Ein Management für die globalen öffentlichen Güter

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Die Welt durchlaufe einen wirtschaftlichen, ökonomischen und sozio-kulturellen Globalisierungsprozeß, so das Grundpostolat der vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) angeregten und diese Woche vorgestellten Studie: "Globale öffentliche Güter. Internationale Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert". Daher müsse man die sich ergebenden globalen Herausforderungen gemeinsam lösen, vor allem die Frage nach den "globalen öffentlichen Gütern" thematisieren.

Worum es sich bei diesen handelt? Um all die schwer erfaßbaren Voraussetzungen für menschliche Existenz, die man meist als selbstverständlich gegeben ansieht: Rechtssicherheit, saubere Luft, sauberes Wasser, eine tragfähige Umwelt, halbwegs gesunde, leistungsmotivierte und vertrauenswürdige Mitmenschen ...

Diese Faktoren stellen auch die Voraussetzung für alles Wirtschaften dar, werden aber meist nicht in das wirtschaftliche Kalkül der Unternehmen miteinbezogen - obwohl ohne sie kein Wirtschaften möglich wäre. Über die öffentlichen Güter wird meist erst nachgedacht, wenn sich Mangelerscheinungen einstellen: die Luftverschmutzung unerträglich wird, mafiose Vereinigungen korrektes Wirtschaften behindern oder unmöglich machen, Demotivierung der Arbeitskraft (wie einst im Ostblock) effizientes Wirtschaften verhindert ...

Bisher lag die Sorge um ihre Erhaltung in der Zuständigkeit der nationalen Regierungen. Die Intensivierung der internationalen Verflechtung und der weltweit ähnlich ausgerichtete wirtschaftliche Fortschritt bewirkten, daß dieses für das Überleben notwendige Grundkapital nicht nur regional oder national beeinträchtigt und aufgebraucht wird. Seit Jahren beobachtet man vielmehr Bedrohungen globalen Ausmaßes.

Dabei geht es nicht nur um die bekannten Bedrohungen: den Abbau der Ozonschicht, das Abholzen der tropischen Regenwälder, die CO2-Emissionen und ihre Folgen für das Klima ... In diese Kategorie gehören auch die Bedrohung durch Seuchen wie Tuberkulose oder Aids, die Folgen der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, der Flüchtlingswellen im Gefolge ethnischer Konflikte, des Drogenhandels, der unkontrollierten Entwicklung der internationalen Finanzmärkte mit ihren gravierenden, schwer vorhersagbaren Konsequenzen für die Wirtschaft.

Die Globalisierung findet also in vielfältiger, aber nicht in geordneter Form statt. "Ist sie steuerbar?", fragt das UNDP. Sind nicht die Märkte - und damit die Eigeninteressen - zu mächtig? Dieser Entwicklung müsse man entgegenwirken, wird gefordert, nach einem neuen internationalen Management für das allen gemeinsame Kapital an öffentlichen Gütern gerufen.

Das für Fragen der Entwicklungshilfe zuständige UNDP fühlt sich zwar nach wie vor der Förderung dieser Hilfe verpflichtet und registriert mit größtem Unbehagen das weitere Anwachsen der Kluft zwischen Arm und Reich: Die reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung verfügen mittlerweile um 135mal mehr als die ärmsten 20 Prozent! Diese Kluft ließe sich aber durch Entwicklungshilfe allein nicht schließen, wenn nicht gleichzeitig für eine Absicherung der gemeinsamen Basis gesorgt werde.

Entwicklungshilfe sei von dieser Grundabsicherung zu unterscheiden, wird festgestellt: "Als Antwort auf die gegenwärtigen globalen Herausforderungen muß die Agenda der Entwicklungszusammenarbeit dringend erweitert werden." Und: "Arme Länder brauchen Transferleistungen, um sich im gegenseitigen Interesse aller an der Bereitstellung globaler öffentlicher Güter beteiligen zu können. Die Empfänger solcher Leistungen könnten Länder sein, die z. B. zum Schutz unberührter Wälder, die Artenvielfalt bergen oder Kohlendioxid absorbieren, auf Entwicklungsmöglichkeiten verzichten ..."

Welche Ansätze zur Erhaltung dieser Kapitalien bietet die Studie nun an?

* Zunächst müsse sich jeder Staat bewußt den grenzüberschreitenden Effekten seiner Maßnahmen stellen und Mittel zur Behandlung externer Folgen bereitstellen. Regionale Zusammenarbeit von Staaten, etwa regionale Währungsfonds nach dem Vorbild des Internationalen Währungsfonds, wäre zu forcieren.

* Globale Herausforderungen müßten unter breiterer Mitwirkung bewältigt werden. Die G8-Gruppe führender Industrieländer sei zu einer G16-Gruppe unter Einbeziehung von Dritte-Welt-Ländern zu erweiteren.

* In den Entscheidungsgremien sollten nicht nur Vertreter von Regierungen, sondern auch jene der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft mitwirken.

* Ein von der UNO neu einzurichtender "Treuhandrat" solle die Interessen zukünftiger Generationen wahren.

Interessen der Enkel Soweit einige Anregungen der Studie, die fraglos ein drängendes Problem aufgreift. Ihre Ansätze, auf die rein von wirtschaftlichen Interessen vorangetriebene Globalisierung zu reagieren, erscheinen jedoch eher fragwürdig. Weitere internationale Gremien mit mehr Kompetenzen und Mitgliedern, die Einbeziehung von NGOs bringt nach bisherigen Erfahrungen kaum mehr Problemlösungskapazität, senkt dafür aber sicher die demokratische Kontrolle der Vorgänge.

Wie soll ein UNO-Treuhandrat, bestehend aus Mitgliedern, die nach kürzester Zeit Profis werden und fernab von den Alltagsproblemen leben, wirkungsvoll Interessen meiner Enkel vertreten?

Da sind mir bei allen Vorbehalten der Wiener Bürgermeister und der Bundeskanzler lieber. UNDP wäre besser beraten gewesen, sich nicht mit der Globalisierung abzufinden, um sie zu begleiten, sondern für Entflechtung zu plädieren. Denn des Menschen Wissen wird nie ausreichen, um den Globus zu managen.

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