Ein Modell für Europa

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Überproduktion und Subventionen - Merkmale der Landwirtschaft. Haben da Bauern noch Zukunft? Eine Anfrage an den neuen Bauernbundpräsidenten.

die furche: Die Welthandelsorganisation (WTO) will die Agrarmärkte weiter öffnen, durch die Osterweiterung werden billige Agrarprodukte auf unseren Markt drängen - braucht da das alpine Österreich noch Bauern?

Fritz Grillitsch: Das letzte Jahr mit den Krisen BSE, MKS hat eine große Sensibilisierung gebracht. Die Menschen wollen heute wissen, wer wo wie produziert. Ich glaube, dass der österreichische Weg mit der bäuerlich strukturierten Landwirtschaft richtig ist. Jene, die vor einem Jahr in Europa von einer Schrebergärtner-Landwirtschaft in Österreich gesprochen haben, sehen unseren Weg seit den Krisen als vorbildhaft an. Eine UNO-Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Menschen vor der fortschreitenden Globalisierung und Liberalisierung Angst bekommen und sie folgert: Es entsteht eine neue Sehnsucht nach Überschaubarkeit, Identität und Geborgenheit. Das stimmt mich zuversichtlich für unsere kleinstrukturierte landwirtschaftliche Produktion.

die furche: Nachhaltiges Wirtschaften ist ein hehres Ziel. Seit gut zehn Jahren wird darüber gesprochen, aber getan hat sich nichts...

Grillitsch: Aufgrund der Krisen, der Sensibilisierung ist der ökosoziale Weg heute aktueller denn je - nicht nur in Österreich. Umwelt- und Tierschutzfragen spielen eine wachsende Rolle. Erstmals hat auch die EU bei den WTO-Verhandlungen in diesen Fragen klar Position bezogen.

die furche: Werden diese Fragen im Zuge der Osterweiterung nicht rasch wieder unter dem Tisch verschwinden?

Grillitsch: Mir ist bewusst, dass es ganz schwierige Verhandlungen geben wird. Wir wissen, dass wir 50 Prozent zusätzliche Ackerfläche bekommen, dass es schwer sein wird, 2,3 Millionen polnische Bauern mit sechs Hektar Durchschnittsfläche zu Europa-Bauern zu machen. Wohlgemerkt: Ich will keine Ängste schüren. Tatsache aber ist: Mit der ländlichen Entwicklung, die es bereits für die EU gibt, gilt es einen ganzheitlichen Ansatz für den ländlichen Raum zu schaffen. Eine Marktordnung allein reicht nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass bei der EU-Osterweiterung die gleichen Standards vorherrschen wie bei uns, damit Produkte auf den Binnenmarkt kommen dürfen. Das werden wir massiv in die Diskussion einbringen. Bei der Erweiterung wird es sehr lange Übergangsfristen geben müssen. Es kann nicht so sein, dass etwa die Ungarn ab ihrem Beitritt die gleichen Prämien wie wir bekommen. Man wird sich überlegen müssen, wie man im ländlichen Polen Betriebe ansiedelt, damit die Menschen dort Arbeit finden. Man wird die Beitrittsländer davon überzeugen müssen, dass für sie nachwachsende Rohstoffe, etwa für die Energieversorgung, wichtig sind.

die furche: Das funktioniert aber nicht einmal in der EU-15...

Grillitsch: Die EU hat diesbezüglich hehre Ziele, was Grün- und Weißbücher betrifft. Der Bio-Energie-Anteil etwa soll verdoppelt werden. Der Anteil der Biotreibstoffe soll auf 5,75 Prozent erhöht werden. Was allerdings fehlt, sind die Umsetzungsmechanismen. Da ist noch viel zu tun.

die furche: Was sollte Ihrer Meinung in Österreich konkret geschehen, damit es Sinn macht, Bauer zu bleiben?

Grillitsch: Wir haben ein 10-Punkte-Programm entwickelt. Da geht es zunächst um faire Preise: Da gilt es Bewusstsein zu schaffen. Man muss an den Handel appellieren, Lebensmittel nicht als Lockmittel zu missbrauchen.

die furche: Was können denn Appelle schon bringen?

