Werbung
Werbung
Werbung

22. September - autofreier Tag: Eine Initiative in 1.300 europäischen Gemeinden und ein Anlass, die Verkehrspolitik zu thematisieren. von christof gaspari

Am 22. September findet er nun zum dritten Mal statt, der autofreie Tag. EU-weit beteiligen sich an der Initiative heuer rund 780 Städte und Ortschaften. In ganz Europa sind es über 1.300. Besonders rege ist die Beteiligung in Österreich: Mit 109 teilnehmenden Gemeinden liegt es hinter Spanien (202) an zweiter Stelle in der EU, noch vor Frankreich.

Was das Geschehen kennzeichnet? Das unterscheidet sich von Ort zu Ort. Allen Initiativen gemeinsam ist aber das Bemühen, an diesem Tag den Autoverkehr möglichst zu verringern, beziehungsweise örtlich ganz zu verbannen. In Vorarlberg - es verzeichnet mit 38 Teilnehmern eine Rekordbeteiligung - lautet die Devise für den 22. September: "Sanft mobil die Freizeit genießen". In Mäder werden dazu beispielsweise eine Nachhaltigkeits-Dorfrallye und Spiele auf der Straßen angeboten, in Hörbranz Wandern auf neuen Wegen, im Walgau eine Schatzsuche mit Rad, Bus oder Inlineskates.

Der Gaisberg ohne Autos

Unter einem ähnlichen Motto ruft die Stadt Salzburg ihre Bevölkerung auf, an diesem Sonntag den Gaisberg autofrei zu genießen: Sperre für Autos, Straße frei für Radfahrer und Wanderer. Ein Frühschoppen, eine Sternfahrt, eine Podiumsdiskussion zum Alpentransit stehen auf dem Programm.

Im oberösterreichischen Niederneukirchen gibt es ein Pfarrfest mit Fahrrad-Segnung, in Mödling ein "street event" und in Imst wird nachmittags das Zentrum für den Autoverkehr gesperrt, um Platz für Live-Bands, Hüpfburg, Kinderzug und andere Vergnügungen zu schaffen.

Im Vorjahr war der autofreie Tag gut angekommen: 85 Prozent der Befragten hatten ihn für eine sehr oder ziemlich gute Idee gehalten. Selbst 80 Prozent jener, die für ihre täglichen Wege überwiegend das Auto benützen, fanden Gefallen am Aktionstag. Ein Happening also - und die Folgewirkung?

Keine Trendwende in Sicht

Wer das Verkehrsgeschehen beobachtet, muss jedenfalls zu dem Schluss kommen, dass sich das Mobilitätsverhalten - wenn überhaupt - kurzfristig kaum geändert hat: Es mehren sich die Stauwarnungen, die Zahl der Verkehrsunfälle, der zugelassenen Kraftfahrzeuge. Aber ist eine kurzfristige Verhaltensänderung überhaupt realistisch, wo es seit Jahrzehnten einen massiven Trend zu mehr Autoverkehr gibt? Die längste Zeit galt doch die Autodichte sogar als wichtiger Wohlstandsindikator.

Österreich rangiert da durchaus im Spitzenfeld: Im Vorjahr kamen auf 1.000 Einwohner beachtliche 707 Kfz. Und ein Vergleich des Pkw-Bestands 2001 (4,18 Millionen) mit dem vor 40 Jahren macht deutlich, daß sich die Fahrzeugflotte in diesem Zeitraum verzehnfacht (!) hat.

Weltweit sind derzeit rund 600 Millionen Kfz unterwegs und die OECD rechnet damit, dass es bei Anhalten der Trends im Jahr 2015 bereits eine Milliarde sein werden. Allein die vier größten Automobilhersteller produzieren pro Jahr rund 24 Millionen Fahrzeuge. Damit wird klar: Ein beachtlicher Teil der weltwirtschaftlichen Produktionskapazität geht in die Erzeugung von Kfz. Verständlich, dass von diesem Sektor eine enormer Druck auf Fortsetzung des Kurses ausgeht.

