
"Disaster Girl" und „Nyan Cat“: Memes im digitalen Ausverkauf
GIFs, Tweets, Memes – der Kapitalismus 2.0 verleibt sich die letzten Reste der Internetkultur ein.
GIFs, Tweets, Memes – der Kapitalismus 2.0 verleibt sich die letzten Reste der Internetkultur ein.
Im Jahr 2005 machte der Amerikaner Dave Roth ein Foto seiner damals vierjährigen Tochter Zoë vor einem brennenden Haus. Die Familie hatte im Fernsehen mitbekommen, dass die Feuerwehr gerade eine Brandschutzübung in der Nachbarschaft durchführte. Also gingen sie raus, um dem Spektakel beizuwohnen. Die lodernden Flammen und das Löschfahrzeug geben eine schöne Kulisse her, dachte sich der Hobbyfotograf und bedeutete seiner Tochter, in die Kamera zu lächeln. Das Bild des diabolisch lächelnden Kinds vor dem Flammeninferno reichte er 2007 bei einem Fotowettbewerb eines Online-Magazins ein. Und dort machte das Foto eine steile Karriere: Zuerst wurde es in einem Hochglanzmagazin abgedruckt, dann landete es im Internet – und wurde in ganz anderem Kontext verbreitet.
„Disaster Girl“ als Meme
Nutzer tauschten den Hintergrund des brennenden Hauses mit anderen Katastrophen aus – zum Beispiel dem Hindenburg-Inferno oder dem Untergang der Titanic – und montierten das Gesicht des Kindes hinein. Das Meme „Disaster Girl“ war geboren. „Meme“: So nennt man digitale Artefakte, die man wie Sticker auf seine Pinnwand kleben kann. Zoë Roth wurde unfreiwillig zu einer Internetberühmtheit. Menschen erkannten sie im Restaurant, in Portugal wurde ihr Konterfei sogar auf eine Wand gepinselt. Sie habe die Sache nicht allzu ernst genommen, sagte Roth in einem Video, nur die Hitler-Vergleiche missfielen ihr.
Vor einigen Wochen hat die mittlerweile 21-jährige Studentin eine Originalkopie der ikonischen Fotografie für eine halbe Million Dollar verkauft – als non-fungible token, kurz NFT. Dahinter verbirgt sich ein fälschungssicheres Zertifikat, eine Art Besitzrechtekarte, die auf einer Blockchain hinterlegt ist. Die Blockchain ist ein dezentrales Dokumentationssystem, das man sich wie eine riesige Kassenrolle vorstellen kann. Mit dem Zertifikat erwarb Roth das Eigentum an einem viralen Internet-Hit. Nach dem Motto: Wenn ich schon mein Gesicht für Spaßbilder hergebe, will ich auch einen Anteil daran haben. Mit dem Erlös wolle sie ihre Studienkredite abbezahlen, sagte Roth, einen Teil wolle sie an Wohltätigkeitsorganisationen spenden.
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