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Digital In Arbeit

Die Zukunft hat schon begonnen

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Wir werden wegen der Ostkonkurrenz wieder mehr leisten müssen, prophezeien die anderen.Die Arbeit geht aus, fürchten die einen.

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Wir werden wegen der Ostkonkurrenz wieder mehr leisten müssen, prophezeien die anderen.Die Arbeit geht aus, fürchten die einen.

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REDAKTIONELLE GESTALTUNG: ELFI THIEMER

Vor kurzer Zeit noch hielt man es für selbstverständlich, daß der Arbeitslohn von Jahr zu Jahr wächst, daß es „die Kinder besser haben werden“ als man selbst, daß die Zukunft noch mehr Wohlstand bringt. Und natürlich auch mehr Freizeit. Heute steht „die Zukunft der Arbeit“ für viele ganz fundamental in Frage. Für Arbeitslose, für solche, die ihre Entlassung befürchten, beinahe jeder ist in Sorge um seinen Arbeitsplatz. Heute ist das Ziel der Wünsche und Hoffnungen, daß man genug Arbeit findet, auch zu bisherigen oder vielleicht sogar ungünstigeren Bedingungen.

35 Millionen Arbeitslose gab es 1993 in den westlichen Industrieländern, fast 20 Millionen sind in der Europäischen Union arbeitslos. In Österreich rechnet man heuer mit 250.000 Arbeitslosen, Tendenz steigend. Aber nicht nur die zahlenmäßige Zunahme alarmiert: auch bislang „sichere“ Beschäftigungen gehen sukzessive verloren. Ingenieure, Computerspezialisten, Manager bekommen den blauen Brief. Ganz zu schweigen von der hoffnungslosen Situation der über 50jährigen.

Ist das eine vorübergehende Krise? Wird es je wieder so werden wie früher? Haben wir nur eine der hin und wieder auftretenden, aber doch stets überwundenen Krisenperisoden? „Der postindustriellen Gesellschaft geht die Arbeit aus!“ ist ein geläufiger Slogan geworden.

Die Experten sind selbst unsicher. Modern ist es, auf die billige Konkurrenz in Osteuropa und Asien zu verweisen. „Ein indischer Software- Ingenieur leistet das, was sein amerikanischer oder deutscher Kollege leistet, um ein Zehntel dessen, was wir verdienen“, meint Professor Hans Pornschlegel, Arbeitswissenschaftler in Dortmund. Es sei nicht so, daß „der Gesellschaft“ die Arbeit ausgehe, sondern „uns geht die Arbeit zu bestimmten Konditionen aus“. Un-

sere Arbeitsmärkte seien verkalkt, Tarife und Machtstrukturen seien unbeweglich geworden, das Spiel von Angebot und Nachfrage sei stillgelegt, die Löhne seien tabuiert.

Andererseits seien die Produktivitätsvorsprünge zum Beispiel der Japaner in der Autoindustrie so groß geworden, daß man sie kaum mehr aufholen könne.

Aus etwas anderer Perspektive kommentiert Eberhard Ulich, Professor für Arbeitspsychologie an der Eidgenössischen Technischen Hochr schule (ETH) in Zürich: Die Lohnarbeit gehe uns auch deshalb aus, weil wir jahrzehntelang immer produktiver wurden: heute stellt man Produkte mit halb so viel Zeitaufwand her wie noch vor einigen Jahren; wie und wo soll man die verdoppelte Produktion problemlos absetzen können?

Das legt den Schluß nahe: Vollbeschäftigung wie gehabt wird es nicht mehr geben (Pornschlegel) - es gab sie nur infolge des gigantischen Nachholbedarfs, den der Wiederaufbau in der Nachkriegszeit mit sich brachte. Als er gesättigt war, ging man dazu über, für „produzierte Bedürfnisse“ zu produzieren, also für künstlich simulierte, weil nur so das Wachstum weitergehen konnte. Soll man also das Ende des Wachs-

turns proklamieren? Vorsicht, mahnt Pornschlegel. Wenn es gestoppt wird, führt das zu Engpässen bei der Finanzierung des Systems der sozialen Sicherung. Teile des Systems würden einfach wegbrechen.

Das Rezept, das zur Krisenbekämpfung empfohlen wird, skizziert Arbeitswissenschaftler Pornschlegel so: Produktivitätssteigerung mit dem Umstieg zu hochwertigen Dienstleistungen - dafür gebe es noch genügend unerschlossene Märkte. Große Chancen, analysiert Maria Hofstätter, Leiterin des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung in Wien, liegen dabei in den Bereichen Altenpflege, Gesundheit und Freizeitgestaltung, im Umweltschutzbereich, in der Gentechnik und Biologie, aber auch im Bereich Handel und Marketing. Obwohl die Werbebranche sehr hart umkämpft ist, sei die Nachfrage nach guter (internationaler) Produktpräsentation immer noch groß.

Ein Wermutstropfen dürfte aber unvermeidlich sein: die Senkung der Realeinkommen. „Ohne Senkung des Einkommensniveaus kommen wir ökonomisch nicht wieder auf die Beine“, meint Pornschlegel, „die Amerikaner verdienen heute schon zehn bis 15 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren.“

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