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Die ÖIG vor neuer Kur

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Der Rückzieher der Volkspartei im Herbst des vergangenen Jahres, als die SPÖ die Verlängerung der Marktordnungsgesetze an die Proporzverfestigung in der Verstaatlichten Industrie koppelte und eine Verlängerung einer bereits 1966 getroffenen Vereinbarung bis zum Ende der Legislaturperiode erzwang — war zugleich Auftakt für ernsthafte Überlegungen über eine Reform des ÖIG-Gesetzes, das ÖVP und SPÖ Ja gemeinsam im Parlament verabschiedet hatten. Denn in der ÖIG hat man bald nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. Dezember 1966 erkannt, daß die Wahrnehmung der Eigentumsrechte des Bundes durch die ÖIG nicht mit dem Sinn des Gesetzesauftrags möglich war, der Wirtschaftlichkeit bei der Führung der einzelnen Unternehmen, Koordinierung der Produktion, des Einkaufs und Verkaufs sowie die gemeinsam betriebene Forschung bestimmte.

Denn das ÖIG-Gesetz sah nicht vor, daß die ÖIG an die einzelnen Unternehmen Weisungen erteilen kann. Dies hatten die zahlreichen Manager beider Parteien in den Eimzelunter-nehmiungen bei der Abfassung des Gesetzes durchgesetzt — wobei vor allem die SPÖ Wert darauf legte, daß die ÖIG, deren Aufsichtsrat mehrheitlich „schwarz“ entscheiden kann, den Betrieben unter sozialistischem Management nichts dreireden konnte. Aber vor allem auch die Privatindustrie, der die Ausweitungstendenzen der „Verstaatlichten“ schon immer ein Dorn im Auge waren, erreichte über ÖVP-Kreise eine Schwächung der ÖIG-Stellung.

Heute ist das Problem der „Verstaatlichten“ wieder unaufschiebbar auf der Tagesordnung. Abgesehen von der mangelnden Koordination rügt man vor allem grundsätzlich an der ÖIG:

• daß das Schwergewicht der Entscheidung der ÖIG im Aufsichtsrat liege, ein 17köpflges Gremium unterschiedlichster Interessenlagen aber schwerfällig sei und die einzelnen Mitglieder ihre Tätigkeit neben vielen anderen Funktionen ausüben.

• Die Personalentscheidungen sind auf Grund der Parteienvereinbarungen in der ÖIG und den einzelnen Unternehmen eben typische Reste des Proporz, der die Mobilität erschwere

• Durch die mangelnde Weisungs-möglichkeit seien die Unternehmen wieder sich seihst überlassen worden und hätten einzelunternehmerlsche Entscheidungen vor gesamtwirtschaftliche gestellt; die Folge seien etwa Überproduktion in unwirtschaftlichen Produktionszweigen, Fehlinvestitionen, mangelnde Rücksichtnahme auf verwandte Unternehmen der Verstaatlichten gewesen.

• Das wesentliche Problem der In-vestitionsflnanzierung aber konnte absolut nicht zufriedenstellend gelöst werden.

Die Regierungspartei hat den Sozialisten nunmehr vorgeschlagen, das Eigentum der Republik Österreich 'an den verstaatlichten Unternehmen an die ÖIG zu übertragen. Diese Forderung stieß bei der SPÖ auf grundsätzlichen Widerstand, weil ein solcher Vorgang der erste Schritt auf dem gefürchteten Weg zur Entstaatlichung schlechthin wäre. Allerdings scheint sich in den letzten Verhandlungsrunden eine stärkere, vor allem von Gewerkschaftsseite vorgetragene Bereitschaft bei den SPÖ-Unterhändlern zu zeigen, das Problem nicht nur dogmatisch au sehen. Denn erstens würde jede Eigen-tumsauigaibe auch im ÖIG-Auf-sichtsrat eine Zweidrittelmehrheit erfordern, gäbe aber doch die Möglichkeit vereinfachter Fusionierung oder Konzernierung, etwa mit ausländischen Unternehmen. Überdies wäre das Problem der Finanzierung im Falle des Eigentümers ÖIG anders zu bewältigen. Das Vermögen der ÖIG wäre für in-und ausländische Kapitalgeber sicherlich eine bessere Basis auf dem Geldmarkt. Darüber hinaus wären die Einzelunternehmungen davon befreit, laufend über Finanzierungskopfschmerzen zu klagen.

