Ein Anti-EU-Wahlkampf

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Es hat schwach begonnen, nun ist das trübe Spiel auf Sanktionenniveau gesunken.

Nun ist der EU-Wahlkampf also endgültig gekippt: Waren schon die bisherigen Kampagnen der Parteien von Inhaltsleere bis populistischer Dummheit geprägt, so haben wir nun Sanktionenniveau erreicht.

Vor zwei Wochen wurde in dieser Zeitung das erfreulich seriöse, weit über dem Parteidurchschnitt liegende Profil der Kandidaten der vier Parteien gewürdigt. Wenn man davon ausgeht, dass die Einschätzung richtig war und sich die handelnden Personen in der kurzen Zeit nicht wesentlich geändert haben, so muss man sagen, sie haben sich im bisherigen Wahlkampf samt und sonders unter ihrem Niveau verkauft oder verkaufen lassen: Was soll das Ressentiments schürende Agieren der SPÖ ("Denkzettel-Wahl", "Unser Wasser"), das etwa auch Johannes Voggenhuber für "verhängnisvoll" hält? Was dürfen wir uns unter dem Anspruch der VP, Österreich "stark (zu) vertreten", vorstellen? Ist es das Gelbe vom Ei, die politischen Gegner buchstäblich als Karikaturen vorzuführen - überdies nicht jene, die zur Wahl stehen, sondern Mitglieder der Bundesregierung? Und der an sich qualifizierte Umweltexperte Hans Kronberger lächelt hilflos-verlegen von den Plakaten mit den ihn umgebenden dümmlich-plumpen Sprüchen in bester FP-Tradition.

Das alles ist schon ziemlich unerfreulich gewesen. Dann aber wurde von der FPÖ der Brief des Hannes Swoboda aus dem März 2000 an die EU-Parlamentarier ausgegraben - und seither sieht, um es positiv zu formulieren, Hans-Peter Martin mit seinen Spesengeschichten wieder ziemlich alt aus. Die FPÖ versucht eben einmal mehr, dem ganzen Land die Kategorien von "Landesverrat" und "Patriotismus" aufzuzwingen, und die ÖVP duldet stillschweigend oder unterstützt sanft. Die SPÖ hat in ihren ersten Reaktionen versucht, den Inhalt des Briefes gewaltsam umzudeuten, nun geht sie in die Gegenoffensive und will am 13. Juni über den "politischen Stil" der Regierungsparteien abstimmen lassen.

Dabei wäre es relativ einfach: Swobodas Brief ist ein weiterer Beleg dafür, dass Opposition und regierungskritische Kreise Verständnis bis Sympathie für die Maßnahmen der EU-14 im Jahr 2000 hatten und dies auch öffentlich bekundeten. Wie es Swobodas Naturell entspricht, sticht sein Schreiben freilich hier keineswegs hervor, es zeichnet sich vielmehr durch einen verhaltenen, moderaten Tonfall aus. Aber - und auch daran gibt es nichts zu deuteln - es signalisiert Zustimmung zu jenen Sanktionen der Vierzehn, die in politischer und strategischer Hinsicht ein schwerer Fehler waren und vom moralischen Standpunkt aus betrachtet den eigenen hehren Prinzipien, dem "europäischen Geist" Hohn sprachen. Die Fakten sind bekannt, in der Bewertung der damaligen Ereignisse gibt es mittlerweile einen einigermaßen breiten Konsens, und die Reste an Differenzen sowie die unverrückbaren Standpunkte an den Rändern des politischen Spektrums werden auch jetzt nicht wegzudiskutieren sein.

Vor allem dürfte es jetzt nicht das Thema der EU-Wahl sein. Was die EU daraus lernen konnte, hat sie, so scheint es, gelernt. Die vitalen Zukunftsfragen der Union sind andere. Von denen freilich ist nicht oder kaum die Rede. EU-Verfassung? Wertedebatte bzw. europäische Identität? Solches zu thematisieren, will man den Bürgern offenbar nicht zumuten. Besonders deutlich wird dies an der Türkei-Frage. Sie wurde von den Spitzenkandidaten beantwortet, bevor noch vom Publikum überhaupt die Frage richtig verstanden geschweige denn erörtert wurde. Ja, es gibt gute Gründe, einer Mitgliedschaft der Türkei in der EU ablehnend oder zumindest skeptisch gegenüber zu stehen: die schiere Größe des Landes, wirtschaftliche Probleme - vor allem aber (im weitesten Sinn) kulturelle. Die Eilfertigkeit indes, mit der die vier Kandidaten der Parlamentsparteien sich, wenn auch unterschiedlich akzentuiert, auf eine ablehnende Haltung festlegten, muss nachdenklich stimmen: Hier wurde einer vermuteten Stimmung Rechnung getragen, statt dass man versucht hätte, das Problem zu thematisieren, zu erklären, worum es geht und worum nicht und sich um die notwendigen Zwischentöne zu bemühen. Eine Nicht-Debatte als Symptom für den Wahlkampf als ganzen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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