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Die schwierigen Agrarier

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Bauer sein, will man dem ständig Unruhe schürenden Bauernverband Glauben schenken, ist nicht nur kein Vergnügen mehr, sondern ein permanentes und aufreibendes Opfer für eine Konsumgesellschaft, die ihrerseits wiederum kein allzu großes Verständnis für die Sorgen und Nöte jenes Berufsstandes aufbringt, der einst Stolz und Selbstbewußtsein hatte, heute aber eher kritisch, manchmal sogar resignierend in die Zukunft blickt.

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Bauer sein, will man dem ständig Unruhe schürenden Bauernverband Glauben schenken, ist nicht nur kein Vergnügen mehr, sondern ein permanentes und aufreibendes Opfer für eine Konsumgesellschaft, die ihrerseits wiederum kein allzu großes Verständnis für die Sorgen und Nöte jenes Berufsstandes aufbringt, der einst Stolz und Selbstbewußtsein hatte, heute aber eher kritisch, manchmal sogar resignierend in die Zukunft blickt.

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Nur der Großbetrieb, die Agrarfarm, so ist immer wieder, spätestens aber seit der Veröffentlichung des „Mansholt-Planes“ zu hören, werden überleben und bestehen, stellen sie doch jene Bewirtschaftungsform dar, die Agrarplaner und Wissenschaftler liberaler oder sozialistischer Prägung mehr oder weniger als Agrarleitbil-der für die Zukunft preisen. Sicher, für die kleinen und mittleren Landwirte ist das Leben ohne Nebenerwerb schwierig geworden, aber auch die Vollerwerbsbetriebe haben Sorgen. Die ständige Abwanderung aus der Landwirtschaft — in den letzten 17 Jahren verlor die Urproduktion 473.000 Arbeitskräfte — zwingt zu steigenden Investitionen für Maschinen und Geräte, die aber nur während weniger Wochen des Jahres eingesetzt werden können. Eine Einkommensverbesserung über die Erhöhung der Agrarpreise ist aber infolge der angespannten Marktlage, charakterisiert durch ein wachsendes Ungleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch, kaum möglich. Der Weg über die Produktionsvermehrung — betriebswirtschaftlich unbedingt notwendig und gerechtfertigt — ist agrarpolitisch, vor allem bei Milch und Brotgetreide, unter Umständen auch 'bei Wein,j ebenfalls problematisch, wenn sich' nicht gleichzeitig ein regionaler Spe zialisierungsprozeß vollzieht. Es bietet sich aber für den bäuerlichen Familienbetrieb zur wirksamen Verbesserung seines Einkommens einmal die Senkung der Produktionskosten je erzeugter Einheit an, und zum anderen die Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Wichtig ist dabei, daß eine Verminderung des Faktorenverbrauches an Arbeit und Kapital erreicht wird. In diesem Zu-

sammenhang kommt auch allen überbetrieblichen Kooperations- und Koordinationsformen eine große Bedeutung zu, weil sie im agrarischen Bereich eine wirkungsvolle Kosten-degression ermöglichen. Die überbetriebliche Zusammenarbeit kann von der gemeinsamen Maschinennutzung über den koordinierten Holzverkauf bis zu den Siliergemeinschaften im Grünlandgebiet reichen.

Familienbetrieb prägt die Agrarstruktur

Wenn auch die Frage der Betriebsgröße infolge des technischen Fortschrittes und der zunehmenden politischen Integration, verbunden mit einer internationalen Arbeitsteilung, besonders aktuell ist, so darf trotzdem nicht vergessen werden, daß in der Landwirtschaft nicht nur alles, was groß ist, auch rentabel wirtschaften kann.

In Österreich sind 80 Prozent der Betriebe kleiner als 20 ha und bewirft schatten zusammen 26,4 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. In der EWG liegen 85 Prozent aller Betriebe in ihrer Größe unter 20 ha, bewirtschaften aber 45 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. In diesen Betriebagrößenklassen dominiert in'ganz Europa der bäuerlich* Familienbetrieb. Er hat seine kfB passungsfoiim an- die •versehiede-nen-sozialen Systeme ebenso unter Beweis gestellt, wie seine Leistungsfähigkeit. Der Bauer hat also eine Zukunft, wenn er alle Möglichkeiten der überbetrieblichen Integration sowie die Chancen einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Spezialisierung nützt.

Die österreichische Agrarpolitik bekennt sich nicht nur aus agrarwirt-schaftlichen, sondern vor allem aus

gesellschaftspolitischen Erwägungen zum modernen und leistungsfähigen bäuerlichen Familienbetrieb. Die Agrarpolitik kann zwar die bäuerliche Selbsthilfe, die vor der Staatshilfe zu stehen hat, nicht ersetzen, aber ergänze“ und fördern.

Wo bleibt das SPÖ-Agrarkonzept?

In diesem Zusammenhang muß aber auch der Kritik des Aligemeinen Bauernverbandes widersprochen werden, der immer behauptet, die Agrarpolitik der Regierungspartei sei wenig fortschrittlich. In Wirklichkeit wurden in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die der Landwirtschaft die Eingliederung in die wachsende Industriegesellschaft erleichtert. Das Landwirtschafts- und Marktord-nungsgesetz wurden durch bedeutende Strukturgesetze (Siedlungs-grundsatizgesetz, Besitzstrukturfonds) sowie durch das Arbeitsmarktförde-rungsgesetz, in dem die Landwirtschaft gebührend berücksichtigt ist, ergänzt. Schließlich sind die Schaffung des Weinwirtschaftsfonds und vor allem die Installierung einer dynamischen Bauernpension eindrucksvolle Zeugen einer zeitnahen und fortschrittlichen Agrarpolitik. Ergänzt wird dieses harmonische Gesetaespaket noch durch bedeutende Leistungen auf dem landwirtschaftlichen Bildungssektor und Maßnahmen im Rahmen der Raum-ordnungspolitik, welche für die Bauern unter anderem auch geeignete Nebenerwerbsmöglichkeiten schafft.

Weil die Agrarpolitik auch Gesellschaftspolitik ist, wird sich vor allem auch die SPÖ für ein klares agrar-politisches Leitbild au entscheiden haben, wöbet 'die Frage „Habder Bauer eine Zukunft?“ nicht umgangen werden kann. Die Gespräche der Sozialisten mit dem Allgemeinen Bauernverband machen die SPÖ agrarpolitisch nicht glaubwürdiger, wenn sie einerseits sehr konkreten und realistischen Forderungen des Bauernfoundes im Parlament die Zustimmung versagt, und anderseits einer klaren Antwort für oder gegen den Familienbetrieb ausweicht.

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