7116367-1996_17_05.jpg
Digital In Arbeit

Die Tiger auf dem Sprung zur Eroberung der Welt

Werbung
Werbung
Werbung

Die zehn führenden Wirtschaftsmächte Asiens wiesen 1995 die höchste Wachstumsrate der Welt auf, 7,9 Prozent, während die westlichen Wirtschaften nur 2,1 Prozent erreichten. Das gleiche Verhältnis wird auch für die kommenden Jahre vorausgesagt. Ihre Importe erreichten 1995 bereits 784 Milliarden US-Dollars und formten damit ein viertes Zentrum des Welthandels, neben den USA mit 770 Milliarden, der Europäischen Union mit 736 und Japan mit 335 Milliarden Dollars. Diese neue Macht in Asien umfaßt Südkorea, China, Taiwan, Malaysia, Singapur, Thailand, Hongkong, Indonesien, Indien und die Philippinen. Während Japan zwischen 1990 und 1995 seine Importe nur um sechs Prozent steigerte, erreichten die neuen Riesen das Doppelte.

Die Energie des Wachstumsschubs produzierten vor allem die engverschworenen Auslandschinesen, die in Südostasien und über Hongkong bereits auch die angrenzenden Gebiete Rotchinas mit Investitionen beglücken. Die ideologische Basis bildet die Leistungsethik des Konfuzianis-mus, die den Familiensinn fördert und im Reichtum den Segen der Götter anerkennt. Wo sich der chinesische Genius voll entfalten kann, bilden sich die Tiger, die zum Sprung ansetzen für die Welteroberung.

Der Fortschritt zeigt sich besonders in acht grenzübergreifenden Ballungszentren, in denen jeweils drei oder noch mehr Begierungen strategisch die Kräfte bündeln. Das südliche Dreieck Sijori zum Beispiel umfaßt seit 1989 Singapur, den Staat Johor in Malaysia und die Provinz Riau in Indonesien, ein Gebiet von der Hälfte der Schweiz mit sechs Millionen Einwohnern. In fünf Jahren investierten

hier Private, vorwiegend Chinesen, fünf Milliarden US-Dollars, kaum behindert durch nationale Gesetzgebung, was schnelle Anpassung über die Grenzen hinweg erlaubt. Die Strategie bezweckt vor allem, von Urbanen Zentren aus das unerschlossene Hinterland zu modernisieren und die weitgehend fehlende Infrastruktur aufzubauen.

Darüber hinaus fordern die ehemaligen kommunistischen Länder in Indochina gewaltige Investitionen zum Aufbau. Der Zusammenbruch des in Hungersnot versinkenden Nordkorea läßt sich absehen und eröffnet ebenfalls große Möglichkeiten für seine Nachbarn. Die Schwellenländer waren zunächst vor allem auf japanisches Kapital angewiesen, bilden aber heute die meisten der für die Modernisierung erforderlichen

Summen aus eigener Kraft. Die sieben ASEAN-Staaten im Süden wickelten 1994 bereits 23 Prozent des Handels untereinander ab.

Welche Möglichkeiten sich hier eröffnen, läßt sich erahnen, wenn die Einfuhren von Südkorea allein die Hälfte von Frankreich erreichen. Absehbar ist der Tag, an dem die Importe dieser zehn Länder jene der EU und der USA zusammengerechnet übersteigen werden. Schon heute gehen die Impulse für das Wachstum der Industrieländer im wesentlichen von dieser Region aus. Eine Studie von Australien sieht voraus, daß China und Japan um 2015 gegen 28 Prozent des Welthandels bestreiten werden, gegen 13 Prozent um 1993.

Natürlich zeichnen sich schon heute Probleme ab, zu deren Studium und Lösung die Region noch keinerlei In-

stitutionen geschaffen hat. Es fehlt ein regionales Zentrum und eine Führungsmacht. Der Energiebedarf von Ol und Gas dürfte im nächsten Jahrzehnt schon um die Hälfte steigen. Seit 1993 muß sogar China, das bisher autark war, seine kargen Devisen für Energie-Importe aufwenden. Es baut heute schon seinen eigenen Volkswagen, nachdem es sich für den Ausbau der Straße statt der Schiene entschlossen hatte. Mit allen Nachbarn im Pazifischen Ozean streitet es um den Besitz einiger kleiner Inseln, unter denen Öl vermutet wird. Wenn einmal 200 bis 300 Millionen Autos auf den neu zu erstellenden Straßen rollen werden, muß China pro Tag sieben Millionen Fässer Öl verpuffen, was ungefähr dem heutigen Aufwand der USA entspricht. Die Bekämpfung der Pollution steht sowohl in der Industrie wie im Hausverbrauch erst in den Anfängen. Schon heute ist der saure Regen aus China in Japan an den Wäldern zu spüren.

Globale Herausforderung

Wie wird der Globus die Herausforderungen bestehen, wenn die zu Reichtum gelangenden Völker Asiens ihr gutes Recht um höheren Lebensstandard geltend machen werden? Vor wenigen Jahren konnte China noch acht Millionen Tonnen Getreide ausführen. Heute aber importiert es das Doppelte.

Lester Brown studierte die Probleme nur für China vom Standpunkt einer neutralen Umweltorganisation aus. Wenn China jedes Jahr, wie geplant, für jeden Einwohner 100 Eier mehr produzieren möchte, verzehren die 1,3 Milliarden He,nnen den gesamten Getreide-Anbau von Australien. Falls jeder Erwachsene nur drei Flaschen Bier im Jahr trinkt, benötigt dies die Ernte von Norwegen. Versuchte man, den gesamten Fischbedarf in Teichen zu produzieren - nach den in Japan entwickelten Methoden -, brauchte man zur Ernährung der Fische soviel Getreide, wie Indien pro Jahr produziert. Kämen die Fische aus dem Meer, würde China die gesamten Fänge der ganzen Weltflotte benötigen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung