Die Qualität des Lebens

Werbung
Werbung
Werbung

Das Wirtschaftswachstum ist in Europa ins Stocken geraten. Was bedeutet das für Umwelt und Arbeitsmarkt – und vor allem unsere Lebensqualität?

Mehr Lebensqualität bei weniger Ressourcenverbrauch – das ist die Herausforderung einer nachhaltigen Zukunft. Weniger Wirtschaftswachstum ist künftig wahrscheinlich, und der bisherige Pfad wirtschaftlicher Entwicklung muss überdacht werden. Anstrengungen der gesamten Gesellschaft sind nötig, um zu erreichen, was alle wollen: ein gutes Leben.

Erfolg in der Wirtschaft, und vielfach auch für jeden Einzelnen, wird heute daran gemessen, ob wir mehr erreichen als im letzten Jahr. Auf diesem Weg hat sich die Wirtschaftsleistung und damit der materielle Konsum Europas innerhalb weniger Jahrzehnte vervielfacht. Die Lebensqualitätsforschung, ein relativ junger Zweig der Wissenschaft, zeigt aber, dass zumindest für den Durchschnittsbürger industrialisierter Länder die gefühlte Lebensqualität mit wachsendem Einkommen nicht mehr ansteigt. Das Projekt „Wohlstand für alle“ durch mehr Wachstum scheint aus dieser Sicht abgeschlossen – wenn man bedenkt, dass sich die Armut in reichen Gesellschaften gut über eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen verringern ließe.

Weniger Ressourcenverbrauch

Das Wachstum des österreichischen Bruttoinlandsprodukts ist auf hohem Niveau ins Stocken geraten. Es wird heuer deutlich sinken, nächstes Jahr möglicherweise nur wenig wachsen. Für die Umwelt scheint dies zunächst positiv: Weniger Ressourcenverbrauch bedeutet weniger Druck auf die ohnedies bereits überbeanspruchten globalen Ökosysteme, die schon begonnen haben, sich negativ auf unsere Zivilisation auszuwirken.

Dennoch ist die Wachstums-schwäche unter gegebenen Rahmenbedingungen ein Problem. Vor allem, weil weniger Wachstum – und erst recht ein Rückgang des BIP – Arbeitslosigkeit erzeugt. Andererseits: Wenn die Menschen weniger nachfragen, ihre Autos und ihr Handy gerne länger behalten und auch mehr Freizeit durchaus schätzen, wodurch weniger produziert werden muss, dann sollten sich Wirtschaft und Gesellschaft darauf einstellen. Die entscheidende Frage ist daher, ob sie sich auf diesen Wandel einstellen können. Es ist an der Zeit, diese Frage in den Mittelpunkt der Forschung zu stellen, anstatt zu hoffen, dass die Wirtschaftsmaschinerie wieder auf den alten Wachstumspfad zurückfindet, was für Klima und Umwelt – und damit für alle Menschen – immer schwerwiegendere Konsequenzen mit sich bringt.

Fortschritt jenseits des Wachstums

Die drängenden Fragen der Zeit müssen beantwortet werden: Wie kann eine reiche Gesellschaft ihre Wirtschaft so organisieren, dass Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden, ohne darauf angewiesen zu sein, immer mehr zu produzieren? Welche Systeme brauchen Arbeitsmarkt, soziale Sicherung und Bildung, um sich auf die Zukunft einzustellen? Und vor allem: Was wächst, wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst? Kann es andere Formen geben, Fortschritt zu messen, wenn nicht an der Vermehrung des Bruttoinlandsprodukts? Welches Ziel kann eine Gesellschaft haben, wenn Wirtschaftswachstum nicht mehr in der gewohnten Form möglich ist?

Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigen sich seit einigen Jahren österreichische und internationale Projekte im wissenschaftlichen wie politischen Rahmen – in OECD und EU denken eigene Projektgruppen über die Möglichkeit von Fortschritt jenseits quantitativer Wachstumsziele nach, an dem vom Lebensministerium initiierten Projekt „Wachstum im Wandel“ beteiligen sich auch Unternehmen und NGOs.

Mehr Lebensqualität ist auch ohne Wirtschaftswachstum möglich, wenn es gelingt, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Dazu gehört, Arbeit auf mehr Menschen zu verteilen, das Steuersystem umzugestalten und die soziale Sicherung so zu organisieren, dass das hohe, aber womöglich nicht weiter steigende Sozialprodukt bestmöglich verteilt wird. Für die Einzelnen heißt dies weniger Stress, möglicherweise kürzere Arbeitszeiten und mehr Zeit, eine gute Lebensqualität wirklich zu genießen.

Der Referent

* Friedrich Hinterberger leitet das Sustainable Europe Research Institute in Wien und ist an Forschungsprojekten beteiligt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung