Die Renditen wachsen auf der grünen Wiese

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Rumäniens fruchtbarer Boden war lange für niemanden von Interesse. Doch nur so lange, bis ausländische Geldgeber das große Geschäft witterten.

Im harten Licht der Mittagssonne sehen die winzigen Häuschen neben der ungepflasterten Straße noch mitgenommener aus. Eine Ziegenherde weidet auf dem kümmerlichen Rasen des Sportplatzes. Gänse laufen über den Schotterweg. Außer der Greisin auf einer Bank vor ihrem Heim ist keine Menschenseele zu erblicken. Die Ortschaft Carani im rumänischen Banat hat schon bessere Zeiten gesehen.

Arm ist aber bloß das Dorf Carani. Rund um die Siedlung erstreckt sich bestes Ackerland. Auf den riesigen Feldern wächst der Reichtum. Tiefgrün steht der Mais in Reih und Glied. Daneben dehnt sich ein endlos breites Sojabohnenfeld aus. Der größte Schatz der Äcker wird in diesen Tagen abtransportiert. Im Minutentakt rattern schwer beladene Fünfachser über die löchrige Landstraße und bringen Weizen ins Lagerhaus am Rande von Carani (siehe Bild). Heuer ist die Getreideernte so gut wie schon lange nicht ausgefallen. So gut, dass die Kapazität der neun Metallsilos nicht ausreicht.

Agrobusiness boomt

Lagerhaus, Silos und eine Mühle nach modernstem technischen Standard gehören zum Reich von Agri Concept. Das Unternehmen bewirtschaftet 35.000 Hektar Ackerland rund um Carani. Das ist mehr als zehnmal so viel wie die größten Landwirtschaftsbetriebe in Österreich. Agri Concept ist eine Tochterfirma des deutschen Aton Konzerns mit Sitz im hessischen Fulda. Einzige Eigentümer von Aton sind Lutz Helmig und seine Familie. Der ausgebildete Gefäßchirurg ist so etwas wie ein Spätberufener unter den Investoren. Er gründete in den achtziger Jahren die Helios-Kliniken. Im Jahr 2005, Helios war inzwischen zum größten privaten deutschen Krankenhausbetreiber gewachsen, verkaufte er das Unternehmen an den Fresenius-Konzern und bekam dafür eineinhalb Milliarden Euro. Mit einem Teil des Erlöses ging Helmig auf Einkaufstour. Er erwarb Technologieunternehmen, kaufte sich bei mehreren deutschen Luftfahrtgesellschaften ein, steckte Geld in einen maroden Baukonzern und beteiligte sich an einer Maschinenfabrik. Und er stieg in Rumänien in großem Stil ins Agrobusiness ein. "Ich suchte ursprünglich 10.000 Hektar, um Landwirtschaft zu betreiben und ein bisschen zu jagen", sagt er über seine Motive. Zum Jagen sei er in Rumänien bis jetzt noch nicht gekommen. Dafür ist er bereits der größte Investor in Westrumänien.

Es haben sich aber auch zahlreiche Österreicher in Rumäniens Landwirtschaft eingekauft. Und dies waren nicht nur bäuerliche Familienbetriebe, die schnell einmal ein paar Hundert Hektar Land erwarben. Auch zahlreiche Großinvestoren veranlagen hier gewinnbringend ihre anderswo verdienten Millionen. Es ist vor allem der Höhenflug der Agrarpreise, der in den vergangenen Monaten die Fantasien der großen Kapitalbesitzer beflügelt hat. An den Terminbörsen wird rege mit Mais und Weizen spekuliert. Investoren, darunter auch Pensionsfonds und institutionelle Anleger, kaufen seit einigen Jahren auch massenhaft Ackerland. Dieser Trend hat sich jetzt noch verstärkt. Besonders begehrt sind Flächen in Rumänien. "Hier wird derzeit mehr als je zuvor gekauft, bestätigt Hermann Wieser. Der Kärntner bietet mit seiner Beratungsfirma Wieser Consult österreichischen Geldgebern Unterstützung beim Aufbau von landwirtschaftlichen Projekten in Osteuropa. Dass ein Engagement in die rumänische Landwirtschaft Geldverdienen garantiert, haben vor allem dänische, holländische und deutsche Investoren genutzt.

Die neuen Bauern

Über ihren Einstieg in die Landwirtschaft reden die neuen Bauern nur sehr ungern. Verschlossen wie eine Auster zeigt sich etwa Erhard Schaschl. Der Haupteigentümer der Treibacher Industrie AG und frühere Wienerberger-Chef hat in der Region Arad 1500 Hektar Grund erworben und lässt ihn von einem luxemburgisch-schweizerischen Agrarkonzern bewirtschaften. Genaueres über sein finanzielles Engagement will er nicht preisgeben. Eine seltene Ausnahme unter den schweigsamen Investoren ist Andreas Bardeau. Der steirische Adelige hat in den vergangenen sechs Jahren 20.000 Hektar Grund in Rumänien gekauft und redet offen über sein Agrarimperium. Auf seinen Feldern wachsen Getreide, Sonnenblumen und Soja. In seinen Ställen werden 1200 Milchkühe gemolken und auf seinen Weiden grasen 15.000 Fleischschafe. 40 Millionen Euro hat die Bardeau Holding in Rumänien bisher investiert. Das Geld kommt ausschließlich aus der eigenen Familie. Es flossen auch die im Tourismus verdienten Millionen der spanischen Cousins von Bardeau nach Rumänien.

