"Die Verstaatlichte ist ungeeignet"

Werbung
Werbung
Werbung

Im Interview erklärt der Rechtssoziologe Nikolaus Dimmel von der Universität Salzburg, wie er den Staat in puncto Arbeitsmarkt von morgen in die Pflicht nehmen würde, und in welchen Bereichen die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen werden.

Die Furche: Herr Prof. Dimmel, wenn Christian Felber über eine "neue Wirtshaft" schreibt, ist das eine Sache, aber woher kommen künftig die Jobs?

Nikolaus Dimmel: Die zusätzlichen Jobs von morgen sind einerseits personale Dienstleistungen und andererseits Konzipistentätigkeiten. Die Hoffnungsmärkte sind Rechts- und Wirtschaftsdienste und soziale Dienstleistungen.

Die Furche: Was sind für Sie klassische Konzipisten?

Dimmel: Konzipisten liefern Know-how. Sie produzieren Pläne, Verträge, Problemlösungen. Konzipisten sind zum Beispiel CAD-Zeichner (Computer Aided Design; Anm.). Im Bereich dieser Kopfarbeiter schreitet die Flexibilisierung der Arbeit am schnellsten voran.

Die Furche: Wann kommt für Sie der Staat ins Spiel?

Dimmel: Das ist ein großes Konfliktfeld, da die Idee eines dritten Arbeitsmarktes derzeit vor allem als gemeinnützige Zwangsarbeit verstanden wird. In die Zwangsarbeit wird man hineingedrängt, weil man angeblich arbeitsunwillig ist oder die AMS-Maßnahmen nicht fruchten. Es gilt demgegenüber, Möglichkeiten einer regulären staatlichen Beschäftigung auszuloten. Man könnte sich einen dritten Arbeitsmarkt auch als ein Gefüge aus geschützten Werkstätten vorstellen.

Die Furche: Wieso wird staatliche Beschäftigung gebraucht?

Dimmel: Die Gruppe, die man als arbeitsmarktfern bezogen auf den ersten Arbeitsmarkt beschreibt, wird größer. Das sind Menschen, die aus körperlichen oder psychischen Gründen nicht in der Lage sind, einer regulären Beschäftigung nachzugehen. Für diese Personen stellt sich die Frage, ob es öffentliche Werkstätten geben kann, in denen man um einen existenzsichernden Mindestlohn sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein kann. Mittelfristig wird, wer beeinträchtigt ist oder nur einen Pflicht- oder Sonderschulabschluss hat, in den gefragten Dienstleistungsbereichen nicht reüssieren können.

Die Furche: Eignet sich hierfür der Kapitalismus?

Dimmel: Kapitalismus und ein dritter Arbeitsmarkt im Verständnis öffentlich organisierter Beschäftigung ist vereinbar. Ändern muss sich die Arbeitsmarktpolitik, die derzeit strikt auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt hin orientiert ist.

Die Furche: Der Staat als Arbeitgeber "reloaded" …

Dimmel: Das Modell der verstaatlichten Industrie ist für dieses Vorhaben nicht geeignet. Das lässt sich nicht sinnvoll für Personen reaktivieren, die man als nicht "job-ready" beschreibt. Es geht hier nicht um den Staat als Unternehmer, sondern um sinnvolle Maßnahmen, die die Gesamtkosten fehlender Beschäftigung reduzieren sollen.

Die Furche: Felber pocht in seinem Buch auch auf eine gerechtere Verteilung des Vermögens …

Dimmel: Es ist gesamtwirtschaftlich kontraproduktiv, wenn die Lohnspanne vom Arbeiter zum Geschäftsführer 1:30.000 beträgt. Unter den gegebenen Umständen fehlt es nicht nur am nachfragefähigen Einkommen, sondern vielen kleineren Betrieben auch am Kapital, mit dem Arbeitsplätze geschaffen werden können. 70 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe haben kein hinreichendes Eigenkapital. Und die Kosten für Fremdkapital explodieren. Die Betriebe, die die meisten Arbeitsplätze schaffen, wurden in eine Situation gedrängt, in der nur an Personalabbau zu denken ist.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

VERANSTALTUNGSHINWEIS

"Unser täglich Brot gib uns … MORGEN - Geht uns in einer globalisierten Wirtschaft die Arbeit aus?" Am Podium: Nikolaus Dimmel, Christian Felber u. a.; Ort: Pfarrzentrum, 2020 Hollabrunn, Freitag 18. April, 15.00 -21.30 Uhr; Infos unter: www.bildungswerk.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung