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Erspartes anderswo einsetzen

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DIEFURCHE: In welchem Bereich der Kultur kann Ihrer Meinung nach am ehesten gespart werden Und umgekehrt - wo darf nicht gespart werden, wo sehen Sie die Grenze ? FRANZ MORAK: Zwei Drittel der Kulturförderung gehen in die Theater, das heißt, in die großen Apparate. Dort müssen Wege zur Einsparung gefunden werden, ein neues Management, eine neue Behandlung der Kollektivverträge. Wenn kommerziell ausgerichtete Theater wie das Theater an der Wien oder das Baimundtheater subventioniert werden, dann sind die Strukturen zu verändern. Beispielsweise sind unsere Arbeitszeitbedingungen dem nicht gewachsen. Das ist veränderbar, das muß nicht so bleiben, hier muß man versuchen einzusparen. Ganz sicher meine ich nicht Einsparungen auf der Bühne, sondern hinter der Bühne, bei den Werkstätten, bei der Bürokratie.

DIEFURCHE: Sind aber nicht auch diese Einsparungen nur begrenzt möglich?

MoRAK: Es gibt überlebte Traditionen und Apparate.

DIEFURCHE: Wie hoch schätzen Sie dieses Einsparungspotential? MoraK: Meiner Schätzung nach liegt das bei den Bundestheatern etwa bei zehn Prozent. Diese gewachsenen Traditionen sind nicht gottgewollt, wir können sie uns nicht mehr leisten.

DIEFURCHE: Wie ist das mit den Kollektivverträgen^

MORAK: Vor allem müßte man auch die notwendige Ensemblegröße überlegen. Bei den Bundestheatern ist der Aufwand für Verwaltung und

Technik eine Milliarde Schilling hoch, das ganze Budget beträgt rund 1,9 Milliarden, das ist fast die Hälfte. Daß die Pensionslasten, daß abgeschlossene Verträge nicht zu verändern sind, ist klar.

DlEFlJRCHE: Sollte auch bei Bühnenbild, Kostümen, teuren Inszenierungen gespart werden?

MoRAK: Zunächst einmal weigere ich mich davon zu reden. Sicher hätte das auch eine gewisse Signalwirkung - es ist nicht alles gut am Theater, was man teuer kauft. Die Kostenwahrheit ist anzustreben. Alle Verantwortlichen müßten Managementverträge haben, was bedeutet, daß beispielsweise der technische Direktor für sein Budget direkt verantwortlich ist. Er gibt vor, daß nach einer teureren Inszenierung eine billigere folgen muß.

DIEFURCHE: Warum gibt es diese Verträge bei uns nicht? MORAK: Früher waren große Konzerne üblich, deswegen gibt es auch die Zentralwerkstätte der Bundestheater. Diese Werkstätte könnte auch grundsätzlich wie am freien Markt funktionieren. Viele Künstler, Regisseure, haben keinen Bezug mehr zu den Kosten der Umsetzung ihrer Ideen.

DIEFURCHE: Kann auch auf der Bühne etwas von diesen Einsparungen sichtbar werden?

MORAK: Das wäre zuviel von mir verlangt, dazu etwas zu sagen! Aber Regisseuren, für die der Schilling abgeschafft ist, sollte schon auf die Finger geschaut werden. Wenn im Schauspielhaus Zürich der Bühnenbildner ein Jahr vorher seinen Entwurf abliefert, sagt der technische Direktor, was das kostet und der kaufmännische Direktor, ob das finanziell machbar ist. Sonst muß der Bühnenbildner einen anderen Entwurf liefern - es gibt ja immer mehrere Wege. Hans Gratzer macht in Wien tolles Theater für 15 Millionen Schilling im Jahr, und das Theater in der Josefstadt macht jährlich zwölf Produktionen für 150 Millionen Schilling und das Burgtheater macht derzeit zehn Produktionen für 750 Millionen Schilling. Und wie verhält es sich da mit der Qualiät?

DIEFURCHE: In Österreich müßte man also vom Ausland lernen? morak: In Zürich sind der kaufmännische Direktor und der künstlerische Direktor von der Stadt eingesetzt. Bei uns sind der technische und der kaufmännische Direktor dem künstlerischen Direktor untergeordnet, dort sind die Direktoren gleichgestellt. Das Kulturbudget der Bepublik Österreich sind 0,9 Prozent des Gesamthaushaltes, an Einsparungen hier wird also die Republik nicht genesen. Außerdem ist Österreichs Identität eine kulturelle Identität, an diesem Platz zu sparen, ist daher grundsätzlich falsch. Aber durch Einsparungen frei werdende Mittel könnten anderswo sinnvoll eingesetzt werden. Erstens bei der Kunstvermittlung in der Schule, Künstler und Schule sollten mehr von einander wissen, den Schülern ästhetische Eigenverantwortung zu vermitteln, wäre wichtig. Zweitens sollte die Lücke zwischen Hochkultur und Volkskultur gefüllt werden, zum Teil wird sie ja von Kulturinitiativen wahrgenommen. Dann gibt es noch einen Nachholbedarf im Verhältnis von Kunst und Markt in Österreich. Auftraggeber, Vermittler und Adressat der Kunst ist derzeit der Staat, kritisiert Robert Menasse zurecht. Hier sollte „demokratisiert” werden.

DIEFURCHE: Wer könnte dazu beitragen?

Morak: Das Elternhaus.

DIEFURCHE: Welche Rolle spielt das Fernsehen? morak: Das Fernsehen sollte unsere Erlebniswelt widerspiegeln, diese Aufgabe ist einzufordern. Als öffentlich-rechtlicher Sender sollten dort österreichische Künstler, österreichische Autoren, österreichische Programme sich gegen die Konkurrenz am freien Markt durchsetzen.

DIEFURCHE: Gibt es konkrete Wünsche fiir die Zukunft? morak: Der wirtschaftliche Zusammenschluß Europas sollte endlich auch eine kulturelle Basis erhalten. Die ÖVP hat die Idee einer Kulturstiftung entwickelt, die auf zwei Problemstellungen antworten soll: Die eine ist, daß Kunst ausschließlich sich selbst verpflichtet ist. Es sollte fern der Politik genug Kapital für die Kunst zur Verfügung stehen. Die Stiftung sollte auch für die Wirtschaft geöffnet werden, was durchaus gelingen kann, wenn beispielsweise zehn Prozent des Gewinnes für die Stiftung steuerlich absetzbar sind. Ein Board, ein Direktor verwalten diese Stiftung. Die Finanzierung künstlerischer Projekte sollte weg vom Staat, hin zu einer demokratisierten, informierten Öffentlichkeit verlagert werden. Auch würde damit die Basis der Interessierten verbreitert.

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