Im nüchtern eingerichteten Büro in Temeswar, von dem aus die Holding gesteuert wird, referiert der Graf die Unternehmenskennzahlen. An Landwirtschaft erinnern nur die Fotos mit den Traktoren und Mähdreschern, die an der Wand hängen. Und auch die großen Drucke von alten Landkatastern aus dem Banat sind nicht zu übersehen. Es sind Reproduktionen aus dem Grundkataster, den die Habsburger im 18. Jahrhundert für das Banat anlegen ließen. Diese Besitzaufzeichnungen erleichtern jetzt die Identifikation von Grundstücken und vermeiden Probleme bei Restitutionsforderungen. Problemen aus dem Weg gehen wollte Bardeau auch, indem er Eingriffe in die Dorfstrukturen zu vermeiden versuchte: "Wir sind dorthin gegangen, wo niemand hin wollte. In erster Linie an die serbische Grenze." Dann erklärt er, warum Rumänien für Investoren so attraktiv ist: "Nur hier kann man so große zusammenhängende Flächen kaufen." Außerdem gebe es in Rumänien noch immer viele brachliegende Äcker. "40 Prozent des bebaubaren Landes werden nicht bewirtschaftet."

Es sind die Felder der Mini-Landwirtschaften mit einer Größe von zwei bis fünf Hektar, die niemand mehr bearbeiten will. Sie sind ein Ergebnis der Privatisierung nach dem Sturz des Kommunismus. Die Erben entscheiden sich nach dem Tod der Besitzer in der Regel für das Nichtbewirtschaften oder Verkaufen. Auf diese Weise wurden im Banat in den neunziger Jahren zehntausende Hektar Ackerland von italienischen Investoren aufgekauft.

Hohe Wertsteigerungen

Da sei es aber nicht um Flächen für die Agrarproduktion, sondern um das Vorbeischleusen von Geld an der Steuer gegangen, wird gemunkelt. Diese Investitionen haben sich aufgrund der Wertsteigerung inzwischen mehrfach rentiert. Ende der neunziger Jahre lag der Preis für ein Hektar Ackerland in Rumänien bei 150 Euro. "Heute bezahlen Sie dafür 3000 Euro und mehr", weiß Hermann Wieser. Wer jetzt investiert, rechnet mit einer Wertsteigerung von 30 bis 40 Prozent im Jahr. Aber auch das Bewirtschaften wurde bald lukrativ. Vor allem seit klar war, dass sich die Dinge in Rumänien ernsthaft in Richtung EU-Mitgliedschaft entwickelten. Um die rumänische Landwirtschaft fit für den gemeinsamen Markt zu machen, legte die EU das Förderprogramm Sapard auf. Es subventionierte Investitionen in Maschinenpark und Gebäude mit bis zu 50 Prozent. Dazu kommen seit 2007 auch die Flächenprämien. Die sind zwar viel niedriger als in den anderen EU-Ländern - gegenwärtig werden pro Hektar etwa 90 Euro gezahlt -, doch der Förderregen intensiviert sich von Jahr zu Jahr. 2013 werden die Förderungen bei 200 Euro pro Hektar liegen.

Trotzdem sind auf den Megatrend Landwirtschaft bisher nur die Großinvestoren aufgesprungen. Die Rendite kommt offenbar erst mit der entsprechenden Größe. Schuld daran sind die Übel der Vergangenheit. "In diesem Land wurden zwei Generationen von der landwirtschaftlichen Betriebsführung ferngehalten. Man hat den Bauern die Gründe weggenommen und sie in Kolchosen gepresst. Natürlich haben die jungen Leute jetzt wenig Interesse an Landwirtschaft", erläutert Andreas Bardeau. Der Agrarinvestor mit österreichischen Wurzeln äußert sich aber auch zur jüngsten Wirtschaftsgeschichte Rumäniens kritisch, und meint, es seien Fehler gemacht worden. "Die Banken, auch die österreichischen, haben versagt. Statt rumänischen Kleinlandwirten Kredite zur Modernisierung und Vergrößerung zu geben, haben sie das Geld in Immobilien und in die Industrie gesteckt", kritisiert er.

Kleinkredite vonnöten

Geld gibt es meistens nur für die Großinvestoren. Die können Sicherheiten anbieten. "Wenn ein Landwirt drei Hektar besitzt, dann bekommt er vielleicht tausend Euro Kredit. Wie soll er da investieren?", ärgert sich Dietrich Reitzner. Der Wiener leitete von 1995 bis 2006 ein Schulungsprojekt für rumänische Landwirtschaftsberater, das von Österreich und Rumänien finanziert wurde. Die Probleme der rumänischen Landwirtschaft kennt er gut. "Unser Ziel war, Rumänien beim Aufbau einer bäuerlichen Landwirtschaft zu helfen." Die ist aber bis jetzt nicht entstanden. "Die rumänische Regierung agiert nicht immer planvoll. Es gibt keine nachhaltige, langfristig durchdachte Landwirtschaftspolitik."

Reitzner glaubt noch an die Möglichkeit, eine bäuerliche Landwirtschaft in Rumänien aufzubauen. "Derzeit sind 30 Prozent der Bevölkerung agrarisch tätig. Zwei Drittel von ihnen bewirtschaften Selbstversorgungsbetriebe. Wenn man es schaffen könnte, fünf Prozent dieser Selbstversorgungsbetriebe zu gesunden Familienbetrieben mit einer Betriebsgröße von 50 Hektar zu entwickeln, hätte man eine Basis."

Das wirkliche große Geschäft mit der Landwirtschaft steht aber erst am Beginn: nachwachsende Rohstoffe für die Energieerzeugung. Alle Experten sehen das Balkanland als idealen Produktionsstandort für Biosprit-Getreide. Und die Investoren schielen bereits auf die brachliegenden Flächen. "Diese 40 Prozent könnte man doch dafür verwenden", meint Bardeau. Landwirtschaft in Rumänien wird das große Abenteuer bleiben. Selbst wenn 2013 die EU-Förderungen auslaufen.

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