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Eine Entlastung für alle Familien

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Eine einseitige steuerliche Entlastung nur von höheren Einkommen ist, entgegen mancher Polemik, aus dem VfGH-Urteil nicht herauszulesen.

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Eine einseitige steuerliche Entlastung nur von höheren Einkommen ist, entgegen mancher Polemik, aus dem VfGH-Urteil nicht herauszulesen.

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Unterhaltsverpflichtungen von Eltern für ihre Kinder mindern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und werden in der steuerlichen Absetzbarkeit zuwenig berücksichtigt, entschied der Verfassungsgerichtshof. Damit haben es alle jene, die der Meinung sind, Österreichs Familien bekämen ohnedies genug Förderung, sodaß man sogar zum Teil drastische Sparmaßnahmen zulasten der Familien erfinden könne, gewissermaßen amtlich.

Beim Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Familienbesteuerung selbst (und bei der Diskussion darüber) geht es im wesentlichen um das Verhältnis zwischen Steuergerechtigkeit und Familienförderung. Beide Aspekte bilden die zwei Seiten derselben Medaille Familienlastenausgleich und haben doch unterschiedliche Funktionen. Der Verfassungsgerichtshof hatte nur den beschränkten Auftrag, die Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes zu überprüfen. Dieser verlangt aber, daß der maßgebliche Vergleich in der Steuerbelastung zwischen Unterhaltspflichtigen und anderen Steuerpflichtigen ohne Unterhaltspflichten angestellt werden muß. Die Entscheidung zu treffen, welches System der Familienförderung zu bevorzugen ist, war nicht Aufgabe des Gerichtes.

Daß es bei der Familienbesteuerung Meinungsverschiedenheiten gibt, hatte sich schon im Vorfeld angekündigt. Denn da war vom Finanzministerium behauptet worden, die steuerliche Belastung der Unterhaltsausgaben für Kinder sei durch die beiden Leistungen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in der derzeitigen Höhe abgegolten. Dies wurde vom Familienministerium mit Beispielrechnungen widerlegt, und die alle Familien betreffende steuerliche Gesamtbelastung wurde mit rund neun Milliarden Schilling kalkuliert. Die grundsätzliche Meinungsverschiedenheit, die auf einer unterschiedlichen Berechnung der Steuerfreistellung des Existenzminimums bzw. des Unterhalts basiert, war denn auch Grund für das Nichtzustande-kommen einer einheitlichen Stellun-, gnahme der Bundesregierung.

Die verfassungsrechtlich nun erforderliche Neuregelung der Familienbesteuerung läßt einen gewissen politischen Gestaltungsspielraum zu. Das ist einerseits gut so (schließlich sollen die Politiker Politik machen und nicht der Gerichtshof), läßt andererseits aber auch relativ großen Raum zur Interpretation des Verfassungsauftrags. Dieser Spielraum ist es, der ebenso Platz für (ideologisch gefärbte) Mißverständnisse gibt wie auch zur Herausforderung an die politische Vernunft wird, Familienpolitik für alle Familien zu machen.

Eine einseitig notwendige steuerliche Entlastung nur von höheren Einkommen, wie oft suggeriert wird, ist jedenfalls weder aus dem Urteil herauszulesen noch von irgendjemand angestrebt. Es ist sogar explizit davon die Bede, daß auch bei höheren Einkommen nicht die vollständige Steuerentlastung der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung notwendig ist. Dies hatte der Beschwerdeführer übrigens gefordert, und noch in seinem ersten Familien-Erkenntnis 1991 hat der Verfassungsgerichtshof eher in diese Richtung entschieden. Nun stellt das Höchstgericht quasi salomonisch fest, daß grundsätzlich „zumindest die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Un-terhalts der Kinder erforderlich sind, im Effekt steuerfrei bleiben müßte”. Werden die steuerlich zu berücksichtigenden Unterhaltsausgaben auf diese Weise auch bereits eingeschränkt, wird doch klar, daß die Steuerfreistellung bloß des Existenzminimums (wie es etwa in Deutschland gilt) nicht als ausreichend betrachtet wird.

Die relevante Unterhaltshöhe soll sich zwar am Unterhaltsrecht orientieren, das heißt, nach dem Alter der Kinder gestaffelt sein und in Belati-on zum Einkommen stehen. Bei Eltern mit höheren Einkommen, die aufgrund ihrer höheren Unterhaltsausgaben und damit der progressiven Steuerbelastung rein steuerrechtlich natürlich stärker belastet sind, dürfen dabei aber laut Verfassungsgericht die Unterhaltsausgaben durchaus in durchschnittlicher Höhe als Basis der Steuerentlastung herangezogen werden.

Damit erscheint eine Lösung in Beichweite, mit der gleichzeitig die Steuerbelastung der Unterhaltsausgaben besser verdienender Eltern berücksich-' tigt werden kann als auch den mittleren bis niedrigeren Einkommensgruppen unter den Familien aus sozialpolitischen Überlegungen mit derselben Steuerentlastung bzw. Barauszahlung der Steuergutschrift eine überdurchschnittliche Entlastung gewährt werden könnte.

In diesem Sinn wäre es familienpolitisch vernünftig, wenn eine Reform der Familienbesteuerung die verfassungsrechtlich erforderlichen Mindeststandards mit einem solchen Lastenausgleich kombiniert, der vor allem jene Familien wirtschaftlich besserstellt, die im täglichen lieben finanziell am meisten belastet sind, nämlich die Familien mit mehreren und kleinen Kindern. Da dies in der Regel junge Eltern sind, die noch wenig verdienen und für eine Zeitlang (Karenzzeit eines Elternteils) auch mit nur einem Einkommen auskommen müssen, hätte eine solche Reform durchaus auch sympathische Verteilungseffekte, denen sich wohl niemand verschließen kann. Mit entsprechenden, nach dem Alter gestaffelten Kinder-absetzbeträgen sowie einer darauf ausgerichteten Kombination des Steuer- mit dem Transfersystem wäre dies möglich.

Damit wäre auch die steuerliche Entlastung der Familien in die Gesamtphilosophie des Familienlastenausgleichs eingebettet, der neben seiner prinzipiell horizontalen Ausrichtung immer auch eine vertikale (soziale) Dimension hatte und heute wohl mehr denn je haben muß. Es wäre allerdings eine Übertreibung, wenn man der notwendigen Steuerentlastung die Funktion zuschreiben wollte, die Familien vor Armut zu bewahren. Ein paar hundert Schilling mehr im Monat, die zur Herstellung der gerechten steuerlichen Behandlung der Unterhalts-ausgaben für Kinder erforderlich sind, können auch für sozial schwache Familien bestenfalls ein Beitrag zur Armutsbekämpfung sein. Die grundsätzliche wirtschaftliche Absicherung der Familien - gerade auch der „Bisikofamilien” —, die die sozialen und kulturellen Lebenschancen von deren Kindern intakt hält, steht auf einem ganz anderen Blatt. Dieses, als in Zukunft verstärkt pha-sen- und adressatenspezifische Familienpolitik, muß allerdings auch erst geschrieben werden.

Das Urteil des Verfassungsgerichts ist aus familienpolitischer Sicht zu begrüßen, weil eine große Gruppe von Bürgern gerade in Erfüllung ihrer verantwortungsvollen Aufgabe mit den Mitteln des Steuerrechts ganz offensichtlich benachteiligt wird. Das jahrelang an den Finanzminister nachweislich zuviel abgeführte Steuergeld kann den Familien allerdings niemand mehr zurückgeben.

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