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Eine Stunde vor zwölf

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Tempera mutante — dieses geflügelte Wort gilt auch für den österreichischen Fremdenverkehr.

Der devisenbringende Ausäänderfremden-verkehr nach Österreich begann im Jahre 1947 und hat bis zum Jahre 1966 stetig steigende Besucher- bzw. Nächtigungszahlen zu verzeichnen gehabt. Erstmalig in der Nachkriegszeit sind nun in der Saison 1967 gering rückläufige Nächtigungszahlen festgestellt worden, sowohl hinsichtlich des Gesamtergebnisses als im besonderen bei wichtigen Herkunftsländern, von denen schon traditionell stets steigende Zahlen von Touristen in Österreich gemeldet wurden. Deshalb verdient ein zusammenfassender Bericht über das vergangene Fremdenverkehrsjahr ein noch größeres Interesse, als es bei vorhergegangenen Jahren der Fall war.

Da vorläufige Ergebnis von elf Monaten des Fremdenverkehrsjahres 1966 bis 30. September 1967 weist 43,160.972 Übernachtungen ausländischer Touristen in Österreich auf. Ein Fremdenverkehrs jähr endet am 31. Oktober und beginnt mit dem 1. November. Bilanzmäßig rechnet man das Weihnachtsgeschäft von Mitte Dezember üblicherweise bereits zum kommenden Kalenderjahr. Der Rückgang bei den Nächtigungen um 3,3 Prozent in elf Monaten des abgelaufenen Fremdenverkehrsjahres kann jedoch zu Fehlschlüssen führen. Denn die Resultate der letzten Wintersaison zeigten im gesamten einen weiteren Zuwachs, während die Sommersaison 1967 gegenüber der von 1966 mit einer Verlustbilanz schloß. Es kann hier keine umfassende statistische Aufschlüsselung der Entwicklung gegeben werden. Denn eine solche ist nur mit einer großen Zahl von Vergleichen absoluter (nicht nur relativer) Zahlen möglich.

Der Ton, mit dem vielfach in der öster-

reichischen Presse (es gibt auch hier eine Anzahl löblicher Ausnahmen) inmitten der Saison über die Wirtschatftsentwicklung de* österreichischen Fremdenverkehrs und über die Leistungen der Fremdenverkehrswirtschaft geurteilt wurde, ist nicht erst in dieser Saison beobachtet worden. Die nachteiligen, vielfach scharf pointierten Nachrichten über die Devisenbilanz des österreichischen Fremdenverkehrs und andere seiner Aspekte sind vielfach aus der österreichischen Presse von der Auslandspresse übernommen worden, wo sie nun wirklich nicht am Platze waren und geschadet haben. Das bis zum 30. September vorliegende Devisenergebnis des vergangenen Fremdenverkehrsjahres 1966/67 liegt um 1,6 Prozent höher als 1965/66. Die Gesamtbilanz zeigt wegen der höheren Ausgaben der Österreicher im Ausland einen Rückgang um 4,8 Prozent. Der gesamtösterreichische Rückgang an Ausländerübernachtungen von 3 bis 4 Prozent ist eine Zahl, die nach den Maßstäben wirtschaftlicher Bilanzbewertung keinen Anlaß gibt, von einer Krise zu sprechen.

Die größte Bedeutung kommt dem Reiseverkehr aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich zu, der nicht weniger als 75,8 Prozent des Gesamtausländerverkehrs ausmacht. Hier war nun ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 4,2 Prozent zu verzeichnen. Holland ist in der abgelaufenen Saison mit einem geringfügigen Rückgang um 1,2 Prozent an die zweite Stelle der Herkunftsländer knapp vor Großbritannien gerückt. Den perzentuell größten Zuwachs aller Herkunftsländer hat Jugoslawien mit einer Steigerung um 43,6 Prozent erbracht. Die Nächtigungen jugoslawischer Touristen liegen damit nur wenig unter der Gesamtzahl der Nächtigungen aus allen anderen Ostblockstaaten.

Aus den USA und Kanada, hat erfreulicher-

weise der Reiseverkehr um 4,8 bzw. 4,9 Prozent zugenommen.

Aus diesen Zahlen ist ablesbar, daß für die Frequenzminderung des Ausländerfremdenverkehrs in diesem Jahr hauptsächlich die wirtschaftliche Rezessionserscheinungen in jenen großen europäischen Industrieländern zurückzuführen ist, von denen das größte Kontingent unserer Gäste kam.

Weil also Deutschland bisher etwas mehr als dreiviertel aller Ausländerübernachitungen in Österreich für sich verzeichnete, hat jede Auf- und Abwärtsbewegung im Reiseverkehr aus Deutschland die größte Bedeutung für den österreichischen Fremdenverkehr, der, wie in keinem der anderen großen Reiseländer Europas, in so starkem Maße von dem Gästestrom aus einem einzigen Lande bestimmt ist.

