Erdäpfel schälen statt schminken

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dm sucht sich Lehrlinge mittels Castings aus. Generell braucht die Lehre eine Imagepolitur.

Ich musste einen Erdapfel schälen." Dann folgte kurzes Schweigen, und: "Ich sage jetzt nichts dazu!" Das unabsichtlich am Gang belauschte Mädchen (nicht Roswitha H. vom Foto) nahm vergangene Woche am "LehrlingsCasting07" der Drogeriekette dm in Wien teil.

Während andere Firmen sich um gute Lehrlinge raufen müssen, kann sich dm seine Lehrlinge aussuchen. Vor drei Jahren wurde die Lehrlingssuche auf Castings umgestellt. Hierbei werden je nach Anzahl der offenen Stellen in den Regionen Casting-Tage veranstaltet, an denen nicht nur die Fähigkeiten der Mädchen getestet werden (mittels Gruppenarbeiten sowie theoretischen und praktischen Aufgaben), sondern auch die Lehrberufe und das Unternehmen vorgestellt werden. Darum kommen auch so viele Erdäpfel unters Messer, denn anhand dieses Nachtschattengewächses könne am besten das Entfernen von Fußhornhaut nachgestellt werden. Und das sei laut dm-Geschäftsführerin Bettina Dollmann wichtig, denn zum Berufsbild der Kosmetikerin (in Kombination mit einer Fußpflegelehre) gehöre nicht nur das Schminken. Und das könne an so einem Casting-Tag genauestens erläutert werden. So mancher Berufs-Traum zerbrach daher schon an der nahrhaften Knolle.

Perspektiven zu vergeben

Mehr als 200 Lehrstellen vergibt dm in diesem Jahr in den Berufen Drogistin, Friseurin, Kosmetikerin, Fußpflegerin, Bürokauffrau, Buchhalterin, EDV-Technikerin und Lagerlogistikerin (obwohl nur die weibliche Form angeführt ist, wagen sich hin und wieder auch Burschen zu den Castings). Mehr als 1000 Bewerberinnen wurden zu den Castings eingeladen. Mit Ende März ist die Auswahl dann abgeschlossen und es steht fest, wer eine Lehrstelle bekommen hat.

Der Rest muss weitersuchen. Und wäre gut beraten, nicht nur in den klassischen Frauenberufen zu sondieren, sondern sich auch in Branchen vorzuwagen, die gemeinhin als "männlich" gelten. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist laut Unternehmer die, dass sie kaum geeignete Lehranwärter finden. Das Problem der fehlenden Lehrstellen und das damit zusammenhängende Problem des Facharbeiter-Mangels ist vielschichtig. Denn die Unternehmen jammern laut Lehrlings-Regierungsberater Egon Blum teils nicht unbegründet. Jene, die sich beim Lernen leichter tun, würden zu oft in die schulische Ausbildung gedrängt. Österreich sei vielfach "verschult", denn Karriere mit Lehre, wie vor einigen Jahren noch ein Slogan durchs Land schallte, können sich Jugendliche heute immer weniger vorstellen. Und auch die Eltern würden laut Blum vielfach ihre Kinder dazu drängen, etwas anderes als eine Lehre anzustreben, denn das Image der dualen Ausbildung ist jenes, dass sie als Auffangbecken für all jene diene, aus denen nichts "gescheites" werden könne.

Facharbeiter gesucht

Doch gerade die aktuelle Facharbeiter-Diskussion macht deutlich, dass es ohne Lehrlinge nicht geht, denn Facharbeiter fallen wie Genies nicht einfach vom Himmel. Um der Lehre eine neue Chance zu geben, soll vermehrt das Modell Lehre und Matura zum Einsatz kommen. Hierbei wird neben dem Lehrabschluss auch die Reifeprüfung abgelegt. Der Geselle hat somit die Möglichkeiten im Beruf zu bleiben oder noch ein Studium anzuhängen. Dadurch ist die Lehre keine Sackgasse, sondern eröffnet mehrere Berufswege.

Im Regierungsprogramm findet sich der Punkt Ausbildungs-bzw. Arbeitsplatzgarantie für junge Menschen. Eine Maßnahme, die in diese Richtung geht, bilden überbetriebliche Ausbildungsstätten (derzeit 2000). Die Jugendlichen können dort ihre Lehre teilweise oder zur Gänze abschließen und fallen nicht durch den sozialen Rost, denn der Abstieg geht ohne Lehre schnell vonstatten. Günter Zauner, stellvertretender Abteilungsleiter für Lehrlings-und Jugendschutz der Arbeiterkammer Wien, findet auch an einem Vorarlberger Modell der überbetrieblichen Ausbildungszentren Gefallen. Betriebe der Metallindustrie zahlen im Verbund die Ausbildung zum Facharbeiter. Sprich jene, die keine Lehrlinge ausbilden, müssen dennoch in einen Fonds einzahlen, der überbetriebliche Ausbildungszentren finanziert. Das ist neu und wichtig, denn der Ruf nach Facharbeitern alleine reicht heute nicht mehr aus.

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