Eine bittere Bilanz der Hilflosigkeit

Werbung
Werbung
Werbung

Der Hunger wird sich dramatisch verschärfen, schreibt die „Süddeutsche“, und es ist eine Schande, dass kaum etwas dagegen geschieht.

Wenn sich an diesem Montag in Rom die Vertreter von Regierungen und Hilfsorganisationen zu einem weiteren Ernährungsgipfel treffen, werden sie Bilanz ziehen müssen – und die wird bitter ausfallen. Allen Versprechen zum Trotz ist die Zahl der Hungernden weiter gestiegen, auf weltweit inzwischen mehr als eine Milliarde Menschen.

Das Millenniumsziel der Vereinten Nationen (UN), das bei der ersten Welternährungskonferenz 1996 beschlossen wurde, rückt in weite Ferne. Statt die Zahl der Betroffenen, wie ursprünglich geplant, bis 2015 zu halbieren, scheint ein weiteres Ansteigen unausweichlich zu sein. […]

Stark gestiegene Lebensmittelpreise bedrohen die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Wer Hunger wirksam bekämpfen will, muss genau hier ansetzen, also für bezahlbare Nahrung sorgen. Denn theoretisch werden rund um den Globus genügend Nahrungsmittel produziert. Noch. Unterernährung ist derzeit vor allem ein Verteilungsproblem. Viele Menschen in ärmeren Ländern können sich Nahrung in ausreichender Menge schlicht nicht leisten.

Wenn Weltbevölkerung auf neun Milliarden wächst …

Dramatisch zuspitzen dürfte sich die Lage jedoch, wenn die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 wie erwartet von momentan sechs auf neun Milliarden Menschen wachsen wird. Spätestens dann könnten Lebensmittel wirklich knapp werden, auch weil die weltweite Anbaufläche zurückgeht. Das ist ein Trend, der durch das Wachstum von Siedlungsraum und den Klimawandel noch beschleunigt wird.

Die eigentliche Schande ist, dass kaum etwas geschieht, um diese absehbare Krise abzuwenden. Konflikte um Nahrung und Wasser sind programmiert, weil ignorante und kurzsichtige Politiker und Regierungen nicht an langfristigen Lösungen interessiert sind. Sollen sich doch spätere Generationen darum kümmern, wie auch um den Abbau der gigantischen Schuldenlast, die aus der derzeitigen Finanzkrise resultiert.

Wer glaubt, dass die Delegierten des Hungergipfels dieses Problem auch nur ansatzweise lösen können, wird sich enttäuscht sehen. Ihnen sind schlicht die Hände gebunden. In Rom wird allenfalls über eine gerechtere Verteilung von Entwicklungshilfe und stärkere Mitspracherechte der ärmeren Länder entschieden. Es ist daher nicht weiter erstaunlich, dass sich Jacques Diouf, der Präsident der UN-Welternährungsorganisation (FAO), darauf beschränkt, mehr Geld – insgesamt 44 Milliarden Dollar jährlich – von den Geberländern zu fordern.

Über die wirklichen Ursachen von Hunger und wie man sie beseitigt, wird in Rom nicht verhandelt. Etwa über den Abbau der Handelsbarrieren, die beispielsweise afrikanische Produzenten daran hindern, Bananen nach Europa zu liefern. Dafür müssen sie dulden, dass billiger Zucker, mit EU-Steuergeldern subventioniert, ihre einheimische Produktion zerstört. Die WTO-Verhandlungen über ein weltweites Freihandelsabkommen stecken in einer Sackgasse – vor allem, weil Europa und die USA ihre Pfründe sichern wollen. Ein fairer Handel ist jedoch Voraussetzung dafür, dass ärmere Länder eine funktionierende Landwirtschaft aufbauen und genügend Nahrungsmittel produzieren können.

Bei der Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen ist ein Debakel ebenfalls absehbar. Gelingt es nicht, den Klimawandel einzudämmen, schadet auch dies vor allem den ärmeren Ländern, weil sie besonders unter extremen Wetterbedingungen leiden, die die Landwirtschaft bedrohen. So gesehen ist schon jetzt klar, wie die Ernährungskonferenz in Rom enden wird: als weiterer Gipfel der gebrochenen Versprechen.

* Süddeutsche Zeitung, 16. 11. 2009

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung