Ein Philosoph vertreibt erfolgreich Solarenergie

19451960198020002020

Solarenergie ist auf dem Vormarsch - jedenfalls derzeit in Deutschland, wo eine verbesserte Gesetzeslage zu einem Boom für Solarunternehmen geführt hat. Ein Lokalaugenschein in Freiburg.

19451960198020002020

Solarenergie ist auf dem Vormarsch - jedenfalls derzeit in Deutschland, wo eine verbesserte Gesetzeslage zu einem Boom für Solarunternehmen geführt hat. Ein Lokalaugenschein in Freiburg.

Werbung
Werbung
Werbung

Gleich neben dem Freiburger Hauptbahnhof spannt sich das weiße Vordach des Konzerthauses weit über den Platz. Bloß erklingen im sachlich-schönen Musentempel an diesem regnerischen Herbsttag keine Orchestertöne, sondern im großen Saal wird Bilanz gezogen.

Es findet eine Aktionärshauptversammlung statt. Die Eigentümer und deren Vertreter haben auf den schönen rotbraunen Vollholzstühlen Platz genommen. Statt Fondsmanagern in Businessgrau warten im Saal jedoch Pensionisten, Hausfrauen, Beamte, Gewerbetreibende - in der Mehrzahl solider Mittelstand - gespannt auf das Jahresergebnis ihres Unternehmens. Sie sind Teilhaber an der SAG, "Solarstrom AG", einem in seiner Art einmaligen Unternehmen in der Bundesrepublik. Diese Aktiengesellschaft ist im Besitz von Kleinaktionären.

Die vor zwei Jahren gegründete Gesellschaft betreibt Solarkraftwerke und verkauft den Strom an interessierte Kunden weiter. Auf dem Gebiet der Errichtung von Photovoltaikanlagen und der Organisation des Stromvertriebes ist die Solarstrom AG mittlerweile zu einer der wichtigsten deutschen Firmen geworden. In Österreich und der Schweiz gibt es Tochterbetriebe. Seit ihrer Gründung versucht das Unternehmen aber außerdem, den Spagat zwischen Gewinnorientierung und gesellschaftlicher Verpflichtung zu spannen. Deshalb steht an der Spitze der SAG bezeichnenderweise kein Absolvent einer Wirtschaftsuniversität.

Harald Schützeichel, der bei der Hauptversammlung referierende Vorstand, ist ein promovierter Philosoph und Fachmann für Wirtschaftsethik. Freiburg wurde als Unternehmenssitz gewählt, weil die am Rande des Schwarzwaldes gelegene Stadt über die meisten jährlichen Sonnenstunden der Bundesrepublik verfügt. Darüber hinaus gibt es eine große Aufgeschlossenheit für nachhaltige Energieerzeugung, was seinen Grund in der traditionell starken Ökologiebewegung dieser Universitätsstadt hat. Ein Studentengetto ist Freiburg aber nicht. Die vielen neuen Unternehmen aus dem Dienstleistungs- und Informationsbereich dokumentieren, dass die Region ein pulsierender Wirtschaftsraum im Dreiländereck Deutschland, Schweiz und Frankreich ist. Die Entwicklung der SAG ist repräsentativ für den Aufschwung der Solarenergie in den letzten Jahren.

Bei der Gründung im Jahr 1998 gab man in der Energiebranche dem Konzept der kommerziellen Erzeugung von Strom aus Photovoltaik kaum Chancen. Doch bereits ein halbes Jahr später stellten sich heraus, dass die Pessimisten Unrecht behalten hatten, denn 3.000 neue Aktionäre zeigten nicht nur Interesse, sondern vertrauten dem Projekt auch finanziell. Der Börsegang im Jahr 1999 verlief dann auch erfolgreich. Neuen Aufwind erhielt die Solarbewegung durch das neue deutsche EEG (Erneuerbare Energie Gesetz), welches eine bundesweite Vergütung von 99 Pfennig für Strom aus Photovoltaik vorsieht.

Originelle Standorte Zum Erfolg der SAG tragen die originellen Standorte der Solarkraftwerke bei. Ein immer wieder gegen die Photovoltaik ins Treffen geführtes Argument lautet nämlich, dass die erforderlichen Kollektorflächen sehr viel Platz beanspruchen. Platz der gerade in Ballungsräumen nicht zur Verfügung steht. Als Ausweg kamen für die Solarkraftwerke der SAG von Anfang an nur Dachräume im Frage. Und hier entwickelte man viel Überzeugungskraft bei der Gewinnung von Partnern. Eine Brauerei, eine Hotelkette, eine Großgarage dienen als Standorte für Stromgewinnung.