; Die wirtschaftliche Rezession in Deutschland hat zu einer Sparwelle geführt. Von ihr wurden natürlich die nicht lebensnotwendigen Konsumgüter, zu denen auch die Leistungen der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft zählen, zuerst betroffen. Die erheblich verstärkte Inlandswerbung hat daher bedeutende Erfolge erzielt. Die mit Charterflügen und Pauschalarrangements angebotenen Reisen in den Süden und Osten werden weniger berührt. Für die englischen Touristen sind infolge der Beschränkung der Ausfuhr an Reisedevisen auf 50 Pfund die Reisemittel in der Hochsaison zu gering gewesen, um teure oder zumindest nicht ganz billige Urlaubsziele außerhalb des Pfundmarktes aufzusuchen, bzw. dort länger zu verweilen. Der Ausgabeumfang wird infolge der jüngst erfolgten Abwertung noch geringer werden und nur noch einen Kaüfwert haben wie etwa 44 alte Pfund.

Da in Österreich in manchen Gebieten und bei manchen Waren und Leistungen im Fremdenverkehr eine weitere Preissteigerung erfolgt ist, war auch hier der Anreiz schwach, Österreich als „billiges Reiseland“ aufzusuchen. Während bei den Vorbereitungen für die gesamtösterreichische Hotelpreisliste 1968 die Betriebe in den meisten österreichischen Bundesländern keine Preiserhöhungen vorgenommen haben, ist es Kärnten vorbehalten geblieben, seine Preise im Durchschnitt um 20 Prozent höher anzusetzen als im Vorjahr. Man kann wohl kaum sagen, daß eine derartige Preisgestaltung für die Zukunftsentwicklung des Fremdenverkehrs förderlich ist. Alle ungünstigen Einflüsse und Tendenzen, die derzeit dem Fremdenverkehr in Europa Schwierigkeiten bereiten, betreffen auch den Reiseverkehr nach Österreich. Erfreulich sind nur die Chancen, die man von der Entwicklung des Weltflugverkehrs erwarten kann. Der Einsatz von Großraumflugver-kehrsmaschinen ab 1969/70 sowohl im Unterau auch im Überschallbereich läßt nach Ansicht aller Experten eine weitere Senkung der Flugpreise erwarten. Sollte die derzeitige Flaute in der europäischen Wirtschaft noch weiter andauern, wird man gegen die verstärkte Konkurrenz mit geschwächter Kraft kaum ein weiteres Absinken der Reisefrequenz nach Österreich verhindern können. Die weitere Zunahme der Bettenanzahl in den Konkurrenzländern, vor allem in dem mit neuen Werbeattraktionen auftretenden Osteuropa sowie in den Mittelmeerländern, fer-

ner der anhaltende Zug zu Südlandireisen, der noch durch die Reisebüros gefördert wird (die verständlicherweise lieber Fernreisen mit hohen Verdienstspannen ausschreiben als Nahreisen in ein Nachbarland) — alles das dämpft die Hoffnungen für einen wieder verstärkten Reisestrom nach Österreich.

Die ungünstigen Aspekte für unseren Fremdenverkehr werden besonders dann um so nachhaltiger wirksam werden, wenn durch eine zu niedrige Dotierung der Werbung diesen Tendenzen nicht ausdrücklich entgegengearbeitet wird. Infolge der schwierigen Wirtschaftslage ist es bei der Erstellung des Gesamtbudgets für 1968 nicht geglückt, ein Mehr an Werbung finanziell zu garantieren. Im Gegenteil: die Beibehaltung des Budgetvolumens von 1967 auch für 1968 bedeutet im In- und Ausland einen effektiven Rückgang der Werbekraft Österreichs. Diese ist ohnehin schon seit längeren Jahren gegenüber wichtigen Konkurrenzländern im internationalen Tourismus stark im Hintertreffen. So hatte Österreich 1967 ein Werbebudget von 52,250.000 Schilling aufgebracht Die Schweizer Fremdenverkehrswerbung verfügt dagegen über ein Budget von rund 67,415.000 Schilling, plus etwa 18 Millionen Sondermittel, die irische über 73,380.000 Schilling. Für den Ausländerfremdenverkehr jedes Landes hat das Werbebudget der nationalen Fluggesellschaft ebenfalls eine sehr große Bedeutung. Da die Swiss Air ein Budget von mehr als 80 Millionen Schilling hat, die Austrian Airlines dagegen nur wenig über 6 Millionen, ist dieser Abstand für die gesamte touristische Werbekraft des Landes von gravierender Bedeutung.

Es wäre also ein Selbstbetrug, unter diesen Umständen zu glauben, daß die Werbung im kommenden Jahr einen höheren Umsatz erzielen könnte.

Die österreichische Fremdenverkehrswerbung (ÖFVW) hat ihr neues Werbekonzept, das die neuen Entwicklungen im Tourismus berücksichtigt, im Jahr 1967 zu verwirklichen begonnen.

In der Werbung wurde ein vielfältiges Angebot gebracht und gleichzeitig auch stärker thematisch aufgegliedert. Dieses vielseitige Angebot wurde ja nach den Interessen des Reisepublikums, die ja in den verschiedenen Ländern und Regionen einen spezifischen Trend zeigen, an diese verschiedenen Publikumsschichten in entsprechender Auswahl herangebracht. Infolge der finanziellen Beschränkung konnte auf diesem Weg der spezifizierten Werbung nur ein Anfang gemacht werden. Im verstärkten Ausmaß wurde bei Großveranstaltungen, Ausstellungen und dergleichen auch die direkte Ansprache des touristischen Publikums in ersten erfolgreichen Versuchen begonnen. Infolge des Rückganges des Reisebürogeschäftes, besonders bei Reisen zu Nahzielen, wozu Österreich für seine wichtigsten Herkunftsländer zählt, ist es unbedingt notwendig, in der breitesten Öffentlichkeit direkt für Reisen nach Österreich zu werben. Alle diese modernen und an sich sehr wirksamen Werbemethoden büßen jedoch ohne einen gewissen Aufwand an Mitteln — viel von ihrer Wirkung ein. Sie bedürfen einer gewissen „Läutstärke“ — und die muß man bezahlen! Bei ihrer am 5. Dezember abgehaltenen Generalversammlung hat die österreichische Fremdenverkehrswerbung einen um-

fassenden Überblick über die von ihr in diesem Sinne verfolgte und für die Zukunft geplante Werbestrategie gegeben. Es wurden dabei vor allem die neuesten Werbedruckschriften präsentiert sowie ein eindrucksvoller Bericht von ihren neuen Werbelokalen in Berlin, Hamburg und Köln vorgelegt sowie über die sehr gut besuchten Publikumsveranstaltungen, von denen besonders die in Eigenregie durchgeführten österreichtage in Saarbrücken als vielversprechender Anfang gelungen waren. Hier und bei den Werbeaktionen zum Johann-Strauß-Jahr wurde eine besonders umfangreiche unbezahlte Publizität mobilisiert. Als repräsentative, gesamtösterreichische Prospekte wurden drei Versionen des Sommerprospektes geschaffen, wovon einer für das übrige europäische und einer für das Überseepublikum abgestimmt wurde. Der Winterprospekt“ ist in einer Version für den Uberseegast sowie dn einer für den Europagast gestaltet worden.

Besonderes Interesse fand bei den Reise-vermittlem in Nordamerika eine Hotelliste, die nur Häuser vorstellt, welche dem Standard des Überseepublikums entsprechen. In Deutschland hat vor allem die gemeinsam mit dem österreichischen Gemeindebund herausgegebene Liste der „Erholungsdörfer in Österreich“ einen sehr großen Widerhall gefunden und eine Anfrageflut ausgelöst. Dies ist nur ein repräsentativer Ausschnitt um zu zeigen, wie mit beengten finanziellen Möglichkeiten ein Optimum an Werbewirksamkeit angestrebt wird. Österreich liegt im „touristischen Großraum Europa“ sowohl Im Alpen-als auch im Donaugebiet und damit auch an einer Schnittstelle des Reiseverkehrs nach Süden und Osten. Wie weit es für den Überseetourismus gewappnet sein wird, kann hier nur als Frage vermerkt werden.

Derzeit werden etwa die Unterkunftsmöglichkeiten während der Hochsaison für den Überseegast vom Ausland überwiegend ungünstig beurteilt. Ebenso die Lage bei der Kartenbeschaffung für die Spanische Reitschule und für die Staatsoper bzw. die Termine der Vorstellungssaison sowie die technische Ausstattung des internationalen Flughafens in Schwechat gegenüber denen in Ostblockstaaten.

Auch die Aufnahmemöglichkeiten für die „Jumbo-Jets“ und „Supersonic Airliners“ in Österreich zeigen ein eher negatives Bild. Bei der Beurteilung der Zukunftsentwicklung und der Vorsorge dafür scheint öfters noch provinzieller Geist in unserem Lande die Inangriffnahme notwendiger Maßnahmen zu hindern. Dabei ist, nach Meinung der Experten, dia Gefahr, daß Österreich in der Konkurrenz

gegenüber seinen örtlichen Nachbarn zur Provinz wird, viel unmittelbarer, als man es meist wahrhaben will. Es ist für die Österreichische Fremdenverkehrswerbung, die ja schon jetzt auf die sich anbahnende Zukunftsentwicklung eines touristischen Großraumes Europa—Ubersee eingehen muß, von größter Bedeutung, welches Angebot der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft sie dann auf den Markt bringen kann. Angesichts einer negativen Frequenzentwicklung und einer verschärften Konkurrenz ist die Verbesserung des Angebotes von größter Bedeutung. Fexner sind gezielte Investitionen, welche auf den Ergebnissen einer koordinierten Planung aller Bereiche, die mit dem Tourismus zu tun haben, ein dringendes Gebot der Stunde. Es liegt nunmehr vor allem an den Bemühungen der zuständigen Ressorts, eine Stunde vor zwölf in gut vorbereiteten Beratungen ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, mit dem Abhilfe geschaffen werden kann und womit Österreich der Weg in den Welttourismus der siebziger Jahre frei gemacht wird.

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