s s t e u e r und ihre weitere Aufteilung ohne Fristsetzung erst zu erlassenden Bundesgesetzen übertragen wird. Die eben erst geschaffene Einheitlichkeit der Finanzausgleichsgesetzgebung erfährt dadurch ebenso wie die Einnahmen der Länder aus Ertragsanteilen eine Beeinträchtigung, weshalb man hoffen muß, daß diese ergänzenden Regelungen wenigstens nicht allzu lange auf sich warten lassen werden.

Vom Gesamtertrag dieser gemeinschaftlichen Bundessteuern fällt die etwas kleinere Hälfte auf den Bund, die überwiegende von rund einer Milliarde Schilling auf die Gesamtheit der Länder und Gemeinden, denen damit, gemessen an der Größe des Bundeshaushalts in Vergangenheit und Gegenwart, reichliche Mittel zugewendet werden. Die Verteilung auf die einzelnen Länder und die Gesamtheit der Gemeinden wird nach der bewährten alten Ordnung, bei den direkten und Vermögensverkehrssteuern im wesentlichen nach den örtlich erzielten Steuererfolgen, bei den Verbrauchs-, Produktions- und Umsatzsteuern für die Länder nach der Volkszahl oder dem im wesentlichen durch sie bestimmten Verbrauch, für die Gemeinden nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel erfolgen, der der Tatsache eines auch verhältnismäßig höheren Aufwandes in volkreicheren Gemeinden Rechnung trägt, übrigens aber zugunsten der Gemeinden mit höchstens 5000 Einwohnern eine wesentliche Vereinfachung erfahren hat. Die Verteilung der Gesamtertragsanteile der Gemeinden unter diese erfolgt ausschließlich nach diesem Schlüssel. Damit ist das deutsche Recht beseitigt, das die Beteilung der Länder willkürlich, jene der Gemeinden, von einem an sich richtigen Gedanken ausgehend, im Verhältnis des Unterschiedes zwischen ihrem Haushaltsbedarf und ihrer eigenen Steuerkraft verfügt hatte. Es entbehrte genauer zahlenmäßiger Grundlagen in beiden Richtungen und mußte sich daher mit Durchschnittsannahmen behelfen. Anklänge an dieses Recht finden sich aber in einem berechtigten Ausmaß in der Bedeutung, die der Volkszahl und damit mittelbar auch dem Haushaltsbedarf eingeräumt wird. Ein Viertel der Ertragsanteile aller Gemeinden wird bei den Landesregierungen zum Ausgleich in Fällen eines besonderen Bedarfes oder Notstandes einbehalten und gibt damit, ähnlich wie es vor 1938 mit der Bildung von Gemeindeausgleichsfonden geplant war, der Gesamtordnung erhöhte Beweglichkeit.

Die Stadt Wien erhält, ihrer doppelten Zuständigkeit als Land und Gemeinde entsprechend, Landes- und Gemeindeertragsanteile. Um aber das neuerliche Auftreten der damit verbundener, unbilligen Erscheinungen der Vergangenheit zu vermeiden, die durch außerordentlich verwickelte Bestimmungen hatten bekämpft werden müssen, wird das Gesamtausmaß der Wiener Ertragsanteile derart begrenzt, daß der volle Überschuß über 35 Prozent der Gesamtsumme, von einem Überschuß zwischen 32,5 und 35 Prozent aber je ein Viertel den Ländern und Gemeinden nach dem natürlichen, beziehungsweise abgestuften Bevölkcrungssthlüssel zugewendet wird. Der Hundertsatz von 32.5 entspricht dem durchschnittlichen Ergebnis der Jahre 1935 bis 1937.

Da die geschilderte Rückkehr zur verbundenen Steuerwirtschaft nicht eine ganz allgemein bedenkenlose Zustimmung finden konnte, hat die Finanzverfassung übrigens auch die bisher fehlende verfassungsrechtliche Grundlage für die Gewährung von allgemeinen Finanzzuweisungen im V Sinne des deutschen Rechtes geschaffen, so daß in Zukunft beide Wege offen stehen oder miteinander verbunden werden können.

Die Wiederherstellung der bestandenen Besteuerungsrechte der Länder konnte nicht verwirklicht werden, da die Länder selbst in Unterhandlungen mit der Vertretung der Gemeinden zugunsten dieser auf die Grund (Gebäude-)- und Gewerbesteuer völlig verzichtet hatten. Damit ergab sich di Notwendigkeit, die deutschrechtliche Einrichtung einer Landesumlage (von höchstens 20 Prozent) auf die Ertragsanteile der Gemeinden aufrechtzuerhalten. Dies widerspricht österreichischer Auffassung über das Verhältnis von Ländern und Gemeinden im Bereich des Finanzausgleiches und bedeutet überdies einen überflüssigen Umweg bei der Erzielung höherer Einnahmen für die Länder. Es hätten sich wohl Wege finden lassen, um den Ländern einen Anteil am Ertrag dieser Steuern ohne Schädigung der Gemeindehaushalte zu sichern. Schon die Notwendigkeit einer Neuregelung für die Jahre ab 1949 bietet eine zeitnahe Möglichkeit, sie einzuschlagen. Immerhin haben aber auch die Länder in Form ihrer Ertragsanteile einen, wenn auch nur mittelbaren Ersatz für den Verlust eigener Besteuerungsrechte erhalten. Das Jahr 1948 soll ein Probejahr für die Bewährung der ganzen Neuordnung sein. Man darf erwarten, daß die in seinem Ablauf gemachten Erfahrungen hei künftigen Neuregelungen eine gebührende Beachtung finden werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung