Tunnel - Licht am Ende des Tunnels. Das kann auch eine Bankverbindung sein. - © Foto: stockphoto

Ein Konto gibt Hoffnung

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Ein Konto zu haben ist keine Selbstverständlichkeit. Ohne geregeltes Einkommen bekommt man keines - und somit auch keine Arbeit. Die Armutsspirale dreht sich immer schneller. "Die Zweite" schafft Abhilfe.

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Ein Konto zu haben ist keine Selbstverständlichkeit. Ohne geregeltes Einkommen bekommt man keines - und somit auch keine Arbeit. Die Armutsspirale dreht sich immer schneller. "Die Zweite" schafft Abhilfe.

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Unser Engagement hat nichts mit "corporate social responsability" zu tun. Wir sind dafür gegründet worden, so etwas zu tun, und das ist unsere verdammte Pflicht und sonst nichts", betont Andreas Treichl, Vorstandsvorsitzender der Erste Stiftung. 5,8 Millionen Euro hat die Stiftung der Erste Bank für die Zweite Sparkasse bereitgestellt. Die Erste Bank hat auch die Haftung für die "Zweite" übernommen, damit die Tochterfirma eine Banklizenz bekommen konnte.

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Die Zweite Sparkasse sieht sich als "Bank für alle Menschen ohne Bank", das sind alle Menschen mit niedriger Bonität, die bei einem "normalen" Bankinstitut kein Konto mehr bekommen. Also Menschen, die bereits eine Privatinsolvenz hinter sich haben oder auf der "schwarzen Liste" anderer österreichischer Banken stehen.

Nicht geschäftsfähig sein

Mehrere tausend Menschen allein in Ostösterreich sind für die Banken in diesem Sinn "nicht geschäftsfähig". Christa Tschaska ist eine von ihnen: Die 57-jährige Behindertenbetreuerin hat sich bei ihrer Arbeit an der Wirbelsäule so schwer verletzt, dass sie ihren Beruf nicht mehr weiter ausüben kann. Drei Jahre nach der Kündigung musste sie Privatkonkurs anmelden. "Das war sehr bitter, aber es ist einfach nicht mehr anders gegangen", erzählt die Wienerin.

Ohne Bankverbindung hat man als Jobsuchender bei einem Vorstellungsgespräch allerdings kaum eine Chance. Ohne Bankverbindung werden die selbstverständlichsten Geldgeschäfte wie Daueraufträge von Strom und Gas zu scheinbar unüberwindbaren Hindernissen.

"Die "Zweite Sparkasse" ist eine konkrete Hilfe für viele Menschen", sagt Caritas-Präsident Franz Küberl. "Die betroffenen Menschen, denen mit diesem Angebot geholfen wird, verfügen teilweise nur über zwei Euro pro Tag! Für sie ist das Leben zum Hochseilakt ohne Sicherheitsnetz geworden."

Sozial tätig werden

Die "Zweite Sparkasse" arbeitet eng mit der Schuldnerberatung und der Caritas zusammen. Seit der Gründung vor vier Monaten gibt es 430 Kunden. Betreut werden sie von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Erste Bank. 180 haben sich bereits gemeldet und spezielle Schulungen bei der Caritas und der Schuldnerberatung absolviert. Ein Drittel der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Zweiten Sparkasse sind Pensionisten. "Ich wollte immer schon sozial tätig sein", sagt zum Beispiel Philipp Altenburg. Er arbeitet seit sieben Jahren bei der Erste Bank und war von der neuen Bank sofort begeistert. "Manche Kunden erzählen mir und meinen Kollegen gleich beim ersten Beratungstermin ihre Lebensgeschichte", berichtet der 40-jährige Bankangestellte. "Von der Caritas und der Schuldnerberatung bekommen wir selbstverständlich keine Informationen. Unser Job ist ja auch die professionelle Beratung in Geldangelegenheiten."

Manche Kunden erzählen mir und meinen Kollegen gleich beim ersten Beratungstermin ihre Lebensgeschichte

Franz Karl Prüller

Die erste Filiale der "Zweiten Sparkasse" befindet sich im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in der Glockengasse Nummer drei. Die Mitarbeiter der "Zweiten Sparkasse" informieren die Kunden über die Produkte der Bank, ein Girokonto und ein Sparkonto. Das Girokonto ist ein "Haben-Konto", das bedeutet, dass eine Überziehung nicht möglich ist. Neun Euro kostet das Konto pro Quartal, am Ende der Geschäftsbeziehung erhält der Kunde diese "Bearbeitungsgebühr" unverzinst zurück. Bankomatkarte, Kontoauszüge, Eröffnung und Verwaltung von Dauer-und Einziehungsaufträgen sowie Internetbanking sind in diesem Preis inkludiert. Das zweite Produkt ist ein Aufbaukonto, ein Sparkonto, das mit 1,625 Prozent pro Jahr höher verzinst ist als das Girokonto. Für den Inhaber fallen keine Gebühren an.

Stabilität ermöglichen

Franz Karl Prüller ist als Programmdirektor für Soziale Programme der Ersten österreichischen Spar-Casse-Privatstiftung für die Bank verantwortlich: "Es geht darum, Menschen, die keinen Zugang zu einer Bank haben, die Möglichkeit zu geben, Stabilität und Sicherheit in ihre finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zu bringen." Für den Wiener Caritasdirektor Michael Landau ist das Projekt ein Meilenstein: "Ich halte dieses Projekt für einen echten Durchbruch. Den Menschen wird konkret geholfen, indem potente Wirtschaftsexperten ihnen maßgeschneiderte Produkte aus ihrem ureigensten Bereich anbieten." Landau hofft auf zahlreiche Nachahmer solcher konstruktiven Kooperationen zwischen Wirtschaftsunternehmen und sozialen Einrichtungen. Der Wiener Caritasdirektor erinnert auch daran, wie "erschreckend rasch" Menschen und Familien in dramatische Armutssituationen kommen können.

Für die Kunden wie Christa Tschaska ist das Konto bei der "Zweiten Sparkasse" ein wichtiger Schritt zur wirtschaftlichen und sozialen Re-Integration: "Jetzt geht's mir besser", sagt die ehemalige Behindertenbetreuerin. "Trotz einer geringfügigen Beschäftigung hat sich meine finanzielle Situation zwar nicht entspannt, aber durch die regelmäßigen Beratungstermine und die Möglichkeiten des Kontos habe ich mich erfangen."

Die Wiener Städtische hat eine lange Tradition des sozialen Engagements und ist auch immer zu dieser Verantwortung gestanden.

Günter Geyer

Vergangene Woche wurde das Angebot für die Kunden der "Zweiten Sparkasse" um eine wichtige Facette erweitert: Durch die Kooperation mit der Wiener Städtischen Versicherung sind alle Kunden jetzt zusätzlich auch gratis unfallversichert und haben Anspruch auf eine kostenlose Rechtsberatung. Die Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz rund um die Uhr von bis zu 50.000 Euro bei Invalidität und sichert die Angehörigen bei Ableben durch Unfall mit 5000 Euro ab. Zusätzlich kann für drei Euro im Monat eine Haushaltsversicherung abgeschlossen werden. Der kostenlose Basis-Versicherungsschutz der Wiener Städtischen beginnt gleich am Tag nach der Kontoeröffnung bei der "Zweiten Sparkasse". Bestehende Kunden werden über dieses Zusatzangebot informiert. "Die Wiener Städtische hat eine lange Tradition des sozialen Engagements und ist auch immer zu dieser Verantwortung gestanden", sagt der Vorstandsvorsitzende der Versicherung, Günter Geyer. Diese Tradition des sozialen Engagements der Wiener Städtischen reicht bis ins Gründungsjahr 1824 zurück. Unter den damaligen Gründungsmitgliedern der "Wechselseitige k.k. privaten Brandschadensversicherungsanstalt" - aus der später die Wiener Städtische hervorgegangen ist - waren zahlreiche geistliche Persönlichkeiten, da Klöster und Stifte wesentlich zur Bildung von Vorformen des Versicherungswesens beigetragen hatten. "Damals ging es vor allem darum, die Not der Menschen im ländlichen Bereich zu lindern und sie vor Dürre, Hagel, Überschwemmung und Feuer zu sichern", erläutert Aufsichtsratspräsident Helmut Zilk. Noch heute hat ein Abt eines österreichischen Klosters einen fixen Sitz im Aufsichtsrat der Versicherung.

Die Wiener Städtische Versicherung ist mit diesem Engagement die erste Versicherung in Österreich und der EU, die das Thema "Microinsurance" aufgreift und Versicherungsprodukte - speziell für die Kunden der "Zweiten Sparkasse" - auf den Markt bringt. Dadurch sollen sozial schwach gestellte Menschen gegen spezielle Risiken, die den Aufbau einer Existenz bedrohen können, abgesichert werden.

Helfen hat Tradition

"Menschen, die aus welchen Gründen auch immer an den Rand des Lebens gedrängt werden, sollen eine Chance bekommen, neu anzufangen", erklärt Zilk die Position der Wiener Städtischen Wechselseitigen. Der soziale Ansatz hat auch in der Erste Bank Tradition: Unter den Gründungsmitgliedern der Ersten österreichischen Sparkasse war im Jahr 1819 der Priester Johann Baptist Weber aus Wien. Die Sparkasse war auch als Bank für finanziell Schwache gedacht.

Für Caritas-Präsident Franz Küberl sind Wirtschaft und soziales Engagement kein Gegensatz, sondern hätten ganz im Gegenteil viele Berührungspunkte. Er bezeichnet die neue Kooperation als national und international vorbildhaftes Beispiel, das möglichst viele zum Nachmachen anregen soll. Dieses Angebot eines gratis Bank-und Versicherungspaketes in Zukunft österreichweit zugänglich zu machen, ist ein wesentlicher weiterer Schritt. Filialen der Bank soll es in den nächsten Jahren in allen österreichischen Bundesländern geben.

Die Geschäftsbeziehung und die Laufzeit der Konten der "Zweiten Sparkasse" beträgt vorerst drei Jahre. Danach soll den Kunden geholfen werden, wieder eine "normale" Bankverbindung zu bekommen.

Die Autorin ist freie Journalistin und Mitarbeiterin bei Ö1.

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