Die soziale Marktwirtschaft von morgen

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Während der Alpbacher Wirtschaftsgespräche erläutert Finanzministerin Maria Fekter ihre Wirtschaftspolitik.

In der westlichen Welt wurde die Marktwirtschaft bisher als das einzige global einsetzbare und nachhaltige Wirtschaftsmodell gesehen. Angesichts der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise wird dieses bisher als Universallösung geltende Leitbild immer mehr in Frage gestellt. Dazu Finanzministerin Dr. Maria Fekter im Interview.

F-Spezial: Sie selbst haben als erste Finanzministerin Österreichs schon jetzt Geschichte geschrieben. Sie setzen sich klar für die Entlastung des "Buckels“ der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein und scheuen sich auch nicht, alte Denkmuster aufzubrechen und neu zu gestalten.

Dr. Maria Fekter: Für mich gilt es, für die Zukunft Österreichs, Gesetze und Verordnungen genau darauf zu prüfen, ob sie noch zeitgemäß sind und wie man Vereinfachungen erreichen könnte. Mit der Senkung von Verwaltungslasten werden unnötige Hemmnisse und Belastungen aus dem Weg geräumt. Regulierung ist wichtig, Regulierung über das notwendige Maß jedoch wachstumsschädlich. Ich will den Mittelstand entlasten - also jene Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die schon jetzt die meisten Steuern zahlen und weniger Transferleistungen bekommen. Damit wäre das gesamte System gerechter und leistungsfreundlicher.

F-Spezial: Friedrich Hayek oder John Maynard Keynes?

Fekter: Die Lehren von Friedrich Hayek und John Maynard Keynes werden in Krisenzeiten immer gerne zitiert. Sich auf eine einzige Lehre zu stützen, davon halte ich nichts - denn jede hat ihre Stärken aber auch ihre Schwächen. Ich gehöre wohl eher zu den pragmatischen Typen. Im Hinblick auf die Geldpolitik erleben wir derzeit etwa sehr wohl, dass eine Vermehrung der Geldmenge Mitursache des Kollapses ist. Andererseits muss im Hinblick auf die Märkte geschaut werden, wie man den Kreislauf stabilisieren kann. Eine reine Angebot- und Nachfrage-Rechnung geht nicht auf. Da bin ich wohl auch typisch österreichisch und sozialpartnerschaftlich geprägt.

F-Spezial: Ist Soziale Marktwirtschaft auch in Zeiten der Krise das Allheilmittel? Kann das altbekannte Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ungefiltert aufrechterhalten werden oder sind Anpassungen an die aktuelle Situation notwendig?

Fekter: Die Soziale Marktwirtschaft kann kein starres Konzept sein. Sie findet sich ständig vor neuen Herausforderungen. Ihre Stärke liegt in der Flexibilität. Diese Anpassungsfähigkeit ist ihr Erfolgspotenzial - denn starre Konzepte sind in einer dynamischen Umwelt zum Scheitern verurteilt. So haben sich auch die Akzente der Wirtschaftspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg immer wieder - mehr oder weniger stark - in unterschiedliche Richtungen verschoben. Ich sehe nach wie vor die Stärken der Sozialen Marktwirtschaft. Notwendig dafür sind jedoch neue politische Wege, nachhaltige Strategien und tief greifende Reformen.

F-Spezial: Welchen Bestandteilen der Sozialen Marktwirtschaft messen Sie auch in Zukunft große Bedeutung zu?

Fekter: Unter Flexibilität verstehe ich nicht ständiges Intervenieren des Staates, sondern ständige Analyse, ob der Ordnungsrahmen noch passt, sowie eine Veränderung desselben mit ruhiger Hand und dies abseits von populistischem Aktionismus. In einer dynamischen Wirtschaft verschwinden und entstehen Unternehmen. Dies ist - wie es Schumpeter mit dem Begriff der schöpferischen Zerstörung schon sagte - eine der wichtigsten Quellen des Wohlstandes. Diese Dynamik hat innovative Produkte und Dienstleistungen hervorgebracht, die wir uns oft kurz davor kaum vorstellen hätten können. Denken Sie beispielsweise an die Apps-Industrie! Sie ist eine Erfolgsgeschichte und schafft fast täglich neue Arbeitsplätze und Berufsbilder.

F-Spezial: Das Bundesministerium für Finanzen wird immer mehr zum Nachhaltigkeitsministerium. Wie sehen Sie die Rolle der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der Sozialen Marktwirtschaft?

