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Die Wiener Messe — ein Symbol der Freiheit

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Die österreichischen Messen erfüllten bisher wohl hauptsächlich ihren Zweck als Spiegel der österreichischen Wirtschaft. Und es muß als beachtenswerte Leistung anerkannt werden, daß es in so überraschend kurzer Zeit gelang, jene Zentren in ganz Oesterreich wieder einzurichten, die vor allem dazu dienten, nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 die abgerissenen wirtschaftlichen Fäden mit dem Ausland neu zu knüpfen. Alle Wirtschaftsschauen haben hier eine wichtige Pionierarbeit geleistet, sie haben wesentlich mitgeholfen, die Basis für unsere Freiheit, die Lebensfähigkeit Oesterreichs, zu festigen. Es ist daher auch verständlich, daß die Bundesregierung im wohlverstandenen gesamtwirtschaftlichen und gesamtstaatlichen Interesse alles.getan.hat,.die Durchführung dieser Veranstaltungen zu unterstützen.

Waren es aber bisher wirtschaftliche Aufgaben, die von allen österreichischen Messen erfüllt wurden, so gilt dies nach dem Abschluß des Staatsvertrages nicht mehr ausschließlich. Neben den wirtschaftspolitischen erfüllen nun alle Messen auch staatspolitische Hilfsfunktionen, zumal die periodische Demonstration der tatsächlichen Lebensfähigkeit unseres Landes gewiß nicht wenig zur Festigung unseres politischen Prestiges beitragen wird. Denn daß Verträge und Garantien fremder Staaten den freien und unabhängigen Bestand unseres Landes allein schon sichern, das wird Wohl kaum jemand annehmen. Wir müssen vielmehr die langersehnte Freiheit täglich durch die eigene Arbeit neu erkämpfen; nur solange wir das können, werden wir die staatliche Unabhängigkeit bewahren. Es ist darum so überaus wichtig, daß die wirtschaftliche Lebensfähigkeit Oesterreichs unerschütterlich ist, denn sie bildet die reale Grundlage für unsere gesicherte politische Existenz.

Wie sehr nun das wirtschaftliche Gedeihen in Oesterreich aber vom Außenhandel bestimmt wird, geht allein schon aus der Tatsache hervor, daß Ein- und Ausfuhr mehr als ein Drittel des gesamten Nationaleinkommens betragen. Dieser Hinweis zeigt die beherrschende Stellung des Außenhandels in unserer Wirtschaft und macht deutlich, mit welch hoher staatspolitischer Verantwortung alle handelspolitischen Entscheidungen in Oesterreich belastet sind.

Es gelang der österreichischen Wirtschaft, nicht zuletzt durch die Hilfe aus der westlichen Welt, die Produktion in einem solchen Ausmaße zu steigern, daß es möglich war, wieder im internationalen Wirtschaftsverkehr als Handelspartner aufzutreten. Oesterreich beteiligte sich auch in Erkenntnis der Notwendigkeit größerer regionaler Wirtschaftszusammenarbeit an den europäischen Wirtschaftsorganisationen, was schließlich zu einer weitgehenden Liberalisierung mit den OEEC-Staaten führte. Trotz dieser Maßnahmen blieb der österreichische Außenhandel durch 17 Monate aktiv. Erst die enorme Innenkonjunktur, die von den liberali-sierten Importmöglichkeiten übermäßigen Gebrauch machen ließ, führte neuerlich zu einem Passivsaldo im Außenhandel. Doch hatte diese Entwicklung nichts Bedrohendes, da mit dem Import ja auch der Export, wenn auch nicht in diesem Umfang, zugenommen hatte. Betrug das

Gesamtvolumen im Jahre 1950 noch 13,6 Milliarden Schilling, so dürfte es sich heuer etwa auf 40 Milliarden Schilling erhöhen. Daß der schockartige Impörtsog schon nachläßt, zeigt deutlich der ständige Rückgang des Importüberschusses. Es ist gelungen, durch eine Ausweitung des Exportes eine spürbare Steigerung der Ausfuhrwerte zu erzielen, ja diese erklommen sogar den bisher noch nie erreichten Monatshöchststand von 1576 Millionen Schilling im Juli 1955. Besonders erfreulich ist dabei der Umstand, daß die Importe im selben Zeitraum ohne handelspolitische Restriktionen sich um 12 Millionen Schilling niedriger als im Vormonat hielten, so daß das Handclsbilanzpassivum einen beachtlichen Rückgang gegenüber dem Vormonat um 67 Millionen Schilling aufzeigt. Somit ist erwiesen, daß unser Weg in der Handelspolitik von der richtigen Ueber-legung ausging, es werde gelingen, nach dem Liberalisierungsschock das Gleichgewicht im Außenhandel wiederherzustellen.

Freilich gilt nach wie vor unsere gesamte Aufmerksamkeit der Förderung des Exports, jedoch mit Gesetzen und staatlichen Hilfen allein werden wir kaum jene Höhe der Ausfuhr halten können, die für eine ausgeglichene Wirtschaft Oesterreichs unerläßlich ist. Gerade die großen Messen helfen hier, jene Gesinnung zu stärken, die mutig den Wettbewerb mit fremden Erzeugnissen aufnimmt! Erfolgreich verlaufene Messeveranstaltungen sind vielleicht wichtiger denn je, bieten sie doch besser als jede andere Gelegenheit durch die unmittelbar auf den Einzelmenschen einwirkende Vergleichsmöglichkeit die Gewähr, den traditionellen Fehler Oesterreichs — seinen Minderwertigkeitskomplex — bekämpfen zu helfen. Erst wenn in jedem Oesterreicher die Ueberzeugung gefestigt ist, daß die im eigenen Land erzeugten Waren in ihrer großen Mehrheit gegenüber ausländischen Produkten bezüglich Qualität und Preis gleichwertig sind, erst dann wird die Werbung auch jene Ueberzeugungskraft besitzen, die für den Erfolg entscheidend ist. Vertrauen zu sich selbst ist eben die Voraussetzung jeder positiven Werbewirkung. Andere Nationen sind uns hier weit voraus, sowohl was das persönliche beherzte Auftreten als auch was die eigentliche Werbung in Wort und Bild, Funk und Film betrifft.

Wenn die erste Wiener Herbstmesse im freien Oesterreich hinausstrahlt in die Welt und Zeugnis gibt vom wiedererstandenen Lebenswillen und der ungebrochenen Leistungskraft unseres Volkes im Herzen Europas, so erfüllt sie damit noch nicht ganz ihre hohe Aufgabe. Sie soll ebenso eindringlich vielen Landsleuten vor Augen führen, was wir gemeinsam zu leisten vermögen, damit die so häufig unbegründeten Zweifel an uns selbst der freudigen Gewißheit weichen, daß Oesterreich in Freiheit leben wird, wenn es nur will.

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