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Digital In Arbeit

Droht im Jahr 2000 ein Chaos?

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Stellen Sie sich vor, Sie kommen am Montag, den 4. Jänner 2000 in Ihre Bank und wollen etwas in Ihren Safe legen. Doch als der Bankangestellte den Safe öffnen will, meldet der Computer: „An einem Sonntag dürfen Safes nicht geöffnet werden" und verständigt die Polizei. Zu solchen oder ähnlichen Verwirrspielchen könnte es kommen, würde man sich nicht schon jetzt intensiv mit dem Jahr 2000 in der Datenverarbeitung auseinandersetzen.

Die Vorgeschichte: In den Anfangszeiten der EDV-Entwicklung waren die Ressourcen knapp und teuer. Die Speicherkapazität des Chip einer Grußtelegrammkarte ist heute höher als jene der weltweiten EDV-Leitung im Jahr 1965. Man versuchte, jede mögliche Einsparung wahrzunehmen. Deshalb hat man sich in vielen Fällen auch dazu entschlossen, den Jahreszahlen im System nur einen Platz von zwei Stellen einzuräumen. Der zukünftige Jahrtausendwechsel wurde damals ignoriert, da man die Nutzungsdauer eines Computers auf ungefähr zehn Jahre schätzte.

Computer-Software, die also nicht Jahr 2000-tauglich ist, stellt am 1. Jan -ner 2000 von 99 auf 00 um. So arbeitet das gesamte System wieder im Jahr 1900. Für unser Reispiel mit dem Ranksafe bedeutet das: Der 3. Jänner 2000 wird als Sonntag identifiziert, obwohl er eigentlich ein Montag ist, und der Safe bleibt geschlossen.

Das Jahr 2000-Problem beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Rankenbereich. Betroffen sind alle computerunterstützten Bereiche, für deren Bearbeitung Jahreszahlen herangezogen werden. Programme für Lagerwirtschaft oder Buchhaltung eines Unternehmens müssen ebenso umgestellt werden, wie jene für die Bearbeitung der Sozialversicherungsnummern. „Es handelt sich dabei weniger um ein technisches Problem, als um ein organisatorisches", meint dazu Michael Binder zur Fl'RCHE. Er ist der Leiter des Projektes „Vorbereitung der EDV-Infrastruktur österreichischer Klein-und Mittelbetriebe auf den Jahrtausendwech-sel". Die Schwierigkeit liegt darin, daß sehr viele Akteure zur selben Zeit das selbe Problem haben werden. „Dieses Problem bricht jedoch nicht am 1. Jänner 2000 auf uns herein, sondern man kann seine Lösung planen", so Binder. Es ist also alles eine Organisationsfrage.

In Großunternehmen, die ihre Computer-Programme selbst entwickeln, laufen deshalb bereits Projekte zur Umstellung. „Bei uns arbeiten ungefähr 30 Mitarbeiter mit Unterstützung von außen an der Behebung des Jahr 2000-Problems", erzählt Karl Saemann von der Bank Austria. „Eine Gruppe wird schon den Jahreswechsel 1998-1999 parallel mit den echten Daten durchtesten." Bei der Zusammenstellung der Testmannschaften ergibt sich eine interessante soziale Perspektive: Gerade ältere Mitarbeiter, die über das notwendige Wissen und entsprechende Erfahrungen verfügen, können über „Jahr 2000-Projekte" wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden.

Bei Klein- und Mittelbetrieben besteht hingegen eine große Abhängigkeit von der Qualität ihrer Lieferanten. In einem Rundschreiben von Microsoft heißt es dazu: Microsoft beschäftigt sich mit den Einflüssen des Jahrtausendwechsels auf die Computerwelt und verspricht, 1997 die passenden Produkte bereitzustellen. „Ein öffentliches Register über Jahr 2000-taugliche Produkte wäre wünschenswert", fordern Robert Kromer und Gilles Chene in einer Studie, die sie im Auftrag des Rundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten durchführten. Aus Haftungsgründen und mangelndem Marktüberblick sei das aber kaum zu verwirklichen. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem drohenden Chaos sei jedoch besonders wichtig. Als Unterstützung wird das Wirt-schaftsförderungsinstitut Ende Jänner eine Rroschüre herausgeben.

Den Kostenaufwand für die weltweite Umstellung schätzt das US-Technologieberatungsunternehmen Gärtner Group auf 300 bis 600 Milliarden US Dollar. Das sind aber nur jene Kosten, die bei der rechtzeitigen Lösung des Problems anfallen. Saemann von der Rank Austria: „Wenn etwas nicht funktioniert, ist das nicht unser größtes Problem. Man bemerkt es und muß es beheben. Angst haben wir davor, daß alles scheinbar normal läuft, während der Computer jedoch etwas ganz anderes tut."

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