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Entwicklungshilfe nicht bloß für die Malariamücken

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„Afrika positiv“ hat in unserer Medienlandschaft kaum einen Stellenwert. Deshalb verlief der Besuch von Margaret Mwangola und Chome Abdi aus Kenia in Wien auch unter Selbstausschluß der selbsternannten Öffentlichkeit

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„Afrika positiv“ hat in unserer Medienlandschaft kaum einen Stellenwert. Deshalb verlief der Besuch von Margaret Mwangola und Chome Abdi aus Kenia in Wien auch unter Selbstausschluß der selbsternannten Öffentlichkeit

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Die beiden berichteten hier nämlich nicht von einer weiteren Hungersnot oder einem weiteren Bürgerkrieg, sondern von Beiträgen zu deren Verhinderung. Margaret Mwangola leitet die Kenya Water for Health Organization, kurz KW AHO, und Ingenieur Chome Abdi ist deren Koordinator für die vom Institut für Internationale Zusammenarbeit (HZ) mit Bundesmitteln aus der Entwicklungszusammenarbeit geförderten Projekte. Diese kommen der Gesundheit Zehntausender Menschen zugute und retten das Leben vor allem von Frauen und Kindern. Dies mit winzigen Bruchteilen der Beträge, die man bereitwillig in Lebensmittel, Medikamente und Lufttransporte investiert, wenn das Massensterben irgendwo einmal groß genug geworden ist, um vom Fernsehen in der besten Sendezeit zur Kenntnis genommen zu werden.

Die KW AHO, deren Gründungsmitglied Margaret Mwangola ist, ging vor elf Jahren aus der Kenianischen Frauenorganisation hervor und spezialisierte sich auf die Verbesserung der Wasserversorgung in Kenias Dörfern. Für die Wasserversorgung sind die Frauen zuständig, sie leiden unter der Last des Wassertragens oft über viele Kilometer, sie leiden unter der Last der Krankenpflege und unter dem Tod vieler Kinder, die Opfer von verseuchtem Wasser werden. Außerdem sind die Frauen der aktive und initiative Teil der afrikanischen Dorfgesellschaften.

Margaret Mwangola und ihre Mitarbeiter/innen entwickelten eine Methode, die sich vor allem auf Information, Motivation und Selbstbestimmung stützt. In einer ersten Phase der Gruppenbildung diskutieren die Frauen ihre Probleme und werden in Lesen, Schreiben, Umgang mit Geld, Führung eines Bankkontos (auf das später die Brunnen - benützungsgebühren eingezahlt werden) trainiert und ihre Führungsfähigkeit wird entwickelt. In der zweiten Phase werden ihnen Kenntnisse über Bau, Betreiben und Warten von Brunnen vermittelt. Zum Schulungsprogramm gehören aber auch Latrinenbau, Errichten und Betreiben von Waschplätzen, Grundkurse in Hygiene und Sauberhalten des Wassereinzugsgebietes. Nun konstituiert sich das Frauenkomitee auch offiziell - mit Chairlady, Sekretärin und Schatzmeisterin und einem siebenköpfigen Komitee, dem auch Männer angehören dürfen.

Ausländische Experten werden nur beratend tätig sein. Dann wird der Brunnen gebaut. Dazu werden von KW AHO ausgebildete Bohrteams herangezogen, alle laufenden Arbeiten werden aber dann von den Frauen erledigt. Sie heben einmal im Monat das Gestänge der „Shallow-well“-Brunnen aus dem Bohrloch, um die gesamte Mechanik zu zerlegen und zu reinigen. Dieser Brunnentyp ist dort gebräuchlich, wo der Grundwasserspiegel noch nicht zu tief gesunken ist. Die Frauen können alle Reparaturen selbst durchführen und die KWAHO - Brunnen sehen nach Jahren so aus, als wären sie erst wenige Monate alt.

PIONIERE DES SPARENS

KW AHO wird nicht nur von Österreich, sondern auch von Großbritannien, Schweden und von der UNO (UNICEF und UNIFAM) gefördert, aber im Maseno- sowie im Lower- Tana-Distrikt, wo das Institut für Internationale Zusammenarbeit die KWAHO-Projekte mit Geld- und Sachmitteln, Organisationsberatung und Kurzeinsätzten eines Wasserbautechnikers sponsert, hilft keine andere ausländische Organisation. 1991 wurde im Maseno-Distrikt die Errichtung von 20 Brunnen und 40 Demonstrationslatrinen in Angriff genomen.

Es ist geplant, den gesamten Ma- seno-Distrifct mit seinen 120.000 Einwohnern mit kommunalen Water points und Demonstrationslatrinen bei Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zu versorgen. An den kommunalen Water points stehen der Bevölkerung Brunnen, Badehaus, Waschplatz für Wäsche und Demonstrationslatrine zur Verfügung. Existierende Wasserversorgungsstellen werden gesichert und revitalisiert. Das IIZ bevorzugt auf langfristige Zusammenarbeit (acht bis zehn Jahre) angelegte Partnerschaften, da diese die beste Garantie für Nachhaltigkeit bieten. Die kommunalen Water points erwiesen sich als geeigneter Ansatzpunkt für die Veränderung der sanitären Bedingungen in den Haushalten.

