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Ein Alleingang ist möglich

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Energie ist zu billig und wird daher nicht sparsam genug verwendet. Okosteuern könnten da Abhilfe schaffen. Eine deutsche Untersuchung befürwortet ihre Einführung.

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Energie ist zu billig und wird daher nicht sparsam genug verwendet. Okosteuern könnten da Abhilfe schaffen. Eine deutsche Untersuchung befürwortet ihre Einführung.

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Seit mindestens 20 Jahren wird über die sich verschlechternde Umweltsituation geklagt, werden Alarmsignale registriert, gibt es in regelmäßigen Abstände politische Erklärungen zur Sicherung der Umwelt. Bisher hat sie sich allerdings meist darauf beschränkt, entstandene Schäden zu sanieren.

Was fehlt, sind Weichenstellungen, die das Entstehen der Schäden verhindern. Die Wirtschaft müßte Anreize bekommen, sich im eigenen Interesse umweltgerecht zu verhalten. Da die weiterhin steigende Umweltbelastung stark von dem zunehmenden Energieverbrauch verursacht wird, erscheint es naheliegend, hier anzusetzen. Das bedeutet: Verteuerung der Energie durch ihre höhere Besteuerung.

Denn billige Energie ermöglicht große Stoffumsätze und damit einen hohen Ressourcenverbrauch. Außerdem belasten Erzeugung und Verbrauch von Energie die Umwelt auch direkt: durch Emissionen, Erzeugung von Wärme, von radioaktivem Abfall, und so weiter. Wird Energie aber teurer, so lohnt sich der Einsatz energiesparender Technologie: Technische und organisatorische Maßnahmen zum Energiesparen, die bisher zu teuer waren, werden rentabel. Energiesparender technischer Fortschritt rechnet sich leichter.

Die Idee, Energie zu besteuern und sie und damit alle Produkte und Leistungen, die mit hohem Energieaufwand bereitgestellt werden, zu verteuern, ist nicht neu. Neu ist je doch eine Studie, die zeigt, daß ein solcher Weg in Deutschland beschritten werden könnte - und zwar im Alleingang —, ohne daß schwerwiegende, negative Folgen für die Wirtschaft zu befürchten wären. Erarbeitet wurde dieses Gutachten nicht von grünen Utopisten, sondern vom „Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung“ (DIW).

Von welchen Grundannahmen ging das DIW bei seiner Untersuchung aus? Fossile (nicht jedoch erneuerbare) Energieträger und Elektrizität seien mit einem einheitlichen Steuersatz nach ihrem Energiegehalt zu besteuern. Europarechtlich stehe der Einführung einer solchen Verbrauchsteuer nichts im Wege, merken die Autoren der Studie an. Der Steuersatz für Energie sollte jährlich um sieben Prozent erhöht werden. Das würde innerhalb von zehn Jahren Benzin um 24 Prozent verteuern, Strom für Haushalte um 46, für die Industrie um 96 und Heizöl für Haushalte um 73 Prozent.

KOMPENSATIONSZAHLUNGEN

Kaum hört man von solchen Preissteigerungen in einem Land, denkt man voll Sorge an die internationale Konkurrenzfähigkeit. Damit diese nicht gefährdet ist, muß die Einführung der Energiesteuer begleitet sein von finanziellen Kompensationen in der Höhe des zusätzlichen Steueraufkommens.

Ökologische Steuern sollen ja einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen und sinnvolle Umstrukturierungen hervorrufen, nicht aber die Steuereinnahmen erhöhen. Unternehmen und Haushalte sollen durch die Steuerreform in ihrer Gesamtheit nicht stärker als vorher belastet werden.

Da die Arbeitslosigkeit derzeit sehr hoch ist, gehen die Berechnungen des DIW davon aus, daß die Kompensation an die Unternehmen in Form verringerter Beiträge zur Sozialversicherung zu leisten wäre. Die Entschädigung für die Haushalte könnte grundsätzlich in zwei Varianten erfolgen: in Form einer Senkung des Mehrwert-Steuersatzes oder der Auszahlung eines Pro-Kopf- Betrags (Öko-Bonus). Dieser Variante wird in der Studie der Vorzug gegeben, weil Veränderungen der Mehrwertsteuer nur im Einvernehmen mit der EU möglich sind.