Dementsprechend passen sich, besonders in den Industriestaaten, die Lebensgewohnheiten und die Wirtschaftsstrukturen an die steigende Automobilität an: Schätzungen des "Verkehrsclub Österreich" (VCÖ) zufolge, steigen jährlich 100.000 Österreicher auf das Auto um. Wesentlich mitverursacht wird der Trend durch den Verfall der Nahversorgung und das Überhandnehmen von Einkaufszentren, durch verstärkte Zersiedelung und Verlagerung von Arbeitsplätzen an die Peripherie der Städte.

Immer mehr Menschen pendeln zur Arbeit: Arbeiteten im Jahr 1971 noch 75 Prozent der Berufstätigen in ihrer Wohngemeinde, so reduzierte sich diese Zahl bis 1991 auf 58 Prozent. Im selben Zeitraum stieg auch die Zahl der Kilometer, die beim Pendeln zurückgelegt werden von 11,3 auf 18,2. Auch die wachsende internationale Wirtschaftsverflechtung und die mit ihr verbundene Begünstigung größerer Einheiten tragen zur Verstärkung dieser Trends bei. Eine nicht zur durchbrechende Gesetzmäßigkeit scheint hier am Werk.

Die Klimatologen warnen

Ziel der Veranstaltungen am autofreien Tag ist es, auf die bestehenden Probleme und die trotz allem gegebene Notwendigkeit einer Trendänderung hinzuweisen.Es gilt, den Einzelnen zu motivieren, sein Mobilitätsverhalten zu überprüfen, sich die Frage zu stellen, ob teilweiser Verzicht auf Autofahrten ohne Beeinträchtigung seiner Lebensqualität nicht möglich wäre. Ein Großteil der Autofahrten führt ja über Distanzen, die ebenso gut zu Fuß, per Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden könnten.

Viele Gründe sprechen für einen solchen Umstieg. Besonderes Gewicht kommt dem Argument zu, dass der Autoverkehr einer der Hauptverursacher von CO2,des bedeutendsten Klimagases, ist. Klimaforscher werden nicht müde, auf die damit verbundenen Gefahren hinzuweisen.

Gerade das Wettergeschehen im heurigen Jahr bietet genügend Anschauungsmaterial für die mögliche Gefährdung - gerade auch in unseren Breitegraden. Dazu ein Blick auf die Wetterdaten: Die Frühjahrstemperaturen lagen in Österreich um ein bis zwei Grad über dem langjährigen Schnitt, das Junimittel in großen Teilen des Landes sogar um 2,5 bis vier Grad darüber. Große Trockenheit im Süden und Südosten und dafür verheerende Niederschläge nördliche des Alpenhauptkammes im August. Was in den letzten Monate weltweit an Unwettern (in China, Korea, Indien ...) geschah, entspricht ungefähr den Szenarien, die Klimaforscher mit ihren Großrechnern entwerfen. Seit mehr als zehn Jahren warnen die Versicherungen vor dem Überhandnehmen solcher Katastrophen. Man lese die Berichte der "Münchener Rück".

Der Klimawandel sei schon eingetreten, das sei Konsens der meisten Wissenschafter, stellt etwa Hermann E. Ott, Leiter der Abteilung Klimapolitik am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, fest.

Konzepte für eine zukunftsträchtige Verkehrspolitik gibt es seit langem. Dass sie politisch nicht oder nicht ausreichend umgesetzt werden, liegt auch an der nicht unbegründeten Sorge der Verantwortlichen, dass man mit einschneidenden Maßnahmen im Verkehrssektor beim Wähler keine Lorbeeren erntet. Der autofreie Tag ist somit eine Gelegenheit, die mit dem Verkehr verbundene Problematik zu thematisieren. Dabei sollte nicht Weltuntergangsstimmung erzeugt, wohl aber die Bereitschaft zu einer nachhaltigen Kursänderung in Sachen Mobilität geweckt werden.

Siehe auch: www.22september.org

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung