Ein Berater schreitet zur Tat und lässt Österreich sprechen

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Für den deplorablen Zustand der Politik nennt Matthias Strolz - Organisationsentwickler, Leadership-Coach und Politikberater - zahlreiche Ursachen: Diese reichen von der "Jagd nach Stimmen“ über die "zwiespältige Gesellschaft“ bis zu den Problemen "medialer Verwertungslogik“ und "wirrer Komplexität“ in der Lösung von Sachfragen innerhalb des Ordnungsmodells Demokratie. Angesichts sinkender Integrations- und Gestaltungskraft der zwei großen politischen Lager wurde er Teil der Initiative "Österreich spricht“, die am 16. Mai ( www.oespricht.at) in Innsbruck und in Wien erste Bürgerräte abhält.

Die Furche: Was darf man sich darunter vorstellen?

Matthias Strolz: Ein neues Format, das in einigen Ländern erfolgreich genutzt wird, um Politik mit neuen Ideen zu versorgen. Bürgerinnen und Bürger bringen unter professioneller Moderation ihrenVerstand und ihre Lebenserfahrung zu ausgewählten Themen ein. Mischen wir uns ein in unsere Angelegenheiten. Alle Bürger sind eingeladen, mitzumachen.

Die Furche: Ist das System so abgeschottet?

Strolz: Die Parteien halten sich jegliche Innovation vom Leib. Sie haben viel an Irritation innerhalb des Systems, die ÖVP etwa mit den Landesorganisationen und den Bünden. Aber weil sie über Jahrzehnte Innovation nicht zuließen, sind sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die großen Bundesparteien haben diese Anpassungsleistung einfach nicht erbracht. Die Landesparteien hingegen sind etwas fitter.

Die Furche: Ausgangspunkt Ihres Buches ist der Vertrauensverlust der Politik. Besteht nicht die Gefahr, dass Sie den Falschen, also den Populisten Rückenwind verschaffen?

Strolz: Das stimmt. Aber unsere Botschaft ist positiv: "Wir lieben Politik!“ Wir greifen als "Österreich spricht“ zuerst das Thema "Transparenz und Korruption“ auf. Wir haben Mandatare und Funktionäre angeschrieben, sich bei unserer Aktion "Saubere Hände“ als sauber zu deklarieren. Wir halten die große Mehrheit der Politikerinnen und Politiker natürlich für integer. Die Aktion ist etwas scharf, das räumen wir schon ein.

Die Furche: Welchen Ratschlag geben Sie den Parteien?

Strolz: Rundumerneuerung. Vor allem der SPÖ und der ÖVP. Wir brauchen eine vitale Sozialdemokratie, eine bürgerliche Kraft mit Vitalität. Ich habe das Zweite Vatikanum vor Augen: Die Fenster öffnen, frische Luft in die Räume lassen. Eine Erneuerung an Haupt und Gliedern wagen. Das sind schmerzhafte Prozesse, die muss man ernsthaft anlegen und dann über Jahre hinweg mit Kontinuität betreiben. Dafür scheint es den Parteien an Entschlossenheit zu fehlen, auch an Know-how. Es fehlt ihnen die Perspektive.

Die Furche: .. und das Personal?

Strolz: Es kommen kaum neue Leute in das politische System. In der ÖVP habe ich gute und kompetente Persönlichkeiten kennengelernt. Aber das System ist so verfahren, dass sich selbst gute Leute nicht entfalten können. Das muss man strukturell sehen. Das System ist einfach falsch angelegt. Als Staatsbürger erwarte ich mit davon nicht mehr allzuviel. Außer die großen Parteien schaffen eine grundsätzliche Erneuerung. Die gelingt wohl nur, wenn von außen extremer Druck kommt. Aber die Parteien verstehen keinen Druck außer Machtverlust. Darum muss man die Machtfrage stellen.

Warum wir Politikern nicht trauen

Von Matthias Strolz, Kremayer & Scheriau, 2011.

224 Seite, geb., e 21,90

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