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Auf 1.200 Meter Seehöhe pflanzt ein Salzburger Bauer Bananen und Palmen an.

Im hellen Licht der Morgensonne glitzern die Blätter der Rhododendronsträucher, die sich links und rechts des Kiesweges erstrecken. Der schmale Alleeweg führt zu einem schmiedeeisernen Tor. Silbern leuchten die Blätter von Olivenbäumen, darunter strecken kleine Dattelpalmen ihre spitzen Blätter der wärmenden Morgensonne entgegen. Um das Haus stehen Zitronenbäume und in der Luft liegt der Duft von Rosmarin. Links und rechts breitet sich eine hochkultivierte, sensible Vegetation aus, wie man sie in einer mediterranen Landschaft erwartet.

Tatsächlich wandert der Betrachter aber nicht auf den Hügeln der Toskana, sondern steht auf 1.200 Seehöhe vor einem Bergbauernhof im Salzburger Lungau. In einer der kältesten Regionen Österreichs. Nur 4,7 Grad beträgt hier die Jahresdurchschnittstemperatur. Österreichisches Sibirien nennen die Einheimischen diese Gegend. Besonders die Kälteseen des oberen Murtales tragen dazu bei, dass der Bezirk Tamsweg berüchtigt für sein raues Klima ist.

Dass auf diesem Kältepol eine empfindliche Pflanzenwelt überleben kann, ist das Resultat der Arbeit eines unkonventionellen Landwirtes. Der 60-Jährige Sepp Holzer bewirtschaftet seinen "Krameterhof" nach Grundsätzen der Permakultur, einer in Australien entstandenen, alternativen Form der Landwirtschaft, die auf die Systemzusammenhänge der Vegetation besonderen Wert legt.

"Als Bub haben mich auf dem Schulweg immer die schwimmenden Käfer in den kleinen Wasserlöchern fasziniert", erzählt Holzer. Bald begann er sich auch für Fische zu interessieren. Mit bloßen Händen grub er einen kleinen Teich und setzte Forellen ein. Und im Sommer lockten im Wald die Erdbeeren. Er grub ein paar Pflanzen aus und setzte sie im elterlichen Garten ein. "Und dann habe ich bemerkt, dass die Erdbeeren besser wachsen, wenn ich die jungen Pflanzen auf einem kleinen Hügel zwischen Steinen pflanze. Das Ergebnis waren noch viel süßere Erdbeeren."

Experimentierfreudig

Die Eltern waren über die Neugierde des Sohnes nicht begeistert. Nach vielem Drängen des Sohnes überließ ihm der Vater aber ein kleines Beet, wo der Junge mit seinen Pflanzengemeinschaft experimentieren konnte. Als Sepp Holzer im Jahre 1962 den elterlichen Hof übernahm, hatte sich der 19-Jährige durch Beobachtungen ein enormes Wissen über biologische Zusammenhänge angeeignet. "Entdeckt habe ich das alles im Buch Natur", meint er rückblickend.

Was er als Jungbauer übernahm, war ein traditioneller Bergbauernbetrieb mit 20 Stück Rindvieh, ein paar Schweinen und Hühnern. Der Hof lag abseits, war nicht an das Straßennetz angebunden. Traktor gab es keinen, die komplette Arbeit wurde mit der Hand und mit ein paar Arbeitstieren erledigt. Holzer suchte nach alternativen Einkunftsmöglichkeiten.

Er legte Fischteiche an und wurde zum ersten Fischzüchter im Lungau. Er übernahm die Jagdpacht für eine mehrere hundert Hektar große Fläche und "verkaufte" den Abschuss des gehaltenen Wildes. Dabei fand er heraus, wie er die unangenehmen Wildschäden vermeiden oder wenigstens vermindern konnte. Indem er "Verbissgehölze" pflanzte, an denen das Wild seinen Hunger stillen konnte. Die Methode funktionierte: Von nun an wurden die Bäume vom Wild geschont.

Pflanzen ergänzen einander

Mehr und mehr widmete sich Holzer seinen Sonderkulturen. Das sind Pflanzengemeinschaften, die sich ohne menschliche Eingriffe selbst erhalten sollen. Der entscheidende Gedanke ist dabei: Die einzelne Pflanze, der Baum oder der Strauch, wird nicht isoliert gesehen. Entscheidend ist die ganze Pflanzengemeinschaft, das System.

Diese Zusammenhänge versucht auch die Permakultur, eine alternative Wirtschaftsform, in den Mittelpunkt zu stellen. Permakultur wurde in den siebziger Jahren von dem australischen Ökologen Bill Mollison entwickelt, der 1981 dafür den alternativen Nobelpreis erhielt. Mollison war es gelungen, in einer ungünstigen, extrem trockenen Gegend in Südaustralien eine Farm ohne den Einsatz externer Ressourcen zu bewirtschaften.

Möglich war das durch die Entwicklung von Pflanzensystemen, die sich gegenseitig ergänzen und stützen. Sparsamer Umgang mit Wasserressourcen und menschlicher Arbeitskraft ist dabei das oberste Prinzip. Daher wird bei der Permakulutur auf den jährlichen Bodenumbruch verzichtet. Kulturpflanzen mit einem zweijährigen Zyklus machen das möglich.

Eine Inspirationsquelle für Mollison war der tropische Regenwald. Dessen Artenreichtum ist ja nicht auf fruchtbare Böden zurückzuführen, sondern hat seine Ursache in der Effizienz des biologischen Systems. Licht, Wasser und vorhandene Biomasse wird bestmöglich genützt. Kein Wassertropfen, kein Gramm Biomasse und kein Sonnenstrahl gehen verloren.

