Energiewende als Bumerang

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Nur wenn die Regierung in Sachen Energieeffizienz und Verkehr nachbessert sowie eine ökosoziale Steuerreform angeht, kann Österreich aus der fossilen Sackgasse herauskommen.

Es ist erschreckend zu sehen, dass 20 Banken aus nur sieben Ländern dabei helfen, die Welt in eine Sauna zu verwandeln“. Heffa Schücking, Geschäftsführerin der deutschen Umweltorganisation "urgewald“ versuchte im November auf der Klimakonferenz in Warschau die Welt aufzurütteln: "Banken haben schon bewiesen, dass sie die Wirtschaft zum Teufel schicken können. Hier sehen wir, dass sie auch das Klima ruinieren.“"Urgewald“ präsentierte gemeinsam mit mehreren Partnern, darunter das Polish Green Network, die Studie "Banking on Coal“. Darin zeigen die Organisationen, dass die Energiewende in die verkehrte Richtung läuft. Die Produktion von Kohle, dem Klimakiller Nummer eins, habe seit 2000 um fast 70 Prozent zugenommen und betrage heute 7,9 Milliarden Tonnen jährlich. Finanziert werde dieser Ausbau der Energiegewinnung von Privatbanken, die die Kohlebergbauindustrie zwischen 2005 und 2013 mit 118 Milliarden Euro unterstützt hätten. Über 70 Prozent dieser Summe, so der Bericht, werde von nur 20 Banken investiert, allen voran von US-amerikanischen Finanzriesen Citi, Morgan Stanley und Bank of America. Die Deutsche Bank nimmt den prominenten fünften Rang ein. Öster-reichs Bankhäuser sind ebenfalls vertreten: Bank-Austria-Mutter Unicredit belegt Platz 15, die Erste Bank Platz 47, die Raiffeisen Zentralbank Rang 65. Während die Weltbank, die früher auch Kohlekraftwerke mitfinanzierte, inzwischen eine Kehrtwende vollzogen hat und aus Prinzip keine Unterstützung für solche Projekte mehr bewilligt, hat sich der Beitrag der Privatbanken zur Ausweitung der Kohlekraft seit 2005 verfünffacht. Kohleabbau sorgt auch dort, wo er betrieben wird, für katastrophale Luftverschmutzung, wie in China, Waldzerstörung und Bedrohung von Tigerpopulationen, wie in Indien, Zerstörung von Indigenen- und Kleinbauern-Lebensraum wie in Kolumbien, oder Konkurrenz um knappe Wasserressourcen, wie im südlichen Afrika.

Österreich in der Sackgasse

Auch Österreich stecke in der "fossilen Sackgasse“, so Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes, angesichts der am 27. November von der Statistik Austria veröffentlichten Energiebilanz. "Nur wenn das neue Regierungsprogramm in Sachen Energiesparen, Energieeffizienz und Verkehr nachbessert sowie eine ökosoziale Steuerreform angeht, kann Österreich aus der fossilen Sackgasse herauskommen. Ein Regierungsprogramm und eine Energiestrategie 2030 ohne umfangreiche Maßnahmen im Verkehrssektor sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen“, urteilt Heilingbrunner. Laut Greenpeace hat Österreich seine Vorreiterrolle im Umweltschutz verloren und hofft, dass sich der nächste Umweltminister "für eine ambitionierte und verbindliche Klimapolitik der EU einsetzen“ wird.

Hatten die Energiekonzerne früher noch Gutachten in Auftrag gegeben, die den Zusammenhang zwischen Klimawandel und dem zunehmenden Verbrauch fossiler Energieträger in Zweifel ziehen oder zumindest relativieren, gilt es inzwischen als Tatsache, dass die Klimaerwärmung menschengemacht ist. Einer der Skeptiker war der Naturfotograf und Wissenschaftler James Balog. Seit er 2007 in den arktischen Regionen die Langzeitstudie EIS (Extreme Ice Survey) begann, denkt er anders. Sein Film CHASING ICE, der vor kurzem in Österreichs Kinos angelaufen ist, dokumentiert die Gletscherschmelze mit atemberaubenden Bildern, die im Halbstundentakt von Kameras an 18 Standpunkten von Alaska bis zum Himalaya aufgenommen wurden.

Für Julia Kerschbaumsteiner, Klima- und Energiesprecherin von Greenpeace Österreich, steht fest, dass die reichen Länder in wenigen Jahren mit einer schnell wachsenden Anzahl von Klimaflüchtlingen konfrontiert sein werden. Ioane Teitiota wollte der erste anerkannte Klimaflüchtling werden. Doch das neuseeländische Höchstgericht in Auckland wies Ende November den Asylantrag des 37-jährigen Mannes aus Kiribati zurück. Richter John Priestley anerkannte zwar, dass der aus 33 Atollen bestehende südpazifische Inselstaat unter den Folgen des Klimawandels wie vermehrte Unwetter, Überflutungen und Wasserverschmutzung zu leiden habe, sah sich aber außerstande, die UNO-Flüchtlingskonvention auf Klimaflüchtlinge auszudehnen. Das sei Sache der souveränen Staaten. Die Flüchtlingsdefinition zu erweitern hieße außerdem, Millionen Menschen weltweit Asylgründe zuzuerkennen.

Damit hat der Richter in Neuseeland recht. Denn ein geschätztes Drittel der weltweit rund 200 Millionen Flüchtlinge hat die Heimat direkt oder indirekt wegen extremer Wetterphänomene verlassen: Hochwasser, Wirbelstürme, Dürren, Erosion der Ackerböden, ... Und es ist unbestritten, dass der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten weitere Millionen heimatlos machen wird. Die Schätzungen divergieren dramatisch. Julia Kerschbaumsteiner spricht von derzeit 20 Millionen und einer Verzehnfachung bis 2040. Die nicht zu Alarmismus neigende Asiatische Entwicklungsbank (ADB) geht davon aus, dass die pazifischen Inselstaaten bis zum Ende des Jahrhunderts bis zu 15 Prozent ihres Bruttonationalprodukts verlieren werden, wenn die Temperatur - wie derzeit prognostiziert - bis 2070 um zwei bis drei Grad Celsius ansteigt. Vor allem Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus würden darunter leiden. Ohne Trendumkehr steuern wir aber auf vier bis sechs Grad plus zu.

Nansen-Initiative

Als erste Staaten haben die Schweiz und Norwegen den neuen Umständen Rechnung getragen und 2012 in Genf die Nansen-Initiative lanciert. Sie zielt darauf ab, Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen vertrieben werden, besseren Schutz zu verschaffen. Greenpeace geht einen Schritt weiter und fordert, dass der Flüchtlingsbegriff, wie er in der UNO-Flüchtlingskonvention definiert ist, auf Klimaflüchtlinge ausgedehnt werden soll. Die Nansen-Initiatoren halten das Thema für zu delikat, als dass es ohne gute Sensibilisierungskampagne offensiv vertreten werden könnte. Der Berner Völkerrechtsprofessor Walter Kälin meint im Zürcher Tagesanzeiger, die Abänderung der Genfer Konvention sei "illusorisch“. Sämtliche Anpassungsanträge seien bisher gescheitert. Ähnlich sieht es das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR.

Im UNHCR spricht man daher lieber von "Klimamigranten“ oder von "environmentally displaced persons“ - von Umweltveränderungen vertriebene Personen. Dass die alle in den Industriestaaten, den größten Verursachern der Erderwärmung, Zuflucht suchen würden, ist ja keineswegs ausgemacht. Die meisten würden vermutlich zunächst im eigenen Land neuen Lebensraum suchen. Die Klimakonferenz von Warschau hat gezeigt, dass zwar über das Problem weitgehend Übereinstimmung herrscht, aber kaum jemand die Lasten der Lösung tragen will. Julia Kerschbaumsteiner hofft, dass es nicht des Untergangs der ersten Inselstaaten bedarf, damit die Folgen der Erderwärmung ernst genommen werden.

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