Ein griechischer Macho kämpft für das Recht

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Jede Stadt hat neuerdings ihren Krimi-Kommissar, Athens Brunetti heißt Kostas Charitos.

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Jede Stadt hat neuerdings ihren Krimi-Kommissar, Athens Brunetti heißt Kostas Charitos.

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Einmal Krimi, immer Krimi - und das gilt nicht mehr nur für den Sommer. Jede Stadt braucht einen Kommissar, heißt die Devise der Verlage, und alle schielen nach Venedig. Jetzt hat auch Athen nachgezogen, und der türkische Grieche Petros Markaris hat seinen ersten Fall für Kostas Charitos vorgelegt.

Um heute sich und seinen Ermittler aus dem bereits Bekannten herauszuheben, sind schon besondere Vorlieben vonnöten. Markaris wählte einen steinigen und gefährlichen Weg in den Zeiten der political correctness, denn sein Kostas entspricht so gar nicht dem Bild, das wir uns gern und ohne schlechtes Gewissen von den Kämpfern für das Gute und Wahre machen: Er ist ein Macho. Wie er mit seiner Frau umgeht, darob verdüstert sich sogar die Sonne über dem Olymp. Frauen seien gewarnt, kein Mord kann schlimmer sein als der Alltag mit Kostas, und jeder Frau sollte die Geschichte seiner Ehefrau Adriani eine Lehre sein, wie weit es kommt, wenn Frauen keinen Beruf haben und nicht nur um das Haushaltsgeld, sondern auch um jedes Paar neue Stiefel betteln müssen.

Der Beginn des Krimis ist mehr als eine Herausforderung. Seine Philosophie schneidet tiefer als geschliffener Stahl: "Die erste Phase des Familienlebens ist durch die Freude am Zusammensein gekennzeichnet. Die zweite Phase durch die Freude am eigenen Kind. Die dritte und längste besteht nur aus Rachefeldzügen. Wenn man so weit gekommen ist, weiß man endgültig, dass man im Hafen der Ehe eingelaufen ist und sich nichts mehr ändern wird." Doch nicht nur Frauen seien gewarnt, Männer könnten in der Figur eine Bestätigung für Machogelüste finden, die zu zeigen nicht mehr angebracht ist. Wer kann dieses Buch also ruhigen Gewissens lesen? All jene, für die Schwarz-Weiß zwar in der Fotografie ein interessantes Ausdrucksmittel ist, die sonst jedoch auf Zwischentöne Wert legen, denn zwischen Gut und Böse gibt es so viele Abstufungen wie es Nuancen von Grau gibt.

Eine graue Maus ist Kostas keinesfalls, so viel dürfte bereits klar sein. Kostas war während der Militärdiktatur auch bei Folterungen anwesend und weiß, wie man Menschen brechen und demütigen kann, und diese Zeit hat ihn deformiert. Keiner kann sich aussuchen, in welcher Zeit er lebt. Doch keiner muss so bleiben, wie er ist, Veränderungen sind möglich. Dafür reicht freilich ein Buch nicht aus, und dies ist das angenehme an diesem Krimi: Kostas ist am Ende seines ersten Falles nicht geläutert, wenn wir auch - Leserinnen wie Leser - Kapitel für Kapitel doch auch liebenswerte Seiten an ihm entdecken. Für seine Tochter täte er alles, doch es scheint fast so, als wäre damit sein Gefühlshaushalt bereits erschöpft. Er bleibt am Ende ein rauher Felsbrocken und hält sich nicht zurück, nimmt keine Rücksichten, was "man" sagen darf und was nicht. Mit seiner Frau wird er weiter streiten und sie werden sich wochenlang aus dem Weg gehen, bis die gefüllten Tomaten als Friedensangebot serviert werden. Immerhin kommt er zu einer Einsicht, nämlich, dass er mit seiner vorschnellen Einschätzung von Menschen ziemlich falsch gelegen ist. Dies betrifft sein heimliches und nie ausgesprochenes Schimpfwort für seinen engsten Mitarbeiter und seine Klassifizierung von Journalistinnen.

Dieser Kommissar hat also trotz allem eine Zukunft, denn er entspricht so gar nicht dem feinen Getue des Bildungsbürgertums und der Einheitskultur der Wohlmeinenden. Bei so viel modischer Gleichförmigkeit wird die Gegenwelt wieder interessant. Es muss ja nicht gleich die Gosse sein, die Zwischenwelten sind gefragt, und in einer dieser Zwischenwelten lebt Charitos und mit ihm nicht wenige seiner Leser.

Kostas ist übrigens nicht nur ein Macho, sondern auch kein besonderer Freund von Ausländern. Als ein albanisches Ehepaar ermordet wird, scheint die Sache klar zu sein, ein Mord aus Rache, was sonst, auf alle Fälle aber eine Zumutung. Fast auf einer Stufe mit den Ausländern stehen für den Kommissar die Journalisten, diese Aasgeier des Alltags in seinen Augen. Eine von dieser lästigen Sorte Mensch ist Janna Karajorgi, die Reporterin von Hellas Channel, die in ihrem TV-Bericht plötzlich ein Kind erwähnt, das jedoch noch nicht gefunden worden sei, womit sie Kostas vor laufender Kamera bloßstellt. Kurze Zeit später wird sie im Schminkraum ihres Studios ermordet. Auch ihre Nachfolgerin lebt nicht lange. War es bloß ein Mord aus gekränkter Liebe? Und in welchem Zusammenhang stehen die Morde an den beiden Journalistinnen mit dem toten albanischen Ehepaar? Wer fürchtet die Ergebnisse der Recherchen?

Kostas findet den Mörder, deckt einen wohlorganisierten Kinderschmuggel auf, entdeckt die Machenschaften von wohlbestallten Kommunisten und ist am Ende doch bemüht, einen Teil der Wahrheit zu verschleiern. Dass er zur Lösung des Falles auch die Hilfe eines Widerstandskämpfers und Folteropfers in Anspruch nimmt, dem er vor Jahren im Gefängnis geholfen hat, mag vielleicht schon zuviel des Guten sein. Es trägt aber mit dazu bei, Athen mit einem anderen Lokalkolorit zu erleben, für das nicht nur die Farben der Postkarten Verwendung finden. Kostas aber wird weiter ermitteln und es wird ihn in absehbarer Zeit auch ans Meer verschlagen.

HELLAS CHANNEL Ein Fall für Kostas Charitos Roman von Petros Markaris Diogenes Verlag. Zürich 2000.464 Seiten. geb. öS 328.-/e 23,84

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