Eine Glanzidee war es, das Tribünendach des SC Freiburg mit Photovoltaikelementen zu bestücken. Der meist im unteren Tabellendrittel der deutschen Bundesliga angesiedelte Fußballverein, sah in der Demonstration von ökologischem Engagement eine Möglichkeit, sein Image zu verbessern. Bis jetzt ist die Rechnung aufgegangen. Nach der Südtribüne wurden im vergangenen Frühjahr auch auf der großen Osttribüne die schwarzen Platten montiert. Damit hat der SC Freiburg eine ausgeglichene Energiebilanz: Was die Flutlichtanlage an Strom in den wenigen Betriebsstunden verbraucht, wird während des Jahres durch den photovoltaisch erzeugten Strom wieder ins Netz eingespeist.

Solaraktien steigen Beim großen Neubau der Freiburger Messe, der im heurigen Sommer eröffnet wurde, plante man auf dem Dach die Solarplatten gleich ein. Eine vollkommen richtige Idee, wie der Experte der Wiener Energieverwertungsagentur, Andreas Indinger, betont: "Wird die Photovoltaik von Beginn an als Dachelement eingeplant, bedeutet das Kostenersparnis". Dass durch das EEG ein Boom in der Solarbranche ausgelöst wurde, wird auch bei der Aktionärsversammlung der SAG deutlich. Weitere Solarkraftwerke und Partnerschaften mit Unternehmen sind geplant oder bereits fixiert. Der Kurs der SAG-Aktie ist seit dem Börsengang kräftig gestiegen, die Anleger sind an Solaraktien sehr interessiert. Börsenanalysten bewerten Solaraktien positiv. Trotzdem gesteht man bei der Führung der SAG, "dass Solarstrom noch immer ein Nischenprodukt" ist. Man befindet sich an der Schwelle zu einer energiepolitischen Wende, doch wann und mit welchen politischen Strategien sie verwirklicht werden soll, ist noch nicht festgelegt.

Einerseits weisen die Bereitschaft der Konsumenten und die verbesserten Rahmenbedingungen in eine positive Richtung. Andererseits ist es der Solarenergie noch nicht gelungen, wirkliche Breitenwirkung zu entwickeln. Ein Hauptproblem ist der liberalisierte Energiemarkt, der Atomstrom zu Spottpreisen anbietet und damit jede faire Konkurrenz ausschaltet. Aber auch die bürokratische Abwicklung an sich gut gemeinter staatlicher Förderprogramme erweist sich als Hemmschuh bei der Durchsetzung einer nachhaltigen Energieerzeugung. Das zeigt sich vor allem beim 100.000 Dächer-Programm der deutschen Regierung.

Mit dieser Initiative soll durch staatliche Förderungen der Bau von Photovoltaikanlagen angeregt werden. Das Problem ist, dass die Bewilligung der Ansuchen viel zu langsam vor sich geht. Und zum anderen werden durch die Politik die Rahmenbedingungen der Fördervergabe immer wieder verändert. Diese Bocksprünge im Entscheidungsprozess führen zu Unsicherheit, und das kann eine langfristige wirtschaftliche Planung am wenigsten brauchen. Zukunftsbranchen benötigen klare und verlässliche Regelungen, damit die erforderlichen Investitionen dann tatsächlich getätigt werden.

Günstige Perspektiven Dieses Problem ist in Österreich noch wesentlich größer, weil hier die Einspeisevergütungen für Solarstrom in den Ländern sehr unterschiedlich sind. Sie reichen von 0,45 bis zu zehn Schilling. Das führt zu Unsicherheit und zu langen Amortisationszeiten, wie man auch bei der Wiener Energieverwertungsagentur (EVA) bestätigt. Die Zukunftsaussichten für Solarstrom sind allerdings sehr günstig. Man rechnet allgemein mit einer Verdoppelung der Solarstromerzeugung in den nächsten drei Jahren.

Die Initiative kommt hier vor allem von neuen Mitbewerbern. "Der Bau von Stromkraftwerken aus erneuerbaren Energieträgern wird in wachsendem Maße von neuen Akteuren außerhalb der traditionellen Energieversorgungsunternehmen wahrgenommen", schätzt Roger Hackstock von der EVA die zukünftige Entwicklung ein. Die SAG versucht sich auf diese Zukunft so gut wie möglich vorzubereiten. Man rüstete sich durch eine Kapitalerhöhung für den Übergang zu einem Energiekonzern, der Gesamtlösungen im Energiebereich anbieten kann.

Einen Schritt in diese Richtung tat man im vergangenen Sommer durch den Erwerb der Solar-Fabrik, einem Erzeuger von Photovoltaikplatten. Das am Stadtrand von Freiburg gelegene Unternehmen erzeugt in einer "Nullemissionsfabrik" Solarmodule.

Hoffnung setzt man auch darauf, dass die erste Phase der Stromliberalisierung langsam zu Ende geht. Nach der ausschließlich über den Preis geführten Diskussion treten nun auch Fragen der Versorgungssicherheit der Energieträger, der Stromerzeugungsart und des Produktionsortes in den Vordergrund. Damit werden künftig auch die Möglichkeiten zur Platzierung von regenerativ erzeugtem Strom wachsen, lautet die optimistische Prognose von Vorstand Schützeichel im Jahresbericht der SAG.

Der Autor ist freier Journalist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung