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Eine Chance für Kärnten

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Das Bundesland Kärnten müßte mit seinen rund 495.000 Einwohnern — das entspricht einem siebenprozentigen Anteil an der Gesamtbevölkerung Österreichs — im Mittelfeld der österreichischen Bundesländer liegen. Leider ist das wirtschaftlich nicht der Fall. Ein Studium der Kennzahlen, die einen Vergleich mit den übrigen Bundesländern gestatten, zeigt uns, daß Kärnten zum Beispiel

• beim Volkseinkommen je Einwohner um 16 Prozent unter dem gesamtösterreichischen Durchschnitt,

• das Inlandsprodukt je Einwohner in Kärnten um 5,3 Prozent unter dem gesamtösterreichischen Durchschnitt liegt.

Die Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung in Wien hatte 1965 für ganz Österreich Kaufkraftkennzahlen berechnet. Nur 5,7 Prozent der gesamten Kaufkraft (bei 7 Prozent Bevölkerungsanteü) entfielen auf Kärnten. Auch ein Vergleich der Steuerkraft der einzelnen Länder beweist leider, daß Kärnten noch viel aufzuholen hat. Aus einer vom Finanzministerium alljährlich aufgestellten Statistik geht hervor, daß 1965 in Kärnten nur 4,8 Prozent der gemeinschaftlichen Bundesabgaben aufgebracht wurden. Und in der Umsatzsteuer wurden nicht einmal 70 Prozent des österreichischen Durchschnittes erreicht.

Kärnten war gegen Ende des vorigen Jahrhunderts noch ein blühendes Industrieland. Die Eisenindustrie — begünstigt durch das Zusammentreffen, von Erzvorkommen, Holzreichtum zur Erzeugung der notwendigen Holzkohle und Wasserkraft — belebte alle Täler. Mit der Einführung des großindustriel-len Verhüttungsverfahrens war allerdings wie in manchen ähnlich gelagerten Ländern das Ende dieser blühenden Eisenindustrie gekommen, und Kärnten erlebte einen katastrophalen wirtschaftlichen Rückschlag.

Sein Holzreichtum wurde aber die Grundlage neuer Wirtschaftszweige. Eine ausgedehnte Sägeindustrie, Papier-, Pappen- und Holzstoffindustrie sowie eine bemerkenswerte holzverarbeitende Industrie sind das Kennzeichen dafür. Die Eisenindustrie hat heute noch in Hüttenberg und in Ferlach eine über die Grenzen des Landes hinaus bekannte Bleibe. Ferlach ist auch der Sitz einer weit über Österreich hinaus berühmt gewordenen Eisenverarbeitungsindiustrie, nämlich der Jagdgewehrerzeugung, die auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblicken kann und heute stolzer Exporteur in alle Welt geworden ist Auch die Bleierzgewinnung reicht in Kärnten in die geschichtliche Vorzeit zurück und ist ein beachtlicher Repräsentant der Wirtschaftskraft Kärntens. Ein weiterer Bergbau — der Kohlenbergbau im Lavanttal — ist auf Grund der internationalen Kohlensituation zu einem echten Sorgenkind des Landes geworden, schwebt doch über rund 1300 Arbeitnehmer die Sorge um das wirtschaftliche Morgen. Auch die Errichtung des großen Dampfkraftwerkes St. Andrä i. Lav. hat diese Sorge nicht bannen können.

In der Elektrizitätswirtschaft nimmt Kärnten einen besonderen Platz ein, weil seine vielen Wasserläufe und die Kraft der stürzenden Wasser sich ideal zu einem Ausbau anboten. Bei einer Stromgewinnung von über 2 Mü-liarden kWh werden rund 1,1 Milliarden an Länder außerhalb Kärntens abgegeben.

Wie in ganz Österreich hat die Land- und Forstwirtschaft an die gewerbliche Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten große Teile der in ihr Berufstätigen abgegeben. Allein bis zur Volkszählung 1961 nahm die Zahl der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten um 26.700 ab, jene in Industrie und Gewerbe hingegen um 15.700 sowie in Handel und Verkehr um 8300 zu.

Ein Wirtschaftsbereich, der auf Grund der geographischen Lage und der klimatischen Voraussetzungen in Kärnten besonders wichtig ist, ist der Fremdenverkehr. Von den 31.800 Mitgliedsbetrieben der Handelskammer Kärnten gehören 8150 (25,7 Prozent) dem Fremdenverkehr an. Diese Zahl wird auch in einem gesamtösterreichischen Vergleich noch unterstrichen, denn 5,9 Prozent aller österreichischen Gewerbebetriebe und 8 Prozent aller österreichischen Industriebetriebe arbeiten in Kärnten, von den Fremdenverkehrsbetrieben sind es aber 14 Prozent aller österreichischen Betriebe dieser Sparte. Der Fremdenverkehr hat in Kärnten in den letzten Jahrzehnten einen ungeheuren Aufschwung genommen, und es ist sicher beachtlich, daß Kärnten mit 12,8 Millionen Nächtigungen sich an die zweite Stelle (hinter Tirol) in der Reihe der österreichischen Fremdenverkehrsländer vorgearbeitet hat. Der Fremdenverkehr ist damit zu einer tragenden Wirtschaftssäule unseres Bundeslandes geworden.

Rund 168.000 Fremdenbetten — nahezu 60.000 davon sind in den letzten fünf Jahren zugewachsen — erwarten den in- und ausländischen Besucher. Kärnten ist in der Lage, zweifellos allen Wünschen vom verwöhntesten Kurgast bis zum einfachen Campingfahrer gerecht zu werden. Allerdings hat auch dieser Wirtschaftszweig für Kärnten eine zweite Seite. Die rund 300 Badeseen Kärntens haben es mit sich gebracht, daß unser Bundesland in erster Linie als Sommererholungsland bekannt und damit auch im Sommer besucht wird. Der Winterfremdenverkehr weist trotz idealer Skigebiete demgegenüber eine untergeordnete Bedeutung auf mit dem Effekt, daß viele im Fremdenverkehr und in der Bauwirtschaft Beschäftigte während der Wintermonate zur Arbeitslosigkeit verurteilt sind.

Einer ausgesprochenen Spitzenbeschäftigung im Sommer steht ein echtes Winterloch gegenüber — bis zu 18 Prozent der Beschäftigten sind während der Wintermonate arbeitslos. Daß diese nicht kontinuierliche Beschäftigung anderseits wieder das Bild der WirtschafMage, die Einkommensstruktur und so weiter sehr ungünstig beeinflußt, liegt klar auf der Hand.

Daher muß es erstes Anliegen Kärntens sein, durch eine forcierte Schaffung der Wintersaison eine gleichmäßigere Beschäftigung seiner Arbeitnehmer zu sichern. Kärnten bietet an verschiedenen Stellen seines Landes ideale Bedingungen für einen intensiven Winterfremdenverkehr. Voraussetzung dafür ist aber, daß diese Gebiete erschlossen werden, daß also Straßen- und Verkehrswege dorthin führen, weil erfahrungsgemäß mehr als zwei Drittel aller Besucher in ihren eigenen Fahrzeugen kommen. Neben dieser innerkärntne-rischen Verkehrserschließung ist aber ein lebenswichtiges Anliegen der gesamten Kärntner Wirtschaft, daß unser Gebiet — umrahmt von einem Kranz wunderschöner, aber verkehrshemmender Berge — durch einen wintersicheren Tauernübergang an die be-

völkerungs- und verkehrsreichen Zentren des europäischen Westens und Nordens herangeführt wird. Der Bau der Tauernautobahn von Salzburg über die Radstädter Tauern und den Katschberg nach Spittal an der Drau und Villach ist daher zum Anliegen Nr. 1 der Kärntner geworden. Aber nicht nur die Bundesländer Salzburg und Kärnten, sondern darüber hinaus der ganze südosteuropäische Raum ist an dieser so wichtigen Verkehrsverbindung interessiert, und seine Verwirklichung wird zu einer europäischen Aufgabe.

Wenn eingangs von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten Kärntens, von seinem Nachholbedarf im Verhältnis zu den übrigen österreichischen Bundesländern gesprochen wurde, dann darf abschließend aber ein hoffnungsvoller Ausblick ausgesprochen werden. In Kärnten sind derzeit nur 44 Prozent seiner Bewohner selbständig oder unselbständig berufstätig, während der österreichische Durchschnitt bei 48 Prozent liegt. Aber Kärnten hat den größten Anteil an Jugendlichen unter 18 Jahren — er liegt 6 Prozent über dem österreichischen Durchschnitt. Das ist die Chance Kärntens, aber auch eine Verpflichtung, denn in drei bis fünf Jahren werden diese jungen Menschen in das Berufsieben einziehen. Sie alle wollen sicher in ihrer Heimat und für ihre Heimat arbeiten.

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