Erheblich schwieriger scheint in den laufenden Verhandlungen aber das Problem der Entflechtung aus dem Proporz zu sein. Derzeit sieht das ÖIG-Gesetz vor, daß die Aufsichtsräte der ÖIG durch die politischen Parteien nominiert werden, während die Vorstände wiederum von diesen proporzmäßig zusammengesetzten Aufsichtsräten gewählt werden. Nun meint die Volkspartei, daß die Aufsichtsräte der einzelnen Unternehmen von der ÖIG bestellt werden sollen, und zwar mit einfacher Mehrheit im ÖIG-Aufsichtsrat, was der ÖVP die theoretische Möglichkeit gäbe, alle Aufsichtsräte aller Einzelunternehmen direkt zu besetzen. Dagegen richtet sich nunmehr der massive Widerstand der Sozialisten.

Doch über allen Vorschlägen schwebt das Damoklesschwert des Zeitdrucks. Die Regierung ist d'aran interessiert, ihr Regierungsprogramm zu erfüllen („eine dauerhafte Lösung für die verstaatlichte Industrie“). ÖVP-Chef-verhandler Dr. Withalm will sein im Herbst abgegebenes Versprechen einer „Entpolitisierung“ wahrmachen, die Sozialisten wollen sich für die Zukunft freie Hand lassen und der Regierung keinen spektakulären Erfolg gönnen, haben aber doch sehr ernste Sorgen für die Arbeitnehmer schlecht verwalteter verstaatlicher Unternehmen.

Die ÖVP jedenfalls wird sich um eine baldige Entscheidung nicht drücken können, die auch die Bundesparteileitung bei ihrer letzten Sitzung noch nicht traf: Macht sie einen spektakulären Kraftakt und löst die Verstaatlichtenfrage ohne die SPÖ mit ihrer Mehrheit im Nationalrat — oder sucht sie einen zeitraubenden Kompromiß mit der Opposition, der Zugeständnisse und in ihren Augen „Verwässerungen“ enthält? Auf alle Fälle ist die ÖVP an ihr Proporzab-kommen vom Herbst 1968 gebunden, daß sie auf alle Fälle brechen müßte. Die Lösung mit einem Aufschub der Gesetzeskraft bis nach den Natio-nalratiswaihlen ist mittlerweile nämlich schon verworfen worden.

Der Wähler müßte also in einem solchen Fall die Entscheidung darüber haben, ob er der ÖVP einen zwar mutigen, auf „Entpolitisierung“ abgestellten Bruch eines schriftlichen Abkommens honoriert oder aber lieber einen Kompromiß der beiden Großparteien wünscht.

Der Rückzieher der Volkspartei im Herbst des vergangenen Jahres, als die SPÖ die Verlängerung der Marktordnungsgesetze an die Proporzverfestigung in der Verstaatlichten Industrie koppelte und eine Verlängerung einer bereits 1966 getroffenen Vereinbarung bis zum Ende der Legislaturperiode erzwang — war zugleich Auftakt für ernsthafte Überlegungen über eine Reform des ÖIG-Gesetzes, das ÖVP und SPÖ Ja gemeinsam im Parlament verabschiedet hatten. Denn in der ÖIG hat man bald nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. Dezember 1966 erkannt, daß die Wahrnehmung der Eigentumsrechte des Bundes durch die ÖIG nicht mit dem Sinn des Gesetzesauftrags möglich war, der Wirtschaftlichkeit bei der Führung der einzelnen Unternehmen, Koordinierung der Produktion, des Einkaufs und Verkaufs sowie die gemeinsam betriebene Forschung bestimmte.

Denn das ÖIG-Gesetz sah nicht vor, daß die ÖIG an die einzelnen Unternehmen Weisungen erteilen kann. Dies hatten die zahlreichen Manager beider Parteien in den Eimzelunter-nehmiungen bei der Abfassung des Gesetzes durchgesetzt — wobei vor allem die SPÖ Wert darauf legte, daß die ÖIG, deren Aufsichtsrat mehrheitlich „schwarz“ entscheiden kann, den Betrieben unter sozialistischem Management nichts dreireden konnte. Aber vor allem auch die Privatindustrie, der die Ausweitungstendenzen der „Verstaatlichten“ schon immer ein Dorn im Auge waren, erreichte über ÖVP-Kreise eine Schwächung der ÖIG-Stellung.

Heute ist das Problem der „Verstaatlichten“ wieder unaufschiebbar auf der Tagesordnung. Abgesehen von der mangelnden Koordination rügt man vor allem grundsätzlich an der ÖIG:

• daß das Schwergewicht der Entscheidung der ÖIG im Aufsichtsrat liege, ein 17köpflges Gremium unterschiedlichster Interessenlagen aber schwerfällig sei und die einzelnen Mitglieder ihre Tätigkeit neben vielen anderen Funktionen ausüben.