Welche Auswirkungen prognostiziert das DIW nun für die einzelnen Wirtschaftsbereiche unter diesen Voraussetzungen nach zehnjähriger Laufzeit dieser Politik? Zu einem starken Überhang der Belastungen im Vergleich zu den Kostenverringerungen kommt es überwiegend bei der Grundstoffindustrie: bei Eisen und Stahl (19 Prozent), Chemischen Erzeugnissen (6,9), Nicht-Eisen-Me- talle (5,4), Steine, Erden und Baustoffe (5,4). Geringere Nettobelastungen sind in Bereichen der Verbrauchsgütererzeugung und im Verkehrssektor zu erwarten.

Am anderen Ende der Skala rangieren die Dienstleistungen, in denen die Einsparungen überwiegen (rund drei Prozent Kostensenkung). Aber auch der Maschinenbau und die Elektrotechnik können mit — wenn auch geringfügigen - Verbesserungen rechnen. So stehen wirtschaftlichen Sektoren, die mit Konkurrenznachteilen zu rechnen haben werden, andere gegenüber (vor allem die eher arbeitsintensiven), deren Kostensituation sich verbessert. Da die Steuern nicht von heute auf morgen eingeführt würden, ergäbe sich für die Unternehmen ein einigermaßen ausreichender Spielraum, um Anpassungsmaßnahmen zu setzen.

Was die Entwicklung des Gesamtpreisniveaus anbelangt, so wird mit einer zusätzlichen Steigerung von 1,3 Prozent in zehn Jahren gerechnet, also mit einem durchaus vertretbaren Anstieg von etwa 0,1 Prozent pro Jahr.

STEIGENDE BESCHÄFTIGUNG

Wie würde sich die Ökosteuer aber auf andere Kenngrößen auswirken? Diese Frage ist noch schwerer zu beantworten, als die nach den Folgen auf das Preisniveau. Die Antwort hängt nämlich von den Annahmen ab, die man für die begleitenden Maßnahmen trifft. Hier hat das DIW verschiedene Varianten durchgespielt. Die Ergebnisse werden in Abweichungen zum erwarteten Verlauf des wirtschaftlichen Geschehens ohne Einführung der Öko-Steuer berechnet: Die Beschäftigung sollte nach zehn Jahren um 1,1 bis 2,8 Prozent höher liegen. Beim realen Bruttoinlandsprodukt schwanken die Erwartungen zwischen -0,2 und +1,6 Prozent, bei den Löhnen und Gehältern zwischen 1,8 und 5,3 Prozent. Die öffentlichen Haushalte sollten (vor allem durch den Anstieg der Mehrwertsteuer) mit einer Defizitverringerung von 9,5 bis 14,3 Milliarden Mark rechnen können.

Und der Energieverbrauch? Hier prognostiziert das DIW: „Trotz eines gesamtwirtschaftlichen Wachstums von knapp 40 Prozent kommt es zwischen 1990 und 2010 zu einer Abnahme des Energieverbrauchs um 21 Prozent gegenüber 1990... “

Bleibt die Frage: Wie sozialverträglich ist die Einführung der Regelung, geht sie auf Kosten der finanziell Schwachen? Die Antwort: „Die Berechnung ergibt, daß Haushalte mit einem ... Einkommen bis 4.000 DM netto entlastet werden.“

Insgesamt also ein äußerst positives Bild. Gibt es also keine ernstzunehmenden Probleme? Sie zeichnen sich am ehesten in Regionen ab, die stark von der Grundstoffindustrie geprägt sind, weil hier unweigerlich mit Strukturanpassungen zu rechnen ist. Für solche Gebiete bedarf es einer geeigneten Regionalpolitik, die aus den zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen auch finanziert werden kann.

Zusammenfassend hält das DIW fest: „Nach den Ergebnissen der Studie geht von der ökologischen Steuerreform kein nachteiliger Effekt für die Volkswirtschaft aus. Sie kann und sollte deshalb auch im nationalen Alleingang durchgeführt werden...“ Für Österreich kann man mit ähnlichen Ergebnissen rechnen, wie auch eine vor Jahren durchgeführte Untersuchung von Hans Aubauer und Gerhart Bruckmann ergab. Daher wäre es wünschenswert, wenn in der nächsten Legislaturperiode geeignete Schritte zur Energiebesteüe- rung gesetzt würden.

Näheres siehe:

„Ökosteuern - Sackgase oder Königsweg?“ Ein Gutachten des DIW im Auftrag von „Greenpeace“

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