Die Perversionen der Euro-Krise

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Wir leben in einer Zeit der Geldwunder. Für jene 100 Milliarden Euro, die Spaniens Banken von der EU bekommen werden, soll kein "bilaterales Geld aus Österreich fließen“, sagt Finanzministerin Maria Fekter. Das ist doch Labsal fürdie wunden Gemüter der Steuerzahler. Kein Geld aus unseren geschundenen Kassen, sondern, so Maria Fekter: Zahlen wird der neue europäische Rettungsfonds.

Nur die hartnäckigsten Nörgler würden dem entgegnen, dass Österreich im alten wie im künftigen Rettungsschirm mit 20 Milliarden Euro Haftungen hängt. Da die Kreditlinie an höchst notleidende Banken geht, würden noch unangenehmere Kritikaster meinen, dass ein Teil dieser Milliarden vielleicht doch auf lange bis ewige Dauer aushaftend bleiben wird.

Aber bleiben wir Optimisten. Bleiben wir Fekter. Wir sehen unser Geld wieder! Warum? Ganz einfach: Das Kreditgeschäft in Spanien wird sich angesichts der zahlreichen Konjunkturpakete der spanischen Regierung und der florierenden Realwirtschaft wiederbeleben. Die wachsende Wirtschaft braucht Arbeiter, deshalb wird die spanische Arbeitslosigkeit drastisch sinken. Die Löhne werden steigen und zu steigenden Konsumausgaben führen.

Es würden nicht Tausende weitere Kredite pro Woche faul werden wie bisher und Spaniens Banken würden auch nicht weitere Milliarden abschreiben müssen.

Traum und Wirklichkeit

Soweit der Traum. In einer Wirklichkeit bar jeden Wunders arbeiten freilich andere Mechanismen: Spanien wird in der Rezession verbleiben, es wird keine Konjunkturpakete geben, die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen, noch mehr Kreditnehmer werden ihre Raten nicht mehr bezahlen können. Spaniens Banken werden weitere Milliarden brauchen. Und vermutlich wird der spanische Premier Rajoy auch das nächste Rettungspaket als "Erfolg für Europa und den Euro“ sehen. An politischem Gespür und Weitsicht ist dieser Satz mit Alfred Gusenbauers Definition des heimischen Bankenrettungsschirms von 2008 vergleichbar: "Ein Bombengeschäft für die Republik“.

Schrumpfende Spielräume

Aber immerhin: 2008 hatte die Politik noch Zeit und Spielraum zum Handeln. Diese Zeit geht nun zu Ende. Laut IWF hat Europa noch drei Monate Zeit, entscheidende Maßnahmen für den Euro zu setzen - oder dem Untergang der gemeinsamen Währung beizuwohnen. Doch was helfen solche Warnungen? Am Beispiel Spanien zeigt sich, dass sich an der Herangehensweise nichts geändert hat und die wichtigsten Wege zur Lösung der Misere einfach ignoriert werden. Europa rettet seit mehr als 24 Monaten Staaten (Griechenland, Portugal), zumeist aber Banken (Irland, Spanien, Österreich, Deutschland etc.) blindlings und ohne jede Aussicht auf nachhaltige Gesundung der Patienten.

Die Rettung unsinkbarer "systemrelavanter“ Banken verursacht paradoxerweise den Untergang jeder vernünftigen und sparsamen Budgetpolitik und verhindert auch, dass Milliarden in die Realwirtschaft fließen, wo sie dringend gebraucht würden. Das spanische - aber auch das österreichische - Budget kann noch so effizient saniert werden. Sobald eine Bancia, eine HypoAlpeAdria oder eine ÖVAG vor der Tür stehen, ist jedes Sparziel obsolet.

Es ist diese ökonomische Perversion, die Europa in die Knie zwingt. Es hat seinen Bankensektor nicht saniert, hat die schlechten Teile nicht herausgeschält und Pleite gehen lassen. In den USA hat diese Reinigung stattgefunden: Seit 2007 sind 421 US-Banken Pleite gegangen. In Europa dagegen geistern Milliarden-Zombies zu Dutzenden über die Finanzfluren. Sie sind der Ballast, der an den Budgets hängt. Sollte Griechenland aus der Eurozone ausscheiden, wird das systemrelevante Banken ins Trudeln bringen. Ihre Unsinkbarkeit könnte dann zum tonnenschweren Senkblei für die EU und den Euro werden.

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