• Die Personalentscheidungen sind auf Grund der Parteienvereinbarungen in der ÖIG und den einzelnen Unternehmen eben typische Reste des Proporz, der die Mobilität erschwere

• Durch die mangelnde Weisungs-möglichkeit seien die Unternehmen wieder sich seihst überlassen worden und hätten einzelunternehmerlsche Entscheidungen vor gesamtwirtschaftliche gestellt; die Folge seien etwa Überproduktion in unwirtschaftlichen Produktionszweigen, Fehlinvestitionen, mangelnde Rücksichtnahme auf verwandte Unternehmen der Verstaatlichten gewesen.

• Das wesentliche Problem der In-vestitionsflnanzierung aber konnte absolut nicht zufriedenstellend gelöst werden.

Die Regierungspartei hat den Sozialisten nunmehr vorgeschlagen, das Eigentum der Republik Österreich 'an den verstaatlichten Unternehmen an die ÖIG zu übertragen. Diese Forderung stieß bei der SPÖ auf grundsätzlichen Widerstand, weil ein solcher Vorgang der erste Schritt auf dem gefürchteten Weg zur Entstaatlichung schlechthin wäre. Allerdings scheint sich in den letzten Verhandlungsrunden eine stärkere, vor allem von Gewerkschaftsseite vorgetragene Bereitschaft bei den SPÖ-Unterhändlern zu zeigen, das Problem nicht nur dogmatisch au sehen. Denn erstens würde jede Eigen-tumsauigaibe auch im ÖIG-Auf-sichtsrat eine Zweidrittelmehrheit erfordern, gäbe aber doch die Möglichkeit vereinfachter Fusionierung oder Konzernierung, etwa mit ausländischen Unternehmen. Überdies wäre das Problem der Finanzierung im Falle des Eigentümers ÖIG anders zu bewältigen. Das Vermögen der ÖIG wäre für in-und ausländische Kapitalgeber sicherlich eine bessere Basis auf dem Geldmarkt. Darüber hinaus wären die Einzelunternehmungen davon befreit, laufend über Finanzierungskopfschmerzen zu klagen.

Erheblich schwieriger scheint in den laufenden Verhandlungen aber das Problem der Entflechtung aus dem Proporz zu sein. Derzeit sieht das ÖIG-Gesetz vor, daß die Aufsichtsräte der ÖIG durch die politischen Parteien nominiert werden, während die Vorstände wiederum von diesen proporzmäßig zusammengesetzten Aufsichtsräten gewählt werden. Nun meint die Volkspartei, daß die Aufsichtsräte der einzelnen Unternehmen von der ÖIG bestellt werden sollen, und zwar mit einfacher Mehrheit im ÖIG-Aufsichtsrat, was der ÖVP die theoretische Möglichkeit gäbe, alle Aufsichtsräte aller Einzelunternehmen direkt zu besetzen. Dagegen richtet sich nunmehr der massive Widerstand der Sozialisten.

Doch über allen Vorschlägen schwebt das Damoklesschwert des Zeitdrucks. Die Regierung ist d'aran interessiert, ihr Regierungsprogramm zu erfüllen („eine dauerhafte Lösung für die verstaatlichte Industrie“). ÖVP-Chef-verhandler Dr. Withalm will sein im Herbst abgegebenes Versprechen einer „Entpolitisierung“ wahrmachen, die Sozialisten wollen sich für die Zukunft freie Hand lassen und der Regierung keinen spektakulären Erfolg gönnen, haben aber doch sehr ernste Sorgen für die Arbeitnehmer schlecht verwalteter verstaatlicher Unternehmen.

Die ÖVP jedenfalls wird sich um eine baldige Entscheidung nicht drücken können, die auch die Bundesparteileitung bei ihrer letzten Sitzung noch nicht traf: Macht sie einen spektakulären Kraftakt und löst die Verstaatlichtenfrage ohne die SPÖ mit ihrer Mehrheit im Nationalrat — oder sucht sie einen zeitraubenden Kompromiß mit der Opposition, der Zugeständnisse und in ihren Augen „Verwässerungen“ enthält? Auf alle Fälle ist die ÖVP an ihr Proporzab-kommen vom Herbst 1968 gebunden, daß sie auf alle Fälle brechen müßte. Die Lösung mit einem Aufschub der Gesetzeskraft bis nach den Natio-nalratiswaihlen ist mittlerweile nämlich schon verworfen worden.

Der Wähler müßte also in einem solchen Fall die Entscheidung darüber haben, ob er der ÖVP einen zwar mutigen, auf „Entpolitisierung“ abgestellten Bruch eines schriftlichen Abkommens honoriert oder aber lieber einen Kompromiß der beiden Großparteien wünscht.

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