Was Sepp Holzer auf seinem Hof in Salzburg macht, entspricht im wesentlichen den Prinzipien der Permakultur. Auch Holzer sagt: "Die Wechselwirkungen und die Symbiose zwischen den Pflanzen sind entscheidend." Er hat sein Konzept durch ständiges Herumprobieren entwickelt.

Ein wesentliches Ziel ist die Schaffung eines günstigen Mikroklimas. Holzer erreicht das vor allem durch künstliche Wasserflächen. Bis jetzt hat er auf seinem Hanggrundstück 72 Teiche angelegt. Damit erzielt er mehrere positive Wirkungen: Das schnelle Hinterunterfließen des Wassers wird verlangsamt. Damit wird nicht nur die Flüssigkeit länger auf dem Grund gehalten, sondern auch die Erosion verhindert. Und außerdem reflektieren die Wasserflächen das Sonnenlicht, was zur Erwärmung der Luft beiträgt. So nutzt Sepp Holzer die natürlichen Gegebenheiten aus und schenkt keinen Höhenmeter her. "Der Mensch soll die Natur lenken, sie aber nicht bekämpfen", lautet sein Credo.

Zum günstigen Mikroklima tragen noch zwei weitere Maßnahmen bei. Die empfindlicheren Pflanzen werden durch gestaffelte Anordnung vor dem kalten Wind geschützt und erhalten andererseits durch die gut durchdachte Konzeption sehr viel Sonnenlicht. Die Wärme wird noch zusätzlich durch Steine gespeichert. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Auf dem Krameterhof werden noch im Dezember Radieschen geerntet. Und auch der Spargel gedeiht in den Bergen auf 1200 Meter genau so gut wie im warmen Klima des Marchfeldes.

Obstbäume auf der Alm

Ein anderer Schwerpunkt von Holzers Arbeit sind die Bäume. Zwischen die Fichten und Föhren des Nadelwaldes setzt er Obstbäume: Kirschen, aber auch Birnen, Äpfel, Pfirsiche und Marillen.

Auch dabei geht er unkonventionell vor. Zuerst lässt er umgeschnittene Fichtenstämme auf dem Boden verrotten, sie sollen Feuchtigkeit für die neuen Kulturen spenden. Dann bringt er in die feuchte Erde Regenwürmer ein. Und am Schluss werden in der heißen Jahreszeit, mitten im Sommer, die Obstbäume eingepflanzt. "Die Blätter der jungen Bäume sind komplett dürr. Aber trotzdem wäre es ein Fehler, sie zu gießen. Der Baum ist selbst intelligent genug. Er schaltet auf Überleben um", erklärt Sepp Holzer.

Eingesetzt werden von ihm besonders billige Bäume. Ausschussware, die in den Baumschulen für das Verschreddern bestimmt ist. Die kosten nicht viel und sind außerdem widerstandsfähiger. Geschnitten werden Holzers Bäume grundsätzlich nicht. Damit erspart er sich Arbeit. Und bei der Schneelast im Winter brechen nur die überflüssigen, schwachen Äste, während die wichtigen Triebe erhalten bleiben.

1988 kaufte Holzer dafür von den Bundesforsten eine 7,5 Hektar große unproduktive Fläche. Einst eine Fichtenmonokultur, nun eine Rodungsfläche. Dort pflanzte er Obstbäume, um die wüste Fläche wieder zu beleben und den Hang zu stabilisieren. Lob erhielt er dafür von der Behörde nicht. Im Gegenteil. Von der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg setzte es eine Anzeige. Delikt: "Waldverwüstung und forstfremde Nutzung". 30.000 Schilling Strafe musste Sepp Holzer für sein Vergehen, Obstbäume auf einer Alm anzupflanzen, bezahlen.

Es war nicht der einzige Strauß, den der unkonventionelle Landwirt mit der Bürokratie auszufechten hatte. Die Behörde drangsalierte ihn immer wieder mit Anzeigen und brachte ihn durch die Verzehnfachung des Einheitswertes - begründet mit der "gärtnerischen Nutzung der Landwirtschaft" - in wirtschaftliche Bedrängnis. Die Agrarexperten von den Fachschulen und Universitäten traten jahrelang gegen Holzers Methode auf.

Mittlerweile hat er sich aber durchgesetzt. Viele ökologisch Aufgeschlossene besuchen jedes Jahr den Krameterhof und lassen sich von dessen Artenreichtum inspirieren. Auch auf Tagungen zum Thema Nachhaltigkeit ist Sepp Holzer inzwischen ein gefragter Redner. Und für einige Grundbesitzer hat er bereits Konzepte für die Umgestaltung ihres Betriebes in Richtung Permakultur entwickelt.

Trotz Erfolgs und Anerkennung ist Sepp Holzer aber ein "Agrarrebell" geblieben. Noch immer sind die Behörden für ihn ein rotes Tuch, und die Experten und Fachautoren verachtet er grundsätzlich. "Den Bücherschreibern geht es gar nicht um die Sache, sondern nur um ihr Geschäft", schimpft er. Und er kritisiert den Verlust von Erfahrung und praktischem Wissen in der Landwirtschaft.

Widerstand gegen EU-Joch

Die Bauern hätten sich widerstandslos in das Joch der EU-Bürokratie spannen lassen. "Sie laufen wie die Lemminge hinter den Förderungen aus Brüssel her", lautet das vernichtende Urteil über die Berufskollegen. Das Hoffen auf Rezepte von außen habe die Bauern apathisch gemacht. Und außerdem seien Konzepte, die von anderen entwickelt wurden, fast immer unbrauchbar.

Holzer vertraut statt dessen auf die eigene Kraft und Phantasie. Und wenn er einmal nicht weiterweiß, dann lautet sein Rezept: "Frag den Baum, nicht den Professor!"

Näheres siehe:

www.krameterhof.at.

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