Dienstleistungen im Visier

Werbung
Werbung
Werbung

Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, wird derzeit verhandelt, welche Dienstleistungen in Österreich dem internationalen Handel geöffnet werden sollen.

Angeblich besteht kein Grund zur Sorge: Die Wasserversorgung stehe nicht auf der Liste - also keine Liberalisierung in diesem Bereich. Und in den anderen Dienstleistungssektoren, die von dem General Agreement on Trade in Services (GATS, siehe Kasten) betroffen sind, werde Österreich nur profitieren, Gefahren berge das Abkommen keine. Aussagen aus dem Wirtschaftsministerium, die die GATS-Gegner jedoch nicht beruhigen.

Der Vorwurf, dass unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werde, wird ebenso laut wie die Warnung, dass die Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen in anderen Ländern zu eklatanten Preiserhöhungen, im Gegenzug aber zu einer ebenso drastischen Qualitätsminderung geführt habe, egal, ob im Bereich Bildung (deren Freigabe die USA von der Europäischen Union fordert), Gesundheit oder eben Wasserversorgung.

GATS-Wochen

Daher laufen in Österreich unter dem von dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac initiierten Motto "Stopp GATS" mehr als vierzig Organisationen Sturm gegen die geplante Liberalisierungswelle durch die Welthandelsorganisation (WTO). Darunter neben Greenpeace und Global 2000 auch die Arbeiterkammer Wien, die Gewerkschaft und die Hochschülerschaft. Von 24. Jänner bis 2. Februar 2003 wird es in ganz Österreich zahlreiche Veranstaltungen geben, um die Bevölkerung auf das Abkommen und seine Folgen aufmerksam zu machen. Weltweit haben sich einige tausend Organisationen dem Kampf dagegen verschworen.

Derzeit sammelt Sektionschef Josef Mayer, im Wirtschaftsministerium für das GATS zuständig, von den Sozialpartnern, Ministerien und Standesvertretungen Stellungnahmen, welche Dienstleistungsbereiche in Österreich freigegeben werden sollen. Im Februar wird dann eine Liste mit Angeboten nach Brüssel geschickt, Ende März beginnen die Verhandlungen der WTO-Mitglieder. Informationen, welche Bereiche betroffen sein könnten, gibt es nicht. Auch die fertige Liste soll nicht veröffentlicht werden - weil "sonst über Dinge diskutiert wird, die noch nicht endgültig sind", wie Mayer in den Salzburger Nachrichten zitiert wird. Gegen den Vorwurf, es würden Geheimverhandlungen geführt, wehrt sich der Sektionschef im Gespräch mit der Furche trotzdem: "Das Interesse ist eben nicht so groß. Erst die öffentlichen Dienstleistungen sind jetzt ins Gerede gekommen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Österreich in öffentlichen Bereichen substanzielle Angebote machen wird." Speziell die Wasserversorgung werde eben sicher nicht in der Angebotsliste enthalten sein. Ebenso denke "derzeit niemand" an Angebote im Gesundheitsbereich.

Dass es dabei bleibt, kann sich der Attac-Sprecher Christian Felber nicht vorstellen: "Österreich wird in den Bereichen vielleicht keine Angebote machen. Aber dass es in den Verhandlungen damit durchkommt, kann ich mir nicht vorstellen. Das ist eine machtpolitische Frage." Zudem habe die EU von rund hundert Staaten die Freigabe der Wasserverteilung gefordert. Und was man von anderen fordert, müsse man auch zu geben bereit sein. Erfahrungen etwa aus Großbritannien, wo mittlerweile das Wasser von privaten Verteilern kommt, zeigten einen klaren Trend auf, wie Felber erläutert: Die Tarife hätten sich um 50 Prozent erhöht, gleichzeitig seien die Hepatitis A-Fälle um 200 Prozent gestiegen.

"Vampireffekt"

Felber ist überzeugt: "Alle Länder werden im Zuge der Verhandlungen etwas hergeben müssen, von dem sie ihrer Bevölkerung jetzt noch hoch und heilig versprechen, dass sie es nicht hergeben werden. Es werden alle verlieren."

Gewinnen werden laut Attac-Sprecher lediglich die großen Konzerne, denen neue Märkte eröffnet würden. Schließlich sei das langfristige Ziel des GATS die völlige Liberalisierung aller Dienstleistungen. Einmal begonnen, müsse der Grad der Liberalisierung laut Artikel 19 des GATS ständig erhöht werden. Was Mayer gar nicht bestreitet, aber: "Ob das in zehn, 15 oder 50 Jahren erreicht wird, ist eine Frage der Durchsetzbarkeit."

Die GATS-Gegner hoffen jedenfalls, dass es so weit gar nicht kommen wird: Sie setzen im Zuge der österreichweiten GATSWochen auf den "Vampireffekt". Felber: "Wir hoffen, dass das Abkommen zu Staub zerfällt, wenn es erst einmal das Licht der Öffentlichkeit erblickt."

GATS

Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) ist eine der Säulen der Welthandelsorganisation (WTO) mit dem Ziel, den internationalen Dienstleistungshandel zu liberalisieren: Ausländische Dienstleistungsanbieter sollen den inländischen gleichgestellt, Marktzugangsschranken abgebaut werden. Dem GATS unterliegen sämtliche Dienstleistungen, also Finanz-, Umwelt- und Kommunikationsdienstleistungen genauso wie etwa der Gesundheits- und soziale Bereich sowie Bildung. Ausgenommen sind einzig der Luftverkehr und Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden. Allerdings ist nur "hoheitlich" , was nicht zu kommerziellen Zwecken und nicht im Wettbewerb mit anderen Anbietern erbracht wird.

Als Basis der Verhandlungen, die im September 2003 bei der WTO-Ministerkonferenz in Cancun/Mexiko stattfinden, dienen Forderungs- und Angebotslisten: Jedes WTO-Mitglied hat den anderen Mitgliedern bereits eine Liste mit Forderungen nach der Liberalisierung bestimmter Bereiche vorgelegt, bis 31. März 2003 werden die nationalen Listen mit Bereichen, in denen Bereitschaft zur Liberalisierung besteht, erarbeitet. Österreich erstellt zwar eine eigene Liste, wird aber, wie alle EU-Länder, in den Verhandlungen durch die Kommission vertreten. In Bereichen, die ausschließlich der Zuständigkeit der Union unterliegen, gibt es eine gemeinsame EU-Position, in den Bereichen, die den nationalen Gesetzgebern vorbehalten sind, tritt die Kommission im Namen der einzelnen Länder auf.

Ziel ist es, im Jahr 2005 die erste Phase der Liberalisierung abgeschlossen zu haben. Danach soll es weitere Verhandlungen geben, um Bereiche, in denen bis dahin nicht liberalisiert wurde oder in denen noch Beschränkungen bestehen, zu öffnen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung