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Eine Gemeinde erprobt den Verzicht auf fossile Energieträger

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Die Waldviertler Gemeinde Kautzen ist auf dem Weg zur „Energie-Autonomie“ - und heimst damit Umweltschutzpreise ein.

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Die Waldviertler Gemeinde Kautzen ist auf dem Weg zur „Energie-Autonomie“ - und heimst damit Umweltschutzpreise ein.

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Viele alteingesessene Kautzener verstehen aie Welt nicht mehr. Von beschaulicher Ruhe kann vorerst im nördlichen Waldviertel keine Rede mehr sein. Delegationen aus aller Welt geben sich derzeit beim Bürgermeisteramt die Türklinke in die Hand und interessieren sich vornehmlich für eines: Der 1.400 Einwohner zählende Ort Kautzen ist auf dem besten Weg zur Energieautonomie. Zu bestaunen gibt es einerseits das Hackschnitzel- heizwerk, andererseits die wohl größte Dichte an Solarenergie-Kol- lektoren in Österreich.

Von wirtschaftlichen Schwierigkeiten im österreichischen Grenzland zum ehemaligen Ostblock soll zumindest in Kautzen keine Rede mehr sein, seit sich im Jahre 1988 23 Waldbesitzer der Gemeinde zur Genossenschaft „Bäuerliches Blockheizkraftwerk Kautzen“ zusammengeschlossen haben. Seither wurden insgesamt rund 22 Millionen Schilling an Investitionsvolumen bewegt, von denen hauptsächlich ortsansässige Firmen beziehungsweise umliegende Unternehmen des Waldviertels profitierten. Die heimischen .Landwirte und Waldbesitzer konnten sich durch Anlieferung des notwendigen Heizmaterials einen interessanten Nebenerwerb erschließen. Von anfänglicher Skepsis gegen-

über den ehrgeizigen Plänen der Gemeindeverwaltung weiß allerdings Bürgermeister Erwin Hornek zu berichten: „Viele haben uns als grünbemooste Spinner bezeichnet.“ Derartige Unkenrufe verstummten allerdings bald, als sich die ersten Auszeichnungen ankündigten.

Nach Preisen in den Jahren 1991 und 1992 wurde der Gemeinde im Dezember 1993 im Festsaal der Uni-

versität Wien der Greenpeace-Kli- maschutzpreis in der Kategorie 1 (bis 10.000 Einwohner) überreicht. Dieter Hornbachner von Greenpeace Österreich: „Kautzen ist der Inbegriff einer Klimaschutz-Gemeinde.“

Vor Inbetriebnahme des Heizwerks im Dezember 1990 zeigte sich in der Gemeinde Kautzen eine durchaus typische Energieversorgungsstruktur. Zu rund zwei Dritteln kamen fossile Energieträger wie Heizöl und Koks zum Einsatz. Zu einem Drittel wurde bereits heimische Biomasse genutzt.

Seitdem neben sämtlichen Gemeindebauten nun auch 90 Einfamilienhäuser an das Biomasse-Fernwärmenetz angeschlossen sind, konnten Schadstoffemissionen weitgehend reduziert werden. Zudem wurden 1.500 Tonnen treibhauswirksames CO2 eingespart (in Biomasseheizwerken erfolgen keine Netto-C02-Emissionen, da nur soviel CO2 freigesetzt wird, als durch nachfolgende Aufforstungen wieder gebunden werden kann).

Auch die technischen Probleme von Biomasseheizanlagen wurden umweltverträglich gelöst: Biomasse weist üblicherweise einen relativ hohen Feuchtigkeitsgehalt auf, der zunächst auf etwa die Hälfte reduziert werden muß, um geeignetes Heizmaterial zu schaffen. 500 Quadratmeter Luftsonnenkollektoren

auf dem Dach der Lagerhalle erfüllen genau diesen Zweck. Das Hackgut wird mit kostenloser Sonnenen- ergie getrocknet und vollautomatisch in den Brennofen befördert.

Seit 1991 fördert die Gemeinde Kautzen auch den Einbau von Sonnenkollektoren in Einfamilienhäuser. Seither wurden somit in Selbstbaugruppen oder mit fertigen Kollektoren 60 Solaranlagen mit 650 Quadratmeter Kollektorfläche installiert.

Dies entspricht einer zusätzlichen C02-Emissions- verminderung von etwa 260 Tonnen pro Jahr.

Klima(Energie-)politik wird in Kautzen nicht eindimensional gesehen. Durch Kombination verschiedener umweltfreundlicher Techniken, zusammen mit begleitenden Energiesparmaßnahmen (zum Beispiel Wärmedämmung an Häusern), ist es der Gemeinde Kautzen gelungen, den Ausstieg aus einer rohstoffverschwendenden Energiepolitik vorzuexerzieren.

Dieter Hornbachner, Greenpeace Österreich: „Die vielen Projekte die eingereicht wurden, belegen das En-

fagement, mit dem auf kommunaler bene Klimaschutzpolitik betrieben wird. Die Gemeinden sind die Vorreiter im Bereich des Klimaschutzes. Es ist bedauerlich, daß dem Engagement auf kommunaler Ebene, auf bundespolitischer Ebene nichts Vergleichbares gegenübersteht. “

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