Fekter: Schon die ersten Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft erkannten umweltpolitische Eingriffe als notwendigen Teil der Wirtschaftspolitik. Bereits in den 1980er Jahren kristallisierte sich in diesem Zusammenhang der Begriff der "Ökosozialen Marktwirtschaft“ heraus, um die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes zu unterstreichen, der im Sinne kommender Generationen umwelt- und ressourcenschonendes Wirtschaften betont. Ich sehe eine solche Ausrichtung nicht nur als moralische Verpflichtung, sondern auch als eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft und Notwendigkeit an. Nur wenn wir heute schon klug und nachhaltig mit unseren Ressourcen - dazu gehört auch der öffentliche Haushalt - umgehen, können wir sie langfristig für kommende Generationen sichern.

F-Spezial: Hat Ihrer Meinung nach die EU auch in puncto Krisenmanagement Flexibilität im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft bewiesen?

Fekter: Die Herausforderungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Vor dem Hintergrund der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 1930 hat die Bundesregierung aber im Einklang mit den gesamteuropäischen Maßnahmen rasch und punktgenau reagiert und so Flexibilität bewiesen. Auf europäischem Level wurden und werden alte Verhaltensweisen aufgebrochen und Regeln an die aktuellen Herausforderungen angepasst: Zur künftigen Vermeidung instabiler Wirtschaftsentwicklungen in der Eurozone wurden neue Rahmenbedingungen für die nationalen Wirtschafts- und Budgetpolitiken (das sogenannte "Sixpack“) vereinbart, die heuer noch in Kraft treten und Ungleichgewichte jeglicher Form verhindern helfen sollen. Ein zentrales Element zur nachhaltigen Stabilisierung der Finanzmärkte ist die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Banken durch die neue Europäische Finanzmarktarchitektur. Der Euro-Rettungsschirm zur Abwehr von Spekulationen sowie die Einführung der Bankenabgabe, um die Risiken von Banken auf die öffentlichen Haushalte abzudecken, waren zwei weitere Lehren, die wir aus der Krise gezogen haben. Außerdem arbeiten wir auch an der Einführung einer allgemeinen Steuer auf Finanztransaktionen.

F-Spezial: Oft kommt Kritik auf, dass es in der heutigen Zeit keine klaren Spielregeln gibt, die für alle gelten, und so Wettbewerbsnachteile entstehen. Sehen Sie auch hier Potenzial in der Sozialen Marktwirtschaft?

Fekter: Die Marktwirtschaft basiert auf der Erkenntnis, dass Wettbewerb den Fleiß und Erfindergeist der Menschen zu immer besseren Ergebnissen anspornen. Leider reicht es manchmal nicht, nur gute neue Ideen zu haben. Wer nicht als etabliertes Unternehmen Zugang zum Kapitalmarkt hat, kann sich oft schwer tun, Innovationen erfolgreich umzusetzen. Deshalb unterstützt die EU kleine Unternehmen bei der Aufbringung von Risikokapital. In Österreich wird die Finanzierung von KMUs etwa über das Austria Wirtschaftsservice (AWS) unterstützt. Das halte ich für eine sehr sinnvolle und zukunftsträchtige Maßnahme. Dies auch deshalb, weil es als eine Art der Wettbewerbspolitik gesehen werden kann, wenn die Chancengleichheit zwischen großen und kleinen Unternehmen erhöht wird. Überhaupt sehe ich die Sicherung des Wettbewerbs als eine wichtige Aufgabe des Staates in der Sozialen Marktwirtschaft an.

F-Spezial: Trittbrettfahrer werden oft als Kritikpunkt der Sozialen Marktwirtschaft genannt. Wie sozial muss Soziale Marktwirtschaft wirklich sein?

Fekter: Obwohl die Ansätze vieler Vordenker durchaus unterschiedlich waren, so gab es doch immer einen gemeinsamen Nenner: Der Staat muss - auf die eine oder andere Weise - den Schwächsten in der Gesellschaft unter die Arme greifen. Für manche ist es erst das, was die Marktwirtschaft auch sozial macht.

Bestimmt gibt es einige, die die Unterstützung durch den Staat ausnützen. So etwas dürfen wir nicht tolerieren! Leider gibt es aber auch viel zu viele, bei denen die nötige Hilfe gar nicht oder zu spät ankommt. Wir leben in einer immer dynamischeren und unsichereren Wirtschaft, in der Erfolg und Scheitern oft nahe beieinander liegen. Ich sehe es daher als Aufgabe des Staates, Regeln und Abläufe deutlich zu vereinfachen, damit der Staat jenen, die auf Unterstützung angewiesen sind, schnell - punktgenau und zeitgerecht - unter die Arme greifen kann. Mit der Transparenzdatenbank setzen wir ein wichtiges und notwendiges Signal für mehr Transparenz bei staatlichen Förderungen und Sozialtransfers. Denn ich möchte Licht in den Förderdschungel Österreichs bringen und den Bürgerinnen und Bürgern bestmögliches und zielorientiertes Service bieten. 

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