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EMAS-Per Ordnung: Ja, aber...

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Erst vorige Woche haben sich hochqualifizierte Teilnehmer eines Seminars „Umweltschutzrechnung” des Werkstoff- und Umweltzentrums TGM mit der Umweltgesetzgebung und der computergestützten Erstellung von Ökobilan-zen auseinandergesetzt. Über die geschichtliche Entwicklung gab es bei den Teilnehmern wenig Meinungsverschiedenheiten, um so mehr beim Abwägen der konkreten methodischen Analyse und bei der Rewertung der notwendigen Maßnahmen. Dieser Diskurs ist typisch für die breite gesellschaftliche Auseinandersetzung: Zunehmendes Problembewußtsein verlangt mehr Einsicht in die komplexen ökologischen Zusammenhänge, mehr verläßliche Daten für deren Rewertung und bindende Vereinbarungen über die ökologischen Berechnungs- und Bewertungsmethoden.

Dennoch müssen auch bei unzureichendem Informationsstand Gesetze beschlossen werden, die für eine ökologische Orientierung von Produkten, Dienstleistungen und Verhaltensweisen gegen widersprüchliche Eigeninteressen aller Beteiligten sorgen sollen. Der lückenhafte Datenbestand und der Zeitdruck fortschreitender Umweltzerstörung führt notwendigerweise zu unausgegorenen oder unkontrollierbaren Gesetzen, deren

Mangelhaftigkeit vielen wieder als Vorwand für eigenes unkorrektes Umweltverhalten dient. Der gelernte Österreicher pflegt schließlich mit der ihm eigenen hoffnungsvollen Wurschtigkeit zu reagieren: Irgendwie wird's schon geh'n. Oder: Es ist eh alles umsonst! ...

Wie ist es denn dazu gekommen? In den Jahrhunderttausenden der Werkstoffgeschichte von natürlichen Polymeren über Stein, Keramik, Glas und Metall bis hin zu den modernen synthetischen Polymeren haben die globalen Stoff- und Energieströme der Gegenwart ein Ausmaß erreicht, das unseren Lebensraum ernsthaft bedroht.

Erst als der rapide Anstieg von Kohlendioxid in der Luft, der Abbau des Ozons in der Stratosphäre, die Beeinträchtigung der Wälder und die Abnahme des Artenreichtums systematisch beobachtet wurde, formierten sich langsam kritische Bewegungen, die immer kräftiger - oft auch polemisch - auf diese Alarmzeichen hinwiesen. Es erfolgte die Gründung von Grünparteien, die den ökologischen Ideen zum politischen Durchbruch verhalfen. Das neuzeitliche naturwissenschaftliche „objektive” Verständnis der „Natur” wich ziemlich rasch einer „ganzheitlichen” Sicht des Lebensraumes als „Umwelt”. In diese Zeit fiel auch die Gründung von „Umwelt”-Ministerien in fast allen Industrieländern.

In den neunziger Jahren wurde durch die Gesetzgebung allmählich -zum Teil gegen massive Widerstände aus Einzelinteressen - die Zuordnung von Umweltkosten nach dem Verursacherprinzip begonnen. Zaghaft wagten immer mehr Unternehmen, das Thema „Umwelt” in die Unternehmensziele einzubinden. Die Zaghaftigkeit ist durchaus verständlich, weil ökologische Unternehmensführung vorerst einmal mit hohen Kosten verbunden ist und weil zu befürchten ist, daß weniger umweltfreundliche Konkurrenten billiger anbieten können. Umweltpolitik müßte Kosten senken, dann könnte man darüber reden ...

Nun sind in den letzten Jahren tatsächlich Richtlinien geschaffen worden, die einen systematischen Ansatz ökologisch orientierter Unternehmenspolitik bieten. Von internationalem Rang ist die Normenreihe ISO 14000 über Umweltmanagementsysteme mit den noch druckfeuchten Entwürfen vom 1. November 1995 der ÖNORM EN ISO 14010 und 14011 über „Leitfäden für Um-weltaudits”. Für die EU bindend ist die EMAS Verordnung (Environmental Management and Audit Systems) EWG 1836/93, die durch das

Umweltgutachter- und Standortverzeichnisgesetz 622/95 vom 12. September 1995 österreichisches Recht wurde. Den strategischen Rahmen für diese aktuellen Gesetze bildet der bereits mehrfach zitierte österreichische Nationale Umweltplan (NUP) 1995 (Furche 31 und 36/1995). Die kritischen Reaktionen auf die Vorschriften ließen nicht lange auf sich warten: Papier ist geduldig ... unsinnige Gesetze sind da, um umgangen zu werden ... das kann ja doch keiner kontrollieren ... der reinste Ökoschmäh ... daran verdienen nur die Auditoren ...

Nun, ganz aus der Luft gegriffen sind diese Kommentare nicht. Wenn nämlich hinter den Umwelterklärungen nicht tatsächlich die redliche Absicht nach ökologischer Optimierung steht, können alle Papiere sofort im Altpapiercontainer abgelegt werden. Es bestätigt sich einmal mehr die notwendige Umkehrung des zynischen Satzes von Lenin: Kontrolle ist gut, aber Vertrauen ist besser!

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