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„Einfacher produzieren“

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Unter dem Motto „Einfacher produzieren — besser essen“ hat die Landwirtschaft ihre Sonderschau für die Wiener Frühjahrsmesse gestaltet. Es ist ein kleiner Einblick in die praktischen Auswirkungen unserer Agrarpolitik geworden, der auch zeigt, daß unsere Bauern wie auch die Förderungs- und Beratungskräfte die Zeit genutzt haben, die agrarische Produktion den Erfordernissen der Industriegesellschaft anzupassen.

Die Umstellungen, die unsere Landwirtschaft vornehmen mußte, haben einen Umfang erreicht, wie er früher kaum denkbar war. Sie wurden zunächst einmal dadurch ausgelöst, daß in den letzten 30 Jahren fast 500.000 Menschen aus der Landwirtschaft in andere Berufe abgewandert sind. Das hat bedeutet, daß der Bauer immer mehr auf die Hilfe der Maschine angewiesen war und dafür enorme Investitionen zu leisten hatte. Die Veränderungen betrafen sowohl das Konzept der gesamten Agrarpolitik als auch jeden einzelnen Betrieb. Heute müssen wir sagen, daß diese stürmische Entwicklung immer noch nicht abgeschlossen ist und wir mitten in diesem Umwandlungsprozeß stehen.

Deutlich zeichnet sich eine Tendenz zur Vergrößerung der Betriebsflächen ab, die einen rationellen Maschineneinsatz erst ermöglichen. Deshalb wurden allein in Niederösterreich bisher schon 281.000 ha komimassiert, doch müssen allein in unserem Bundesland noch rund 400.000 ha Grundflächen zusammengelegt werden. Gesetzliche Maßnahmen, wie sie erst vor kurzem vom Nationalrat beschlossen wurden, werden dazu beitragen, diese Arbeiten zu beschleunigen.

Eine Vergrößerung ist nicht nur für die einzelnen Grundstücke notwendig, auch viele Betriebe müßten als solche vergrößert werden. Deshalb bejahen wir grundsätzlich die Grundaufstockung, die ebenfalls dazu beiträgt, den Maschineneinsatz rentabler zu gestalten und das Einkommen des einzelnen Landwirtes zu verbessern. Das bedeutet aber nicht, daß wir den Inhabern von Klein- und Mittelbetrieben raten würden, sich einem anderen Beruf zuzuwenden und ihren Grund anderen zur Verfügung zu stellen. Mehr als einmal wurde bewiesen, daß tüchtige und scholleverbundene Bauern, die auf kleinsten Flächen begonnen haben, es durch Fleiß und Intelligenz zu einem recht ansehnlichen Besitz brachten. Der Boden wandert zum besseren Wirt, ob dieser nun ein „Kleiner“ oder „Großer“ ist. Unsere Pflicht ist es, dem „Kleinen“ durch gesetzliche und durch Förderungsmaßnahmen zu diesem wandernden Boden zu verhelfen, ohne daß dabei den „Großen“ etwas weggenommen wird.

Die Landwirtschaft unserer Zeit verlangt aber auch, daß wir nicht nur auf größeren Betriebseinheiten arbeiten, sondern daß sich die Landwirte auf weniger Betriebszweige spezialisieren. Auch diese Entwicklung wird uns durch die Maschine nahegelegt, denn das bedeutet „einfacher produzieren“, da sich der Landwirt nicht für jeden Betriebszweig eine eigene Maschine leisten kann. Freilich erhebt sich dabei die Frage, wie weit eine solche Spezialisierung gehen darf, ohne daß etwa die Bodenfruchtbarkeit leidet, oder daß das Risiko zu groß wird, wenn man nur mit einem einzigen Produkt auf den Markt kommt.

Dabei wird es in zunehmendem Maße die Aufgabe der Beratung sein, daß der Bauer seine Erzeugung auf den Markt abstimmt und Produkte anbietet, die auch in der Qualität den Bedürfnissen des Konsumenten entsprechen. Der städtische Verbraucher hat in den letzten Jahren seine Eßgewohnheiten nicht unwesentlich geändert. Der Konsum von Kartoffeln und Brot ist stark zurückgegangen, dafür wurde — entsprechend dem steigenden Wohlstand — mehr Fleisch verlangt, und auch das Feingemüse findet durch die Erkenntnisse der modernen Ernährungswissenschaft einen stärkeren Absatz. Mit Stolz kann unsere Landwirtschaft darauf hinweisen, daß wir unsere Rindfleischerzeugung so ausgeweitet haben, daß wir die Überschüsse exportieren können, während wir früher namhafte Mengen Fleisch aus dem Ausland einführen mußten. Ähnliches gilt auch für das Brotgetreide, bei dem wir Qualität liefern, die einen Import überflüssig macht.

Ein weiteres Problem unserer Agrarpolitik ist, daß wir möglichst nahe an den Verbraucher herankommen. Wir wollen keine eigenen Verkaufsläden für die Fertigware haben, aber uns durch die Erzeugung marktkonformer Ware den modernen Erfordernissen anpassen. Unsere genossenschaftliche Organisation wird in diesem Sinne in Zukunft vielleicht noch größere Aufgaben haben als bisher.

Die Landwirtschaft Europas kann sich den Luxus extensiver Wirtschaft riesiger Farmbetriebe ebenso wenig leisten wie eine Kolchoswirtschaft. Was wir uns auch in Zukunft wünschen ist, einen freien Bauern auf eigener Scholle wirtschaften zu sehen, der in einer aktiven Tätigkeit die volle Verantwortung für den Boden trägt.

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