Ein Kanalnetz von Privaten betrieben

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Weil den Gemeinden die Kläranlagen zu teuer kommen, geht man in Niederösterreich einen neuen Weg. Erstmals überläßt die öffentliche Hand den Bau und den Betrieb der Abwasserreinigungsanlage einem privaten Unternehmen. Eine Vorbildwirkung für ganz Österreich?

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Weil den Gemeinden die Kläranlagen zu teuer kommen, geht man in Niederösterreich einen neuen Weg. Erstmals überläßt die öffentliche Hand den Bau und den Betrieb der Abwasserreinigungsanlage einem privaten Unternehmen. Eine Vorbildwirkung für ganz Österreich?

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Jene Gemeinden, die demnächst eine Kläranlage errichten wollen, blicken gespannt auf Ernsthofen im niederösterreichischen Mostviertel. Dort wird das in Österreich bislang einzige Modell einer privat-öffentlichen Partnerschaft - von Experten auch "Private-Public-Partnership" (PPP) genannt - erprobt. Bisher wurden alle Abwasserreinigungsanlagen von den Gemeinden selbst gebaut und betrieben. Weil dies langfristig zu teuer kommt, tut sich jetzt die öffentliche Hand erstmals mit einem privaten Unternehmen zusammen.

Der Spatenstich für die Ernsthofner Anlage erfolgt diesen Sommer. Dem Entschluß waren monatelange Diskussionen um die Privatisierung der Siedlungswasserwirtschaft vorangegangen. Wegen seiner Vorbildwirkung wird das Vorhaben vom Institut für Finanzwissenschaften und Infrastrukturpolitik der Technischen Universität Wien begleitet.

Das Pilotprojekt umfaßt ein 30 Kilometer langes Kanalnetz und wird eine Abwassermenge entsorgen, die dem von 3.000 Einwohnern entspricht. Die veranschlagten Gesamtkosten liegen bei 197 Millionen Schilling. Die Finanzierung unterscheidet sich nicht von anderen Abwasserreinigungsanlagen: 60 Prozent der Kosten übernimmt der Bund, 15 Prozent das Land, den Rest die Gemeinde Ernsthofen, deren Bürger 30.000 Schilling für den Anschluß und 5.500 Schilling pro Jahr als Benützungsgebühr bezahlen.

Bonus-Malus-System Neu ist die Verbindung von öffentlicher Finanzierung und privater Abwicklung. Der Gemeinde gehört die Errichtungs- und Betriebsgesellschaft zu 51 Prozent. Sie behält damit die Kontrolle über das gesamte Projekt. Die operative Geschäftsführung ist Sache des privaten Partners "Ökoreal - Öko Audit Umweltmanagement", der an der Betriebsgesellschaft mit 49 Prozent beteiligt ist. Ernsthofens Bürgermeister Josef Saffertmüller erwartet sich von der Aufgabenteilung eine effizientere Abwicklung und in der Folge niedrigere Kosten: "Die Gemeinde spart sich dadurch viel Geld. Jetzt trägt der private Unternehmer das Risiko."

Spannend ist die Frage, ob das Ganze für Ökoreal ein wirtschaftlicher Erfolg sein wird. Denn mit dem privaten Partner wurde ein sogenanntes Bonus-Malus-System ausgemacht. Das bedeutet: Unterschreitet die Firma die festgelegten Zielwerte (Baukosten von 175 Millionen Schilling und Bauzeit von fünf Jahren), bekommt sie von der öffentlichen Hand einen Zuschuß. Kann das Unternehmen die Vereinbarung nicht einhalten, muß es der Gemeinde einen Teil der Baukosten erlassen. Je länger also gebaut wird, desto teurer kommt es dem Betreiber. Karl Rohrhofer, Chef von Ökoreal: "Ich blicke auf eine lange Erfahrung im Kanalbau zurück und halte das Risiko für kalkulierbar."

Ökoreal bekam nach einem langen Ausleseverfahren den Zuschlag. Zunächst ging die österreichische Kommunalkredit AG, die im Auftrag des Umweltministeriums die Fördergelder für den Siedlungswasserbau verwaltet, über eine öffentliche Ausschreibung auf Interessentensuche. Von 23 Bewerbern entsprachen 12 den strengen Kriterien (Erfahrungen im Abwassersektor und im Projektmanagement, Nachweis von einschlägigen Förderungsabwicklungen etc.). Nur drei Unternehmungen gelangten letztlich in die engere Wahl und wurden zu einem Hearing nach Ernsthofen eingeladen. Bernhard Sagmeister von der Kommunalkredit ist überzeugt, daß die Gemeinde Ernsthofen mit Ökoreal für die Bürger "die ökonomisch besten Resultate" erzielen wird. Außerdem leiste man durch die Inbetriebnahme einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserentsorgung einen wesentlichen Beitrag zum Gewässerschutz.

Auch für Umweltminister Martin Bartenstein hat das Ernsthofner Modell Vorbildcharakter: "Wenn es sich bewährt, werden wir natürlich weitere solche Projekte unterstützen." Mehrere Gemeinden hätten schon ihr Interesse bekundet. Gegenwärtig könnten zahlreiche Siedlungswasserprojekte wegen akutem Geldmangel nicht realisiert werden: "Wir haben eindeutig einen bundesweit bestehenden Förderungsstau", klagt der Minister. 1997 gaben die österreichischen Gemeinden stolze 25 Milliarden Schilling für Wasserver- und Abwasserentsorgung aus, was 14 Prozent der Gesamtausgaben der Gemeinden entspricht. Davon fielen 18,5 Milliarden auf die Abwasserreinigung. "Viele Gemeinden sind deswegen hoch verschuldet. Mit der Einbindung privater Partner werden sie finanziell entlastet", unterstreicht Bartenstein.

Ein riesiger Markt Die immense Investitionstätigkeit im Siedlungswasserbau hat einen einfachen Grund: Österreich hat alle Hände voll zu tun, um die strengen EU-Richtlinien zu erfüllen. Brüssel verpflichtet alle Mitgliedsstaaten, für geschlossene Siedlungsgebiete von 2.000 bis 15.000 Einwohnern bis zum Jahr 2006 eine Kanalisation mit Abwasserbehandlung zu errichten. Für mehr als 15.000 Einwohner zählende Orte läuft die Frist schon am 31. Dezember 2000 aus. Kein Wunder, daß Bartenstein sich für öffentlich-private Partnerschaften einsetzt. Der Minister warnt davor, die Bedeutung des Siedlungswasserbaus für die Gesamtwirtschaft zu unterschätzen: "Dieser Bereich boomt wie nie zuvor. Damit sichert man in der Baubranche einen Milliardenmarkt, der Bevölkerung Tausende Arbeitsplätze und natürlich sauberes Wasser."

Der Autor ist freier Journalist.

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