Da die Zusammenarbeit erfolgreich verlief, dehnten IIZ und KW AHO sie 1993 auf den Lower- Tana-Distrikt aus. Obwohl der Tanafluß durch dieses Gebiet fließt, ist die Trinkwasserversorgung schlecht. Der Fluß und die von ihm gespeisten Wasserlöcher werden gleichzeitig zur Trink Wasserentnahme, als Waschplätze und Viehtränken benutzt. Malaria und Choleraepidemien sind in beiden Gebieten häufig, im Maseno-Distrikt außerdem die Bilharziose. Die Kindersterblichkeit ist hoch.

Durch die Wasser- und Gesundheitsprojekte werden die Frauenkomitees in den Dörfern auch zu Pionieren des Sparens. Die Sparkonten der Komitees sind schon wegen der abhängigen Situation der Frauen und des chronischen Geldmangels in den Dörfern eine absolute Bedingung. Einkommensquelle der Dörfer ist der Verkauf kleiner Mengen landwirtschaftlicher Produkte. Die meisten Dorfbewohner kaufen nie eine Packung Maismehl, Tee, Zucker oder Salz, sondern immer nur so viel, wie sie für den Tag oder für eine Mahlzeit brauchen. Im Kwale-Distrikt, wo KWAHO vor zehn Jahren mit ihrer Tätigkeit begann, schätzt der dortige Senior-Programme Officer K. K. Munguti die Guthaben der 200 Wasserkomitees auf bereits 600.000 kenianische Schilling oder 570.000 US-Dollar (ein Brunnen für jeweils 30 Haushalte mit zusammen 250 Personen gilt als Norm). Das ist sehr viel Geld.

Da nur abgehoben wird, wenn ein Brunnen streikt, kann ein Teil der Guthaben als Kredit zur Unterstützung Einkommen schaffender Projekte verwendet werden.

KWAHO verfolgt einen Grundsatz, der auch bei der Zusammenarbeit des IIZ mit seinen Partnern eine zentrale Stellung einnimmt: Der Gruppe dürfen keine fertigen Problemlösungen vorgesetzt werden, sondern sie selbst muß alle sie angehenden Entscheidungen treffen. Sie muß sich mit den Einrichtungen, die sie benützt und für die sie die Verantwortung übernehmen soll, identifizieren. Dies ist nur gewährleistet, wenn sie an allen Planungsschritten beteiligt ist. Um Mißtrauen auszuschließen, müssen alle von einer Entscheidung Betroffenen informiert sein. Das bedeutet den Abschied von der oft unbewußt gehegten Ansicht, daß Projektfunktionäre und Experten die Probleme der Dörfler besser kennen als diese selber. Dabei blieben auch KW AHO Lernprozesse nicht erspart.

Ursprünglich wurden die Standorte der Brunnen vom Wasserbautechniker festgelegt. Das führte dazu, daß die ersten Brunnen auf Grundstücken lokaler Führungspersönlichkeiten gebohrt wurden, die dabei ihre eigenen Interessen verfolgten. Später stellte sich heraus, daß die übrigen Dorfbewohner mit dem Standort unzufrieden waren, aber keine Gelegenheit zur Meinungsäußerung bekommen hatten. Darauf wurde beschlossen, daß künftig die Dorfgemeinschaften den Standort mit Unterstützung der Fachleute selbst festlegen sollten. Nun kam es zu Unklarheiten, wem das letzte Wort zustand. Seit 1987 wählt das Dorf allein den Standort des Brunnens, der dann von einem Komitee von Fachleuten (Geologe, Wasserbautechniker, Soziologe, Sozialarbeiter, Gesundheitsexperte) begutachtet wird. Erweist er sich als ungeeignet, wird der Vorgang wiederholt.

VERMEIDUNG VON FEHLERN

Bei Wasserprojekten müssen nicht nur geologische und technische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Viele Wasserprojekte werden im Horuck-Verfahren angegangen. Laut einem internen Bericht der Kontrollkommission der Weltbank aus 1992 betrug die Zahl der gescheiterten Entwicklungsprojekte in Afrika 52 bis 83 Prozent, im Bereich Wasserversorgung und Landwirtschaft weltweit 40 Prozent. Die Palette der Fehler reicht vom Übergehen der Zielgruppe bei der Auswahl des Standortes über Anlagen, die mit den örtlich vorhandenen Mitteln nicht gewartet werden können, bis hin zum Einsatz idealistischer Amateure, die irgendwo einen Bach aufstauen und damit nur den Malariamücken Gutes tun.

Auch afrikanische Regierungen machen solche Fehler. In einem afrikanischen Land kam eines Tages ein Bautrupp mit schwerem Gerät in eine Gegend, in der Brunnen benötigt werden, bohrte ohne lange zu fragen irgendwo ein Loch, ließ die Rohre hinunter und entschwand. Der Brunnen wurde niemals benützt. Der Bautrupp hatte nicht nur nicht gefragt, wo die Leute den Brunnen haben wollten, sondern auch auf die offizielle Übergabe vergessen. Das Dorf folgte seinen traditionellen Sitten: Was einem nicht übergeben wurde, gehört einem auch nicht.

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