Grillitsch: Ich führe derzeit mit den Generaldirektoren der Handelsketten Gespräche. Da gab es durchaus positive Signale. Es ist ja nicht einsehbar, dass in Bayern die Bauern mehr für die Milch bekommen als in Österreich. Weiters: Wir brauchen kalkulierbare Rahmenbedingungen, damit sich bäuerliche Investitionen rechnen. Und es geht darum, die Zahlungen an die Landwirtschaft als Leistungszahlungen anzuerkennen. Ich lasse mir die Bauer nicht ständig als Subventionsempfänger darstellen, wie dies kürzlich der Finanzminister tat. Eines muss klar sein: Würde man die Leistungen die heute die Bauern für die Allgemeinheit erbringen, ausschreiben und sie etwa der Straßenverwaltung übertragen, so würde das vier oder fünf Mal so viel kosten. Das eine Studie berechnet.

die furche: Sind Sie sicher, dass die Bevölkerung bereit ist, sich diese bäuerlichen Leistungen etwas kosten zu lassen?

Grillitsch: 85 Prozent der Bevölkerung sagen, sie wollten auch in Zukunft diese bäuerliche Struktur, damit Anliegen des Umweltschutzes und der Landschaftspflege verwirklicht werden. Auch auf politischer Ebene gab es in dieser Frage bisher einen Konsens. Die Bauern sollten kein politischer Spielball sein. Es darf nicht ständig verunsichernde Diskussionen geben. Als Interessenvertretung müssen wir immer wieder klarstellen: Wenn es gesunde Nahrungsmittel geben, wenn die Landschaft offengehalten werden soll, muss dies auch etwas kosten.

die furche: Die Bauernvertreter scheinen in dieser Frage nicht optimal agiert haben.

Grillitsch: Es ist immer wieder gesagt worden. Aber man ist in den Medien nur schwer durchgekommen...

die furche: Oft entsteht der Eindruck, die Bauern selbst seien sich über die Zukunftsstrategie nicht einig. Gibt es nicht sehr unterschiedliche Vorstellungen, wie Landwirtschaft zu betreiben ist?

Grillitsch: Die Bauern waren immer eine sehr homogene Gruppe. Man hat schon in den siebziger Jahren versucht, die Bauern auseinander zu dividieren, in Körndl- und Hörndlbauern, in Berg- und Talbauern... Gott sei Dank ist das nicht gelungen. Und es wird auch jetzt nicht gelingen, die Bauern auseinander zu dividieren in Bio- und Nicht-Biobauern. Da habe ich einen pragmatischen Ansatz. Es wird eine Aufteilung in drei Marktsegmente geben: Der standardisierte Bereich...

die furche: Was heißt das?

Grillitsch: In Österreich ist jeder gezwungen, nach strengen Auflagen (Wasserrecht, Bodenschutz, Lebensmittelhygiene...) zu produzieren. In diesem standardisierten Segment nehmen 70 Prozent der Bauern mit 90 Prozent der Fläche an einem Umweltprogramm teil. Da sind wir Europameister. Daher lasse ich mir diese Art der Produktion von niemandem madig machen. Ein zweites Segment sollten Marken- und Qualitätsprogramme sein, ein drittes Bioprodukte. Nur: Politisch kann ich nicht regeln, in welchem dieser Segmente der Konsument einkaufen soll. Da gibt jeder am Markt die Antwort. Wir müssen versuchen, in jedem dieser Segmente konzentriert Angebot zu schaffen, gemeinsam am Markt aufzutreten und uns um verstärktes Marketing zu bemühen.

die furche: Sie konkurrieren aber mit anderen EU-Ländern, in denen es durchaus andere Vorstellungen gibt...

Grillitsch: Immerhin ist es uns gelungen, viele österreichische Vorstellungen im europäischen Landwirtschaftsmodell unterzubringen. Ich will nicht romantisieren, habe aber das gute Gefühl, dass wir in eine Phase eintreten, in der die Menschen europaweit Nachhaltigkeit und Nachvollziehbarkeit honorieren werden.

die furche: Dennoch sinkt die Zahl der Bauern laufend. Sehr viele junge Leute wollen nicht mehr den Hof übernehmen, Bäuerinnen sind Mangelware... Werden sich überhaupt genug Bauern auf die von Ihnen geäußerten Hoffnungen einlassen?

Grillitsch: Es ist richtig: Es gibt einen Strukturwandel und es wird ihn weiterhin geben. Daher ist es eine unserer Aufgaben, das Image der Bauern zu verbessern. Viele Menschen haben ein Bild vom Bauern, dass er dauernd jammert. Immer gehe es um mehr Förderung, um bessere Preise. Dieses Image müssen wir ändern, damit die Gesellschaft den Bauern als modernen Unternehmer sieht, der auch in neuen Dienstleistungsfeldern tätig ist: im Kommunal-, im Energiebereich, im Fremdenverkehr, in der Waldwirtschaft. Die Bauern müssen ihre Möglichkeiten und Chancen besser erkennen. Es gibt eine Reihe von sehr erfolgreichen Beispielen.

die furche: Die Statistik spricht aber eine andere Sprache.

Grillitsch: Sicher hat es ein Vakuum gegeben. Daraus muss man Schlüsse ziehen. Etwa durch eine breiter gefächerte Ausbildung. Hier gibt es eine Reihe von Angeboten, die neben der bäuerlichen Betätigung weitere Einkommensmöglichkeiten eröffnen.

die furche: Also weiter in Richtung Nebenerwerb?

Grillitsch: Das meine ich nicht. Es geht um die Stärkung der bestehenden Vollerwerbs-Betriebe. Und für die anderen gilt es, zusätzliche Verdienstmöglichkeiten zu schaffen. Weiter geht es um den Abbau der Bürokratie. Denn wir wollen Landwirte bleiben und nicht Antragswirte werden.

die furche: Wie wollen Sie aus dem Bürokratie-Dschungel herausfinden?

Grillitsch: Es müssen effizientere und einfachere Möglichkeiten geschaffen werden. Die Informationstechnologie bietet die Handhabe dazu. Es gibt bereits Pilotprojekte. Bei der EU gibt es einen ersten Schritt mit einer "Klein-Erzeuger-Regelung": Bis zu einem Betrag von rund 30.000 bis 40.000 Schilling Gesamtförderung braucht man nur mehr einen Antrag für sechs Jahre zu stellen, wenn sich nichts Wesentliches an der Wirtschaftsweise ändert. In diese Richtung müssen wir weiterarbeiten. Wenn wir öffentliche Gelder bekommen, müssen wir allerdings deren Berechtigung nachvollziehbar dokumentieren können. Das muss kontrollierbar sein. Dazu stehe ich. Man muss jedoch aufpassen, dass unter diesem Titel die Bürokratie nicht die Wirtschaftskraft der Bauern abwürgt.

Noch ein wichtiger Punkt: Wir dürfen in Zukunft nicht nur die Interessen der Bauern vertreten, sondern müssen zu Anwälten des ländlichen Raumes werden. Da geht es um infrastrukturelle Fragen, etwa die Schließung von Postämtern, von Einkaufsläden. Daher habe ich eine Initiative zur multifunktionalen Versorgung im ländlichen Raum gestartet.

die furche: Und wie sehen Sie die Chancen der erneuerbaren Energie?

Grillitsch: Ziele gibt es jedenfalls, nur fehlen die Umsetzungsmechanismen. Bei Fragen der erneuerbaren Energieträger werden wir Koalitionen mit der Wirtschaft schließen, aufzeigen, dass dies den Regionen viel bringt, wenn Kreislauf orientierte Wirtschaft betrieben wird. Ich habe selbst ein Heizwerk gebaut und da sind 80 Prozent der Investitionen in die regionale Wirtschaft geflossen. Unter dem Motto: "Arbeit schaffen, Umwelt schützen", kann man genügend Verbündete finden.

die furche: Über erneuerbare Energie und Klimaschutz wird seit langem geredet. Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach erforderlich?

Grillitsch: Es geht darum, über unser Steuersystem nachzudenken. Wer etwas leistet, wird derzeit durch hohe Steuern bestraft, wer Umwelt verschmutzt und Ressourcen verbraucht, wird belohnt. Die Arbeitskraft des Menschen wird 25 Mal höher besteuert als fossile Energie, die zu 70 Prozent importiert wird. Ich plädiere bewusst nicht für eine Ökosteuer. Da wurde bisher Etikettenschwindel betrieben. So hat man in Deutschland damit Budgetlöcher gestopft. Ich plädiere für eine Ökologisierung des Steuersystems, um die Kyoto-Ziele zu erreichen.

die furche: Sehen Sie Chancen, dies in Österreich zu verwirklichen?

Grillitsch: Eine Variante wäre: Weg mit der Grundsteuer und stärkere Besteuerung der Energie. Wer auf erneuerbare Energieträger umsteigt, Wärme dämmende Maßnahmen setzt, spart bei diesen Steuern. Das wäre ein lenkungsorientierter Ansatz. Da braucht es Gespräche mit allen Sozialpartnern und der Regierung. Ich will das jedenfalls forcieren: Also keine höhere Belastung, sondern Umschichtung der Besteuerung.

Das Gespräch führte Christof Gaspari.

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