Die Zahlungsmoral sinkt immer mehr

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Heuer gibt es bereits um ein Drittel mehr Privatkonkurse.

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Heuer gibt es bereits um ein Drittel mehr Privatkonkurse.

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Die offensichtliche Leichtigkeit der Entschuldung über den Privatkonkurs wirkt sich auf die Zahlungsmoral verheerend aus, sagt Helmut Liegl vom Inkassoverband Österreich (IVÖ) bei eine Pressekonferenz in Wien. Die "Drohung", in den Privatkonkurs zu gehen, wenn der Gläubiger nicht sehr weit entgegenkommt, sei gang und gäbe. Daß es mit der Zahlungsmoral hierzulande bergab geht, bestätigt auch der Kreditschutzverband von 1870: Bis September dieses Jahres wurden 1.959 Privatkonkursverfahren eröffnet. Das ist um gut ein Drittel mehr, als im Jahr zuvor.

Viele junge Menschen betrachten Millionenschulden aus privatem Konsum als ein Kavaliersdelikt, dessen man sich durch einen Privatkonkurs relativ billig entledigen kann, berichtet Manfred Ratz, Präsident des IVÖ. "Die damit verbundene Prozedur bedenken sie nicht. Sieben Jahre das ganze Einkommen abzuliefern, ist kein Honiglecken. Das muß einer erst einmal durchhalten".

Der Privatkonkurs sieht zwei Verfahren vor: Beim Schuldenregulierungsverfahren mit Zahlungsplan hat der Verschuldete die Möglichkeit, innerhalb von maximal sieben Jahren rund ein Fünftel seiner Schulden in monatlichen Raten abzuzahlen.

Die zweite Möglichkeit ist das Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung. Hier muß der Schuldner für die Dauer von sieben Jahren alles, was er nicht unbedingt zum nackten Überleben braucht, zur Verfügung stellen.

Warum wird trotzdem nicht gezahlt? Eine Umfrage unter den Mitgliedern des ÖIV hat ergeben, daß bei drei Viertel der privaten Schuldner Jobverlust die Ursache für das Nichtbezahlen der Rechnungen ist. Ein Viertel ist nur vorübergehend knapp bei Kasse (Liquiditätsengpaß), ein gutes Drittel zahlt jedoch vorsätzlich nicht.

Bei gewerblichen Schuldnern können hingegen 75 Prozent wegen Überschuldung nicht zahlen. 80 Prozent nützen das Zahlungsziel aus und überschreiten es. Diese "kostenlosen Lieferantenkredite" gelten bereits als eigene Finanzierungsform. Ein Viertel zahlt auch hier ganz bewußt nicht seine Rechnungen. Tendenz hier wie dort stark steigend.

Das bedeutet künftig mehr Arbeit für die Inkassobüros. An diese wenden sich Kreditgeber, um zu ihrem längst fälligen Geld zu kommen. Die damit verbundenen Kosten sind vom Schuldner zu bezahlen.

Dagegen laufen die Konsumentenschützer Sturm, wie auch gegen die Tatsache, daß diese Dienstleistung unter Umständen mehr kosten kann, als etwa der Versuch über das Gericht zu seinem Geld zu kommen.

Inkassobüros beleuchten genau den Hintergrund des Schuldners. Das ist zeitaufwendig, führt aber auch öfter zum Erfolg, vor allem bei vorsätzlichen Nichtbezahlern. "Über die gerechtfertigten Kosten der Inkassoinstitute gibt es Übereinstimmung zwischen den Sozialpartnern, zudem sieht eine Verordnung Höchstbeträge für Provisionssätze und Vergütungen vor", weist Ratz den Vorwurf zurück.

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